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   "Kael'Thas ist wohlauf?", fragte der Lordregent voller Freude. "Allerdings, Lor'themar. Zusammen eroberten wir in der Anderswelt eine Festung und wir fanden einen Weg, an eine neue Energiequelle zu gelangen", antwortete der Großmagister Rommath. In seinem Gesicht spiegelte sich Ehrfurcht, als er über das sprach, was sein Fürst in der Heimat der Orks erreicht hatte. Die Anderswelt wie man Draenor nannte war eine völlig andere Welt. Wie weit entfernt von Azeroth war unklar. Sie war nur durch ein gewaltiges Tor weit südlich von Sturmwind zu erreichen. Draenor war zerstört und nur noch Splitter des ehemaligen, großen Kontinents zeugten von seiner einstigen Pracht. Man nannte diesen Planeten darum auch die Scherbenwelt. Dunkle Umstände hatten zur Erschaffung der Tore auf Azeroth und Draenor geführt. Mit dem Ziel die fehlgeleiteten, vom Dämonenblut beseelten Orks in diese Welt zuführen und ihnen die Eroberung Azeroths zu ermöglichen.
"Er gab mir für seine geliebten Blutelfen ein Geschenk mit und ich kann euch alle lehren wie man es benutzt", fuhr der Magister fort. Dolette tauschte einen überraschten Blick mit dem Lordregenten, der sah darauf wieder zurück zu Rommath. "Nun redet doch nicht weiter drum herum. Erzählt schon, Rommath!", gebot Lor'themar ungeduldig.
"Ich brauche euch nichts zu erzählen, ich werde es euch zeigen. Folgt mir auf den Sonnenhof, Lordregent. Ihr auch,  Lady Glutklinge. Nehmt diese Besucher, die ihr in unsere schöne Stadt gebracht habt, mit, wenn ihr es wünscht", sprach der Großmagister von oben herab und bedachte die Menschen, den Zwerg und den Nachtelfen eines missgünstigen Blickes. Er schritt hinaus aus der Tür, durch die er den Raum betreten hatte, und die Gesellschaft um Lor'themar Theron ließ sich kein zweites Mal bitten.
Als sie den Sonnenzornturm verließen und auf den Sonnenhof traten, warteten bereits zwei Dutzend Magister auf sie. In ihrer Mitte schwebte ein leuchtendes Wesen in einer durchscheinenden Kugel.
"Das ..." Rommath deutete auf das lilafarbene Wesen, das rosa schimmerte und vom Körper einer Rune mit gleißend hellen Augen, glich.
"... ist M'uru, es ist ein Naaru. Eines der gottähnlichen Wesen, die den Draenei die Flucht von ihrer Heimatwelt und somit vor der brennenden Legion, ermöglichten. Es besitzt unerschöpfliche Macht aus purem Licht und unser Prinz höchstselbst lehrte mich, diese Macht aus diesem Wesen zu kanalisieren. Damit wird es unseren Kriegern möglich sein die Geißel zurückzuschlagen und meine Magister werden unserer wunderschönen Stadt zu neuem Glanz verhelfen!" Der Großmagister war mit jedem Wort lauter geworden und so scharten sich schnell jede Menge weitere Blutelfen um die Gruppe.
"Ich will die erste sein, die diese Macht empfängt, Rommath!", rief eine Blutelfe mit einem braunen Zopf. Sie trug eine Robe, ähnlich der Rüstung Lor'themars, rot und gold, auf dem Rücken einen Stab. Haltung und Ausstrahlung waren der Marialles recht ähnlich. Offenbar war sie einst eine Priesterin, doch nun wirkte sie kraftlos, wie vom Licht verlassen. Entschlossen trat sie einige Schritte vorwärts, was die Menge murmeln ließ.
"Lady Liadrin, wie schön euch wieder zu sehen und wie erfreulich noch so mutige Blutelfen in unseren Reihen zu wissen." Er nickte ihr erfreut zu und sie trat noch etwas näher. "Was muss ich tun, Großmagister?"
"Konzentriert euch, spürt die Energie, die von diesem Wesen ausgeht und versucht sie zu euch zu ziehen." Die Elfe nickte entschlossen und sah auf zu dem schwebenden M'uru, dessen Körper aus Splittern zu bestehen schien, die um seine leuchtende Mitte kreisten. Mit geschlossenen Augen hob sie ihre Hände und richtete ihre Handflächen auf den Naaru. Augenblicklich begannen ihre Handinnenflächen in einem sanften Goldton zu leuchten und umhülten die schlanke Gestalt der Blutelfe kurz, bevor es in sie eindrang. Sie öffnete ihre grün, schimmernden Augen und ein verblüfftes Lächeln glitt über ihre Lippen.
"Erstaunlich!", sprach sie verwundert und ein gierigen Ausdruck legte sich auf ihre Züge. 
Marialle schluckte hart. Trotz der unterschiedlichen Haarfarbe und des gänzlich anderen Gesichts, glich Lady Liadrin plötzlich ihrer Liebsten in Ausstrahlung und Aura wie ein Ei dem anderen. Als sie zu ihr hinüber blickte, sah sie auch im Gesicht der Paladin, Überraschung.
"Ich spüre das Licht. Ich kann es beherrschen!" Ehrfurcht lag in dem Antlitz der Blutelfe, doch der Ausdruck wechselte rasch und sie grinste voller Selbstsicherheit. Sie erhob eine Hand und ließ, einige Körperlängen entfernt, einen gewaltigen goldenen Hammer auf den Boden niederfahren, der einen großen Krater hinterließ. "Seht was uns Prinz Kael'Thas für ein mächtiges Geschenk gemacht hat! Nehmt die Macht des Naaru in euch auf und lasst uns die Stadt wieder aufbauen und die Geißel zurückschlagen! Quel'Thalas soll zu neuem Glanz erstrahlen und Kael'Thas Sonnenwanderer willkommen heißen, wenn er nach Hause kommt!", rief Rommath laut und feierlich, so dass alle ihn vernehmen konnten und die Blutelfen erhoben ihre Hände und sogen das Licht von M'uru in sich ein. Verblüffte und lächelnde Gesichter waren überall zu sehen und Augenblicke später begann sich die lange Brücke zum Sonnenzornturm wieder zusammenzusetzen und die behelfsmäßigen Stützpfeiler wurden durch Magie entfernt. Die Häuser wurden wieder aufgebaut und die Zerstörung die Silbermond einst anheim suchte, zog sich durch die Macht der gestärkten Sin'dorei zurück. Marialle beobachtete ihr Gefährtin, die deutlich die Kiefer aufeinander presste.
"Seht ihr das? Wozu wir fähig sind, Lady Glutklinge? Und ihr bringt die, die uns nur die niederen Arbeiten verrichten ließen in unsere Mitte!", geiferte der Großmagister und deutete auf ihre Gefährten.
"Rommath, wir brauchen keinen externen Quell unserer Macht. Ich selbst lebe schon so lange enthaltsam und durch meinen Glauben erhalte ich meine Macht." Lady Liadrin lachte und ein forschender Blick legte sich auf Dolette.
"Seht mich an, Lady Glutklinge. Ich bin jetzt eine Paladin. Nur dass ich nicht dem Licht diene so wie ihr, sondern das Licht dient mir! Ich bin nicht auf gebete angewiesen. Das Wohlwollen irgendeiner übergeordneten Instanz. Seht die Antwort der Sin'dorei auf den Orden der silbernen Hand, seht die Macht der Blutritter!", ließ sie sich laut vernehmen, was die Umstehenden zum Schweigen, und die Magie, die die zerstörte Stadt zusammensetzte, zum Stillstand brachte.
"Genug! Es ist nicht an der Zeit zu streiten. Lady Liadrin, nehmt eure Blutritter oder wie ihr euch nennen wollt und schaut an der Todesschneise, wie mächtig das Licht wirklich in euch ist", unterbrach der Lordregent und die Angesprochene nickte ihm unterwürfig zu, auch wenn Missgunst in ihrem Blick lag. Sie wandte sich um und viele Blutelfen gingen ihr nach. Die anderen begannen wieder damit, die Stadt in ihren Ursprungszustand zurück zu formen. Lor'themar nickte zu Dolette rüber, auf dass sie ihm folgen möge. Halduron Wolkenglanz und Marialle, samt Gefährten, folgten ihnen zurück in den Sonnenzornturm. Im Thronsaal angekommen, wandte sich Lor'themar an die Paladin. "Was hältst du davon, Dolette?" Sie schaute gedankenverloren in das Gesicht ihrer Geliebten, bevor sie ihm antwortete. "Lor'themar, du weißt, wie ich zu der Abhängigkeit unseres Volkes generell stehe. Daran ändert es ganz sicher nichts, wenn sie jetzt auch noch ihren Durst an einem offenbar lebendigen Wesen stillen. Ich denke Macht muss man sich verdienen, mein Freund." Er überdachte ihre Worte, nickte abwesend und ließ seinen Blick rüber zu Dolettes Gefolge wandern. "Ja, ich weiß. Was ich aber nicht weiß, ist, ob ich nun noch für eure Sicherheit garantieren kann", wandte er sich an Marialle und die anderen.
"Eine äußerst schwierige Situation, Lordregent. Ihr habt gerade gar keine andere Wahl, als euer Volk gewähren zu lassen. Sie sehen wie ihr Reich sich wieder aufbaut. Wer kann es ihnen verdenken, diesen Weg zu wählen, wenn sie ihn so auf dem Silbertablett serviert bekommen", ließ sich Efendral vernehmen, der eine finstere Miene aufgesetzt hatte. "So viel Verständnis von einem Nachtelfen, die Zeiten haben sich wahrlich geändert", sprach Lor'themar bewundernd.
"Allerdings, das haben sie, aber jetzt können wir unser Volk ganz sicher nicht davon überzeugen einen anderen Weg einzuschlagen. Ich habe da aber eine Ideen. Lass Marialle und mich mit Liadrin und den anderen ehemaligen Priestern raus zur Schneise ziehen. Vielleicht können wir sie währenddessen davon überzeugen, dass sie die falschen Mittel für das richtige Ziel gebrauchen", bat Dolette den Lordregenten.
"Hältst du das für eine gute Idee? Lady Liadrin schien auch so schon nur auf einen Konkurrenzkampf aus zu sein", mischte sich nun auch die Priesterin ein.
"Bist du etwa in Sorge, ich würde unterliegen, Mari?" Und zum ersten Mal zierte wieder der herausfordernde Glanz die grünen Augen der Paladin seit sie Quel'Thalas erreicht hatten, auch wenn das Lächeln darunter matt war.
"Nein, selbstverständlich nicht, aber wir wissen ja nicht, wie mächtig sie tatsächlich durch die Energie des Naaru geworden sind, Dole." Die Paladin lachte und legte liebevoll einen Arm um die schmale Taille der Menschenfrau.
"Hab keine Angst, deshalb will ich dich ja mitnehmen", entgegnete Dolette zwinkernd. Marialle schluckte hart. Welche Unterstützung vermochte sie schon zu sein, jetzt da die schicksalhafte Verbindung zwischen ihnen Abgebrochen war?
"Versuch dein Glück, Dolette. Halduron, bitte übergib Lady Liadrin und ihren Blutrittern, Waffen und Rüstungen und verkünde ihr meine Entscheidung, ihr Dolette und Lady Lichtsprung mitzusenden." Halduron nickte und ging voraus, den Raum zu verlassen. Dolette und Marialle schickten sich an, ihm nachzueilen. Im Vorbeigehen befahl Dolette den ihren noch etwas. "Ihr bleibt hier, bis wir wissen ob ihr hier in Sicherheit seid!"

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt