Purified Soul

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Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte hellem Licht entgegen. Schützend hielt ich mir die Hand vor die Augen. "Scheiße, bin ich tot?", murmelte ich und setzte mich auf. Rechts irgendwo neben mir hörte ich ein Lachen. "Noch schlimmer! Willkommen im Purified Soul Neue! Wo es kein Entkommen gibt!", erwiderte eine weibliche, hohe Stimme kichernd. Ich hörte Schritte auf mich zukommen, und als ich mich nach rechts drehte sah ich ein kleines Mädchen mit kurzem, rotem Haar und einem Katzenohr-Haarreif. "Hey, ich bin Annie, freut mich!", sagte sie und streckte mir ihre rechte Hand aus. Ich zuckte zusammen. Gott war die gruselig! Ihre grün-goldenen Augen sahen aus als hätte irgendein Dämon sie besessen und ihr Blick war hart - zu hart für ein Mädchen in dem Alter. Zögerlich schüttelte ich ihre Hand. "Jinx." Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging zurück dahin wo sie vorher war - auf ihr Bett rechts von meinem, worauf ein kleiner Teddybär lag.

Als sich meine Augen endlich an das Licht gewöhnt hatten schaute ich mich um. Links von mir hing an der Wand eine Lampe und eine Ablage, rechts war das Bett von... Wie hieß sie noch gleich?... Ach ja, Annie... Wenn man aufstand gab es in der Mitte noch einen kleinen Tisch und Fenster dahinter, sonst nurnoch zwei Türen. Schwankend bewegte ich mich auf die eine davon zu und öffnete sie. Ein Badezimmer. Dann ging ich zu der anderen, öffnete sie und blickte auf einen weiten Flur mit vielen verschiedenen Türen.

Überfordert drehte ich mich um und sah Annie an, die mit ihrem Teddy auf dem Bett spielte. "Sag mal... wie bin ich hergekommen?" Sie schaute kurz auf, dann grinste sie mich an und zwinkerte. "Wer weiß wer weiß." Mit diesen Worten umarmte sie den Teddy, rannte aus dem Zimmer und ließ mich verwirrt stehen.

Leise schlich ich aus dem Zimmer, in die Richtung von der ich dachte, Annie hätte sie eingeschlagen. Dumm eigentlich, ich meine ich war ziemlich sicher, dass dieses Kind mich nachts erwürgen würde wenn ich nicht aufpasse. Aber in diesem Moment wusste ich nicht wohin, von daher...

Als ich am Ende des Flures angekommen war und gerade um eine Ecke bog rannte ich in jemanden rein. Er war ein großer, gebräunter Mann mit langen Rasterzöpfen. Versehentlich hatte ich ihm seinen Kaffeebecher auf das Shirt gekippt. Ich konnte nicht anders als zu Grinsen und meine Laune kippte direkt um zu unbeschreiblicher Schadenfreude. Verwirrt sah er mich an. "Wow, du hast echt einen Schaden, genau wie Annie gesagt hat... Freut mich auch dich kennenzulernen, Neue." Er versuchte sich den Kaffee weg zu wischen und machte es nurnoch schlimmer, aber ich glaub das interessierte ihn auch nicht. Was wollte er damit bitte sagen?? "WAS SOLL DAS HEIßEN??!!", fuhr ich ihn an und Wut die ich nicht kontrollieren konnte wich aller Freude. Er seufzte und winkte ab. "Schon gut schon gut komm runter." Mit diesen Worten ging er.

Wütend schaute ich ihm nach und stapfte dann missmutig weiter, bis ich zu einer offenen Tür kam, woraus ich Stimmen hörte. Eine der Stimmen kam mir ziemlich bekannt vor. Mit einem lauten Rumms stieß ich mich an der Türklinke als ich hereintrat und hielt mir fluchend meine rechte Hüfte, die im Rythmus meines Herzschlags pulsierte. Schwester Akali sah mich überrascht an, dann nahm sie einen Schluck aus ihrem Becher. Was sollte das? Keine Reaktion oder so? Wie asozial kann man sein?

Genervt schaute ich sie an. "Du musst mir was erklären, JETZT", sagte ich mit einem Unterton, der jedes kleine Drecks-Kiddy zum Heulen gebracht hätte. Sie stand langsam auf, schloss die Tür, zeigte auf ihr Handy und wies mir dann, mich zu setzen. Schweigend setzte ich mich und beobachtete sie. Belauschte sie. Ich wollte nichts verpassen - nicht, dass ich nochmal irgendwo aufwache gegen meinen freien Willen.

"Ja, bitte entschuldigen Sie, ich habe verstanden. Ich sende Ihnen die Formulare der Patientin noch heute zu."

"Ja, ja genau, Borderline-Persönlichkeits-Störung."

"Lassen Sie das meine Sorge sein."

"Schönen Tag noch."

Mit einem Seufzen legte sie auf und sah mich dann an. "Sie sind also aufgewacht, Jinx. Gut geschlafen?" Vor Wut wurde mir schwarz vor Augen. War das ein schlechter Scherz? "VERARSCH MICH NICHT! SAG MIR SOFORT WAS LOS IST!!!" Sie nahm noch einen Schluck aus ihrem Becher und schaute mich ruhig an. "Das Gericht hat beschlossen, Sie hierher zu schicken, ins Purified Soul. Bei Ihnen wurde eine psychische Krankheit diagnostiziert, die den Alltag anderer Leute genau wie Ihren eigenen stark beeinträchtigt - allerdings nicht im positiven Sinne." Verwirrt schaute ich sie an, dann musste ich lachen. "Was soll'n das jetzt?? Ich bin nicht krank!" Sie schüttelte langsam mit geschlossenen Augen den Kopf, dann suchte sie meinen Blick und hielt ihm Stand. "Ihnen wurde einer Borderline-Persönlichkeits-Störung diagnostiziert. Aber daran werden wir hier gemeinsam mit Ihnen arbeiten - machen Sie sich da mal keine Sorgen."

Mit offenem Mund schaute ich sie an. "B-borderline?" Meine Stimme brach und kam mehr als ein Wimmern zum Vorschein. Tränen traten mir in die Augen. Sie nickte und sah mich mitfühlend an. "Deswegen sind Ihre Emotionen auch überaus sprunghaft. Allerdings werden wir Ihnen helfen so gut wie möglich. Doch bis dies getan ist müssen Sie hier bleiben - so der juristische Beschluss."

Stumm nickte ich und sah auf den Boden. Schwindel. Kopfschmerzen. Alles überkam mich wie eine Welle. Mir wurde schwarz vor Augen und ich spürte, wie mein Körper samt Stuhl auf den Boden aufschlug. Danach war alles weg.

Jinx - In Scherben gespaltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt