⊱Kapitel 6⊰

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Fluchend lasse ich die Topflappen auf die Kücheninsel fallen und wedel wild mit den Händen in der Luft herum, um den beißenden Gestank, in Form von nebligen Rauch zu vertreiben. Aiden ist derweil zum Fenster geilt und leistet mir so Unterstützung. Hustend bringen wir auch den letzten Rauchschwaden dazu, sich unter der stechenden Mittagshitze zu vermischen.
»Verdammt. Mom wird mich umbringen«, missmutig starrt Aiden auf die Auflaufform vor uns.
»Ach Quatsch. Dafür hat sie dich viel zu gerne«, versuche ich seine Stimmung aufzuheitern.
»Vielleicht kann man das Ganze noch irgendwie retten?«
Auch wenn ich stark daran zweifle, dass die Lasagne noch essbar ist, wäre es immerhin ein Versuch wert.
Mit den Pfannenwender bewaffnet nehme ich Aidens Lieblingsgericht genauer unter die Lupe. »Also wenn man die unterste Schicht weglässt, dann dürfte das schon gehen.« Erleichtert drehe ich mich um und blicke direkt in das belustige Gesicht von Aiden. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnt er am Küchentisch und beobachtet mich.
»Was?«, frage ich genervt, da ich gerne wüsste, was der Grund für seine plötzliche Stimmungsschwankung ist.
»Ach nichts. Aber zugegeben sah das schon ziemlich«, er macht eine überlegende Pause, ehe er weiterspricht. »Interessant aus.« Grinsend kommt er ein paar Schritte näher.
»Interessant also?«, überheblich fliegt meine Augenbraue in die Höhe.
»Ja interessant.« Sein Grinsen wird breiter, während ich noch immer keine Ahnung habe, was sein Problem ist.
»Oder besser gesagt war die Aussicht ziemlich spannend. Zusammen mit deinem Blick, als du die Lasagne seziert hast, war das einfach unglaublich.«
Ernsthaft verwirrt halte ich einen Moment lang inne, bis auch bei mir der Groschen fällt. Denn erst jetzt bemerke ich, dass ich mich die ganze Zeit total dämlich gebückt habe. Entrüstet hebe ich meinen Blick und haue ihm in die Rippen. »Idiot.«
»Aua. Was denn?«
Augenverdrehend gehe ich auf einen der Schränke zu, in dem ich das Geschirr vermute, um unser Lasagne Desaster wenigstens mit einer guten Tat als Entschädigung auszubessern. Als ich nach den weißen Tellern greifen will, spüre ich plötzlich, wie zwei Hände, genau dasselbe vorhaben. Sofort erstarre ich zu Salzsäule. Für einen Augenblick scheint die Zeit stehen zu bleiben. Einzig allein diese winzige Berührung schickt ein heftiges Kribbeln durch meinen gesamten Körper, der grundlos in Flammen steht. Ehrlich gesagt traue ich mich überhaupt nicht, zur Seite zu blicken. Ich wüsste genau, was geschehen würde. Seine eisblauen Augen würden mich einmal mehr in eine andere Welt katapultieren, während seinen glühenden Atem auf meiner Haut spüren könnte. Schließlich steht er so nah hinter mir, dass sich unsere Schultern fast berühren und das will ich um alles Mögliche vermeiden. Noch mehr Körperkontakt mit Aiden würde meinen Körper ganz sicher verbrennen. Vermutlich würde er augenblicklich verpuffen oder zu Staub verfallen.

»Was riecht denn hier so?«
Räuspernd schießt Aidens Kopf herum. Meiner folgt. Dabei weiche ich seinem Blick absichtlich aus. Ein wenig peinlich berührt von dieser merkwürdigen Situation eben wandelt sich meine Gesichtsfarbe von einem zarten rosa, in ein leuchtendes Rot.
»Ach du Heilige«, mit weit aufgerissenen Augen tritt Elizabeth zu uns in die Küche.
Auf ihrem Arm ein kleines Mädchen, dass augenblicklich zu quieken beginnt. Noch immer stehen Aiden und ich wie versteinert vor dem Schrank, dennoch kann ich ein kleines Lächeln nicht zurückhalten.
»Mom ich«, versucht Aiden sie zu besänftigen und streckt eine Hand nach ihr aus.
Elizabeth betrachtet fassungslos die halb verbrannte Lasagne.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass das noch-«, versuche auch ich mein Glück.
Aidens Mom unterbricht mich, indem sie abrupt herum fährt und Aiden böse anstarrt. Tief in ihren Augen kann ich allerdings einen Funken Belustigung erkennen. »Aiden Harper. Das du mir niemals Koch wirst.«
Wäre ihre Ausstrahlung nicht so amerikanisch, würde ich fast glauben, dass Elizabeth Italienerin sei. Ihr Temperament spricht für sich. Wenn ihr Sohn das doch nur geerbt hätte.
Ihr Blick ist so einschüchternd, dass Aiden ein wenig niedergeschlagen den Kopf senkt. Fast könnte er mir leid tun. Er reißt ihn erst überfordert wieder in die Waagerechte, als Elizabeth ihm die kleine Ava in die Arme drückt. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als er seine Schwester etwas unbeholfen anschaut, während sie nur wie wild strampelt und lacht. Für einen Moment tritt das Bild von Aiden mit seiner kleinen Schwester in den Vordergrund. Wie süß es wohl aussehen muss, wenn er sich um das überaus fröhliche Mädchen kümmert? Als Ava mich entdeckt starrt sie mich eine halbe Ewigkeit lang an und beginnt erneut zu quieken. Schmunzelt fokussiere ich ihren Bruder schräg hinter ihr. Auch in seinem Gesicht erkenne ich den Ansatz eines minimalen Lächelns. Zwar wirkt Aiden ein bisschen distanziert, aber wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt meinen, die beiden würden nicht nur die Eltern, sondern auch ihre Gene teilen.

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