|13| Wäre und hätte

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- Sicht Jacky -

Nach einigen freien Tagen trat ich endlich wieder meinen Dienst an.
Ich zog mir meine Dienstkleidung an und setzte mich in den Aufenthaltsraum. Johanna und Michelle saßen bereits auf dem Sofa, beide hatten tiefe Augenringe und hielten nur noch mit Mühe ihre Augen auf.
"Lange Schicht gehabt?" fragte ich leicht amüsiert.
"Ein Einsatz nach dem nächsten, wir haben gleich aber Feierabend, da lohnt es sich nicht mehr zu schlafen", erklärte Johanna, worraufhin Michelle einfach nur zur Seite kippte und ihre Augen schloss.
"So so, schlafen lohnt sich nicht?", ertönte es hinter mir. Ich zuckte heftig zusammen, da ich den Sanitäter nicht kommen sah.
"Ey Franco, erschreck mich doch nicht so, das hab ich dir aber schon häufiger gesagt."
"Tschuldigung, möchtest du einen Kaffee als Entschädigung?"
"Ja, aber können wir zum Bäcker fahren, der Kaffee hier den kann ich nur in akuten Notfälle trinken."
"Haben wir heute denn zusammen Dienst?"
"Du Dummkopf, sonst würde ich nicht fragen, wir können doch nicht einfach mal so einen RTW besetzen."
"Wer weiß?"
Der Sanitäter sprang auf und auch ich erhob mich in die stehende Position. Mit einem Blick auf die zwei fiel mir auf, das nun auch die Notärztin ihre Augen geschlossen hatte und in einer unvorstellbar unbequemen Lage auf dem Sofa lag.

"Warte, Jacky", meinte Franco, bevor er sein Handy rauszog. Fragend schaute ich ihn an, doch als ich sah, was er googelte, musste ich mir ein Lachen verkneifen. Er wollte die zwei tatsächlich mit einer Martinshornsirene wecken. Sie taten mir schon ein wenig Leid, als Franco sein Handy auf volle Lautstärke drehte und den Ton abspielte. Johanna schreckte sofort nach oben, wobei sie letzendlich von der Couch fiel. Sie schrie auf, bevor sie uns bitterböse anschaute. Michelle hingegen öffnete langsam ihre Augen.
"Macht den Scheiß aus ihr Idioten", murmelte sie schlaftrunken und regte sich keinen Millimeter.
"Seit ihr bescheuert", kam es eteas aufbrausender von Richtung Boden.
"Ich glaube", lachte ich, bevor ich der Notärztin meine Hand hinhielt, sodass sie aufstehen konnte.
"Bedankt euch lieber, sonst hätte ihr die ganzen Tag hier verbracht."
Die zwei antworteten nicht, sondern liefen nun in die Umkleide, wobei ich Angst hatte, dass Michelle auf dem Weg beim Laufen einschlief.

"Komm Jacky jetzt, bevor wir noch alamiert werden, sonst kriegen wir keinen Kaffee mehr."
Ich lief hinter dem Sanitäter her und wir setzten uns beide in den RTW.
Am Café angekommen, wurden wir etwas komisch angeschaut, aber ich war irgendwie stolz, darauf, meine Rettungsdienstkleidung zu tragen.
"Ah, kommen Sie bitte vor, nicht das Sie nichts mehr zu Essen kriegen", meinte die nette Dame vom Becker. Franco und ich lächelten sie freundlich an, bevor wir uns unser Frühstück bestellen. Mit unserem Brötchen setzen wir uns in den RTW und meldete uns frei.
"Beeil dich, nicht, dass wir noch einen Einsatz reinbekommen."
"Mach isch", nuschelte ich mit voller Mund.
Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, wurden wir von der Leitstelle angefunkt.
"Wenn du das jetzt nicht gesagt hättest, wären wir nicht angeguckt worden", beschwerte ich mich, währenddessen Franco losfuhr. Eigentlich dürfte ich mich nicht beschweren, da er den RTW fuhr, heißt ich konnte mein Brötchen noch schnell zu Ende essen.
"Was haben wir?"
"VU."
"Wenn da ein einziger Gaffer steht, ich dreh dem den Hals rum."
"Überlass das mal der Polizei", lachte der Sanitäter."
"Ne nan, die Polizei hat ja nicht das Problem mit den Leuten die am Unfallort mit ihren Handys rumtanzen."
Mein angefangens Brötchen wanderte zurück in die Tüte und das nicht grade sanft.
"Ey ich krieg schon wieder die Krise, haben die schonmal was von Rettungsgasse gehört?"
Die Auto vor uns waren teilweise ziemlich planlos, sodass Manche einfach die ganze Straße blockierten.
"Es reicht", rief ich und stieg aus dem RTW. Ich schnappte mir den Notfallrucksack, das EKG und das Sauerstoffgerät und lief vor. Zwischendurch brüllte ich einige Autofahrer an, das sie doch verdammt mal Platz machen sollten. Meine Wut konnte ich nur schwer kontrollieren, da vorne wahrscheinlich jemand sterben wird.
Nach etlichen Minuten war ich an der Unfallstelle angekommen. Natürlich war noch kein anderes Einsatzmittel am Einsatzort. Schnell verschaffte ich mit einen Überblick. Insgesamt gab es fünf beteiligte Autos. Die Insassen von drei Autos sprangen bereits panisch am Einsatzort rum, weshalb ich diese erstmal ignorierte. Sorgen machten mir die, die sich nicht bewegten. Zuerst lief ich zu einem schwarzen Auto. Die Fahrerin war bewusstlos und eine große Platzwunde klaffte auf ihrer Stirn. Ich überprüfte Puls und Atmung, es war beides vorhanden.
"Können Sie mich hören?", fragte ich sie laut, währenddessen ich ihr die Wange tätschelte. Sie zeigte keine Reaktion, weshalb ich ihr einmal über das Sternum rieb, worrauf ihre Augenlider flackerten.
"Hey, kommen Sie mal hierrüber", schrie ich zu einem leicht verletzten, der von Anfang an schon hierrum lief. Er zittertete leicht, war jedoch nicht weiter verletzt.
"Sie bleiben hier und gucken, dass sie atmet, wenn sie aufwachen sollte, reden Sie mit ihr, egal über was und sorgen Sie dann dafür, dass sie wach bleibt, verstanden?"
Unsicher nickte er, worraufhin ich schon zum nächsten Auto, ein dunkelblauer Kombi, lief. Der Mann war wach, aber nicht kommunikationsfähig, da er schwer Luft bekam.

If we don't safe them, who will?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt