Kapitel achtundzwanzig: Aller guten Dinge sind drei

747 38 25
                                    

MEROWEN

Gedankenverloren grub ich meine dick bandagierten Finger in das weiche Nackenfell des Fenris, während ich die Ereignisse der letzten Tage in meinem Kopf immer und immer wieder Revue passieren ließ. Die Prüfungen waren anspruchsvoll gewesen- keine Frage-, aber nicht so unlösbar, wie ich erwartet hatte. Beron jedoch schien selbst mein Erfolg bei der zweiten Prüfung kaum beeindruckt oder gar verängstigt zu haben.

Ganz im Gegenteil: nachdem der Fenris ihm verkündet hatte, dass ich bei seinem Tod meine Hände nicht im Spiel haben würde, war der High Lord geradezu in eine Art Hochstimmung verfallen. Und genau das hatte mich misstrauisch gemacht. Selbst ohne die Angst um sein eigenes Leben;  müsste Beron nicht weiterhin um seinen Thron und damit die Machtposition als High Lord fürchten?   Die Tatsache, dass er dies nicht tat, ließ mich mit Grauen auf die letzte Prüfung blicken. Es musste etwas sein, woran ich seiner Meinung nach scheitern würde. Außerdem war da noch die Sache mit Evaline und ihrem tödlichen Trank..


Mit einem leisen Knurren gab mir der Fenris zu verstehen, dass ich zu grob vorgegangen war. Erschrocken kehrte ich ins Hier und Jetzt zurück und lockerte meine verkrampften Finger, die sich vor Anspannung tief in die zarte Haut unter dem silbrig weißen Fell gebohrt hatten.

"Sei etwas vorsichtiger Fae. Jeder andere hätte längst meine Zähne zu spüren bekommen."

"Aber du magst mich und deswegen lässt du mir meine Finger, habe ich Recht?", flüsterte ich dem Wolf zu und pustete ihm kurz ins Gesicht.

"Werd bloß nicht überheblich! In ein paar Jahrhunderten tanze ich auf deiner Asche, ein wenig Demut würde dir gut zu Gesicht stehen."

Ich lachte auf und ließ mich mit ausgestreckten Armen nach hinten auf mein Bett fallen.

Tja, bis zu diesem Freudentag musst du mich noch eine ganze Weile ertragen.

Ein warmes Grollen erfüllte meinen Geist, als der Fenris in mein Lachen einstimmte.



Der weiße Wolf hatte sich bei unserer Ankunft im Schloss schlichtweg geweigert, von meiner Seite zu weichen. Da alle Fae Angst vor dem sagenumwobenen Wesen hatten und selbst Beron ihn als zu wertvoll ansah, um ihn zu töten, wurde ihm gestattet, in meiner Nähe zu bleiben. 

Mental war er bereits wenige Stunden nach seiner Geburt auf der geistigen Höhe eines erwachsenen Fae. Außerdem konnte er nicht nur zu anderen in Gedanken sprechen, sondern auch die meinen verstehen. Mühelos erfuhr er dadurch von all meinen Ängsten und Fragen, die mir derzeit durch den Kopf gingen. Da ich schnell herausfand, dass ich ohne viel Aufwand meine Gedanken und Gefühle mit ihm teilen konnte, zeigte ich ihm immer mehr Teile meiner Vergangenheit. Es war befremdlich und unglaublich befreiend zugleich, endlich all meine Empfindungen und Sorgen, die in Worten nicht zu beschreiben waren, durch Bilder und Gedanken mit jemandem teilen zu können. 

Alle meine Freunde und selbst Cassian kannten bisher nur Bruchstücke meines Seins- meines Wesens, das mich ausmachte. Aber der Fenris.. er verstand sehr schnell alles, das große Ganze. Ich verstand immer mehr, warum seine Spezies in vielen Kulturen gleich den Göttern verehrt worden war.

Ich zeigte ihm auch, warum ich seine Mutter getötet hatte und die damit einhergehenden Gefühle der Trauer und Schuld mussten ihn überzeugt haben, dass er mir vertrauen konnte.

Im Hinblick auf Beron hielt er seine Gefühle jedoch vage; ich vermutete, dass es damit zusammenhing, dass er die Zukunft des High Lords gesehen hatte. Nur allzu gerne hätte ich Details der Vision erfahren, doch ich akzeptierte die Entscheidung des Fenris.

Tales of Wings and Fire (ACOTAR fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt