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George rannte um sein Leben. Der schwere Rucksack schlug ihm mit jedem Schritt schmerzhaft gegen den Rücken und klapperte verräterisch.

Inzwischen versuchte George es nicht mal mehr leise zu sein. Mit jedem weiteren Schritt über den staubigen Asphalt schnappte er keuchend nach Luft und musste seine brennenden Muskeln dazu zwingen weiter zu arbeiten. 

Er war längst entdeckt worden. Er wäre niemals so gerannt, hätte man ihn nicht entdeckt. 

Jetzt ging es nur noch darum schneller zu sein als seine Verfolger. Sollten sie ihn einholen, war alles vorbei. 

George war es schmerzlich bewusst, wie schlecht seine Chancen standen. Sein Körper war müde und er bekam kaum Luft.

Die alte Stoffmaske, die er sich vor seinem Aufbruch schnell über das Gesicht gezogen hatte war nun vollgesogen mit kaltem Angstschweiß und bedeckt von Staub. 

Es war nicht mehr weit, nur noch wenige hundert Meter und er würde das alte alleinstehende Haus wieder aus dem umliegenden Gestrüpp hervorstechen sehen. 

Er zwang seine Beine noch ein letztes Mal alles zu geben und sprintete weiter. 

Endlich sah er wieder den umgestürzten Baum, den er mit neu gefundener Energie übersprang, und den schief hängenden Briefkasten, der die Einfahrt des Geländes schmückte.

Das alte Haus stand noch genau wie er in Erinnerung hatte versunken und eingefallen in dem verwilderten Garten. 

Georges Herz machte einen kleinen Hüpfer und er stürmte auf die Tür zu. 

Erst als er wenige Zentimeter von dem Eingang entfernt war roch er es. Normalerweise hätte er wahrscheinlich nicht einmal auf den in der Luft schwebenden Geruch geachtet, aber die letzten Wochen hatten es ihn gelehrt vorsichtig zu sein. 

Er griff nach hinten an seinen Rucksack und zog den metallenen Golfschläger aus der Seitentasche. 

Normalerweise hätte George länger darüber nachgedacht, was er jetzt tun würde, aber ihm fehlte die Zeit. Sollten ihn seine Verfolger erst einmal erreicht haben war alles vorbei. Noch schlimmer, er würde nicht nur sich selbst sondern auch Dream gefährden. 

Seine Waffe fest in den Händen trat George die Tür auf und betrat das Haus. 

Der aggressive Geruch von verbranntem Essen überwältigte ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Georges Augen brannten, aber er zwang sich dem Geruch entgegen zu gehen. 

Bedacht darauf leise zu sein setzte er einen Fuß vor den Anderen und schlich über den morschen Holzboden.

Georges Herzschlag war viel zu laut, sein Herzschlag hallte ihm in den Ohren wider und er hatte das Gefühl, dass sein Blickfeld sich mit jedem weiteren Schritt weiter zusammenzog. 

Sobald er um die Ecke trat, die die Küche von dem Eingang trennte, kamen ihm schwere unter der Decke hängende Rauchschwaden entgegen. 

George beschleunigte seinen Schritt und kniff die tränenden Augen zusammen. 

Panisch begann er den Boden mit seinen Augen abzusuchen. Mit jeder verstreichenden Sekunde fiel es ihm schwerer einzuatmen und er merkte, wie die Fliesen unter ihm zu schwanken begannen. 

Ihm war klar, dass er nur noch wenige Sekunden hatte, bevor es wirklich gefährlich für ihn werden würde. 

Endlich entdeckte er ihn. Ohne noch weiter Zeit zu verschwenden packte George den vor ihm liegendem Jungen und zog ihn von dem qualmenden Feuer auf dem Herd weg. 

Sie schafften es bis ins Wohnzimmer, als Georges Muskeln aufgaben und er schwer keuchend auf den Boden sackte. 

Er riss sich die verdreckte Maske vom Gesicht und atmete gierig die saubere Luft ein. 

George schickte ein kurzes Stoßgebet in den Himmel bevor er nach einem Puls an dem vor ihm liegenden Jungen suchte. 

Seine Finger zitterten, aber es dauerte nicht lang, bis er einen fand. Er war schwach, deutlich schwächer, als was George für gesund einschätzte, aber es war ein Puls. 

Er sprang auf und zog sich den alten Stoff angeekelt wieder über Mund und Nase, bevor er die Küche betrat. Der beißende Rauch kam von dem Herd, jemand hatte ein Feuer darauf gemacht. George hinterfragte nicht was er sah und griff nach einer Pfanne, die er kurzerhand über den qualmenden Haufen stülpte. 

Er hoffte einfach, dass das reichen würde um die Flammen zu ersticken. Das Fenster konnte er nicht öffnen. Den Rauch würde man von draußen sehen und riechen können, das konnte er nicht riskieren. 

Sie konnten es nicht riskieren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, es war ein Wunder, dass er es geschafft hatte wieder zurück zu kommen, das konnte er nicht durch unüberlegtes Handeln kaputt machen. 

Mit dem Gedanken sprang er auf und rannte zur Eingangstür. 

Er schloss die Tür richtig und verschloss sie von innen, bevor er wieder in das Wohnzimmer ging um nach dem Anderen zu schauen.

Seine Atmung war flach und rasselte, so dass George sie aus einigen Metern Entfernung hören konnte.

George öffnete kurzerhand den Mund des Anderen und begann ihn zu beatmen. 

Manchmal war es besser nicht über das was man tat nachzudenken. George hatte keinen Plan, was man gegen Rauchvergiftungen tat und er wusste genauso wenig, wie man jemanden Mund zu Mund beatmete. Er war sich nicht einmal sicher, ob das was er tat etwas brachte. 

Es dauerte jedoch nicht lang und es kam wieder leben in den anderen Jungen. 

Er begann sich auf dem Boden zu winden und zu husten und zu würgen. 

George nahm etwas Abstand und wartete bis der Andere sich aufgerichtet hatte. 

"Was machst du hier?" Seine Stimme war anders, als George sie in Erinnerung gehabt hatte. Sie schien kälter, distanzierter. Vielleicht war es aber auch nur der Rauch, der seine Stimme aufgeraut hatte und verändert wirken ließ. 

"Ich-" George konnte nicht anders als den Anderen anzustarren. 

Er sah schrecklich mitgenommen aus. Seine hellen Haare waren dreckig und hingen ihm unordentlich ins Gesicht. Auch seine Haut sah aus, als hätte sie seit Tagen kein Wasser gesehen und war fleckig und gerötet. 

"Ich konnte dich nicht alleine lassen" George setzte sich neben den größeren Jungen und schaute verlegen zur Seite. "Ich hätte nicht alleine gehen sollen, es tut mir leid." Er wartete auf eine Antwort, aber der Größere erwiderte nicht einmal seinen Blick. 

Er verließ einfach das Zimmer und ließ George alleine und verwirrt zurück. 

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14.05.2021 

ca. 1000 Wörter 

Bis(s) zum EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt