Kapitel 9

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„Genau, einfach mal ganz entspannt auf den Stuhl setzen. Da ich ja jetzt zuerst nur mal über den Bauch schalle, musst du die Beine noch nicht einmal in die Schalen legen. Genau... so ist's perfekt."  Obwohl ich mich jetzt hier schon deutlich wohler fühle, ist noch ganz viel von dem mulmigen Gefühl in meinem Bauch. Felix stellt sich nun neben mich und nimmt meine Hand in seine – irgendwie gibt mir das schon ein Stück weit halt. „Das  Gel ist jetzt kurz ein bisschen kalt, aber wärmt sich relativ schnell an. Darf ich?" „Ja, Ultraschall ist eigentlich noch nicht schlimm für mich." „Na dann hast du ja noch ein bisschen Zeit, um zu entspannen. Sammle jetzt deine Energie, dann hast du später mehr davon.", sagt er mit einem netten Lächeln, bevor er den Kopf ansetzt. „Gut, da sieht schon mal alles perfekt aus – ein gutes Zeichen." Ich merke, dass Felix beruhigt ausatmet. „Magst du dir das Gel selber wegwischen?" „Ja, dankeschön." „Ok, jetzt kannst du deine Beine schon mal in die Schalen legen, ohne, dass du deine Unterhose ausziehen musst. So kannst du dich ein bisschen an das Gefühl gewöhnen, ohne dich entblößt zu fühlen – den Trick hab' ich von Michi." „Ja, den muss ich mir merken.", sagt Felix und drückt meine Hand etwas, während ich mich positioniere. Da ich vom Fach bin, weiß ich, wie ich mich hinlegen muss, damit er mich anschließend gut untersuchen kann. „Perfekt, die wohl häufigste Aussage der Gyns ,Noch ein bisschen vorrutschen' brauche ich bei dir gar nicht – du liegst genau richtig da." Ich lächle ihm nur zu, da mir gerade echt nicht nach reden ist. „Wie fühlt sich das an?" „Ja, geht eigentlich." „Super, ich fahre den Stuhl jetzt mal hoch, ja?" Nachdem ich zugestimmt habe, fühle ich die Bewegung des Stuhls. „Auch noch in Ordnung?" „Ja" „Ok, bevor wir jetzt dann beginnen: Wenn du Stopp sagst, dann ist auch Stopp. Du hast hier die Kontrolle, verstanden?" Ich nicke dankbar. „Na dann wollen wir mal."

„Gut, ich taste jetzt einfach mal von außen. Versuch dich, so gut wie möglich, zu entspannen – du kannst mir vertrauen. Ich führe jetzt noch nichts ein." Ich spüre, wie mich seine Hände berühren und versuche mit aller Kraft nicht zusammenzuzucken, was mir jedoch leider nicht gelingt. „Hey, ist in Ordnung. Das ist eine ganz normale Reaktion des Körpers, der dir sagt : Hey, da unten berührt dich jemand – das ist nur eine Warnung, die du jetzt wahrgenommen hast. Da dein Körper jetzt registriert hat, dass Berührungen folgen, lege ich los, ja? Du darfst dich heute allen Körperreaktionen hingeben." Diese Aussage trägt meiner Entspannung echt zu 100% bei – der Mann ist ein Frauenflüsterer.

„Hier fühlt sich auch alles ganz normal an, wunderbar. Ich werde jetzt einen, und wenn du dich daran gewöhnt hast, zwei Finger einführen, ja?" Ich liebe es, wenn Ärzte zuerst um die Zustimmung der PatientInnen fragen. So sollte es ja eigentlich immer sein, aber es gibt leider nun mal auch Ärzte, die informed consent nicht wirklich ernst nehmen. Als ich seine Finger in mir spüre, bin ich ganz überrascht, dass eine vaginale Untersuchung nicht weh tun muss. Wahrscheinlich hätte sie bei Michi auch nicht weh getan, hätte er mich unter normalen Umständen untersucht, aber es wäre mir einfach zu peinlich gewesen, ihn als behandelnden Gyn zu haben. Selbst als er den zweiten Finger einführt, spüre ich keinerlei Schmerzen. „Super machst du das.", lobt er mich. „Gut, das war's auch schon. Wie hat sich das für dich angefühlt? War es irgendwie schmerzhaft oder unangenehm?" „Nein, gar nicht. Ich bin mir sicher, dass ich nicht so ein Trauma hätte, wären die Ärztinnen in meiner Vergangenheit auch so sanft gewesen." „Ja, es gibt leider KollegInnen, die sich nicht korrekt verhalten, aber man kann ja zum Glück immer wechseln. Sollen wir mit der Spekulumuntersuchung weitermachen?" „Ich weiß nicht so recht – dieser Teil der Untersuchung war mit Abstand der schmerzhafteste." „Ja, der ist sowieso schon nicht besonders angenehm, weil der Muttermund so empfindlich ist, aber ich verspreche dir, ganz vorsichtig zu sein – dann sollte es halb so wild werden." „Na gut, es bleibt mir ja sowieso nichts anderes übrig." „Das stimmt nicht. Du hast immer eine Wahl und kannst immer immer nein sagen, weil es dein Körper ist." Ich sehe, dass Felix mit den Augen rollt. Da teilen die beiden in medizinischer Hinsicht definitiv nicht die gleiche Meinung.

Warum ausgerechnet dominant? (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt