76. Tian (Vor 1000 Jahren)

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Tim

„Es ist wirklich erstaunlich. Der Körper ist 1000 Jahre alt und so gut, wie erhalten. Das du ihn untersuchen darfst ist echt die größte Ehre aller Zeiten.“, meint Anton zum gefühlten 100. Mal. „Ja, ja. Ich bin dann mal an der Arbeit.“, sage ich und verschwinde in den Raum, wo der Körper liegt.

Ich ziehe die Plastikdecke weg und tatsächlich. Vor mir liegt ein Körper. Man erkennt die einzelnen Knochen ganz genau. Die eine Hand sieht so aus, als würde sie etwas festhalten, während Augen und Mund aufgerissen sind.

Ich weiß nicht warum, aber irgendwie habe ich den Drang die Hand in meine zu nehmen. Wie in Trance mache ich dies auch und auf einmal erscheinen Bilder.

Lachend laufe ich mit der Leiche, welche noch lebendig ist, über einen alten Tempel Innenhof. Hand in Hand laufen wir über Wiesen und springen über einen kleinen Bach. Alte Gewänder, welche chinesische Mönche noch tragen, bedecken unseren Körper.

„Fang mich!“, ruft die andere Person. Sie löst ihre Hand von meiner und rennt in eine andere Richtung. Ich folge ihr und schaffe es tatsächlich sie zu fangen. Zusammen fallen wir ins Gras und Rollen noch zwei Mal, ehe wir liegen bleiben. Er auf mir, ich unten. Wir lächeln und verbinden unsere Lippen.

„Was seht ihr hier?“, fragt plötzlich eine ältere Stimme. Sie gehört dem Ältesten unseres Stammes. „Etwas ekelhafte. Zwei Männer dürfen sich nicht küssen.“, ruft ein kleiner Junge, der bei dem ältesten ist. Ich und der Mann auf mir richten uns auf.

„Falsch.“, sagt der Älteste schlicht, „Zwei Menschen die den Reichtum der Welt entdecken haben. Sie haben die Liebe gefunden und sind glücklich.“ Der Mann mit den weißen Haaren lächelt uns an und läuft mit den Kindern weiter.

„Da hat er recht.“, sagt der Mann neben mir mit einer wunderschönen Stimme und küsst mich wieder.

Ich schrecke zurück und stütze mich ab. Ich erinnere mich an Sachen die ich erlebt habe, aber nicht in diesem Leben. Sondern in einem Leben vor 1000 Jahren.

Mein Blick gleitet wieder zu dem Skelett vor mir. Ein Blitz trifft mich, als ich erkenne, wer das ist. Tränen treten mir in die Augen und ich laufe wieder langsam auf ihn zu.

Er ist damals von den ein auf den anderen Tag verschwunden. Ich habe nie herausgefunden was passiert ist.

Langsam nehme ich seine Hand wieder und fahre mit der anderen vorsichtig über seinen Kopf. Mit einem kleinen Lächeln, trotz Tränen hauche ich: „Jan!“

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Teil 100🥳🥳

Gewitter im Kopf - OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt