Der Geruch von Kupfer, Eisen und Erbrochenen hing noch in der Luft, während Shira den Ofen befeuerte. Auf den Herdplatten standen bereits zwei Pfannen. Fett brutzelte darin.
„Habt ihr noch Fleisch?", wollte sie wissen, aber meine Lippen klebten aneinander. „Schön, wenn du schon nicht hilfst, denn steh mir nicht im Weg."
Ich schreckte zusammen. Zwei Männer und Shiras Freund waren hinter mir aufgetaucht, drängelten sich an mir vorbei und reichten ihr zwei rosa Fleischklumpen, die entfernt an Kaninchen erinnerten.
Nickend und wenig überrascht darüber, dass die Werwölfe in einem exklusiven Einklang selbst bei einer banalen Tätigkeit wie dem Kochen harmonierten, machte ich ihnen Platz. Betrachtete ich die schmutzigen Spuren auf dem Fußboden, das getrocknete Blut an ihren Händen und die Tannennadeln in ihren Haaren, war es einfach nachzuvollziehen, wie sie so lange und ungesehen überleben konnten. Ihre Kraft, ihre Loyalität und diese unbändige Wildheit, die nach Freiheit gierte, einten sie.
Ich schaute an mir herunter, folgte den langen Beinen bis zu den kleinen Füßen, die nicht zum Wandern gemacht waren. Alles in allem eignete sich mein Körper nicht für das Leben im Wald, für das Jagen und für das ... Töten.
Die Männer setzten sich an den Tisch, beobachteten Shira und nuschelten Worte, die ich ausblendete, denn meine Sinne gehörten ihr und dem Fleisch, das sie stapelte.
„Wäre das Fleisch in einer Suppe nicht bekömmlicher?", hakte ich nach und bereute es. Ihre Blicke stachen wie Eiszapfen, die eben noch ruhig an der Dachkante gehangen und nun ihren Halt verloren hatten, auf mich ein.
„Es geht nicht darum, dass der Alpha des Nordens eine bekömmliche Mahlzeit bekommt, sondern darum, dass er wieder zu Kräften kommt." Ihr Ellenbogen grub sich in meine Seite und ich schnappte nach Luft, presste meine Hand gegen meine Rippen. Sie lehnte sich zu mir, flüsterte mit heiserer Stimme. „Aber davon verstehst du nichts. Du versucht nicht einmal, es zu verstehen, oder?"
Ich hatte mich immer für eine genügsame Person gehalten, die ihre Nase zwar gerne in fremder Leute Angelegenheiten steckte, dies aber immer mit der nötigen Geduld tat. Tja, so wie es aussah, hatte ich mich getäuscht. Meine Hand verselbstständigte sich, packte Shiras Arm und riss sie zurück. Keine zwei Sekunden später, schürfte mein Gesicht über die spröden Bodendielen und sie drückte ihr Knie in meinen Rücken.
„Fass mich nicht ungefragt an!", fauchte sie.
Stimmt, ich hatte vergessen, dass sie von Utopias Leuten und damit von Menschen wie mir eingesperrt und misshandelt worden war. Außerdem war es wohl nie eine sonderlich gute Idee, einen Werwolf aus dem Nichts zu überraschen oder gar festzuhalten.
„Shira, die junge Menschenfrau steht auf unserer Seite", warf einer der Unbekannten ein. „Gareth schätzt sie, also brich ihr nicht die Knochen. Oder hat sie dir etwas getan? Bist du deswegen zurückgekommen?"
„Ich bin zurückgekommen, weil ich mich für die Hilfe eures Alphas bedanken möchte. Wäre er nicht gewesen, wären wir sicherlich in Einzelteilen zerlegt worden."
Mein Kiefer schmerzte und ausgehend von dem Knie, das sich in meinen Rücken fraß, breitete sich ein lähmender Schmerz über meine Wirbelsäule aus.
Shira richtete sich auf, nahm den Schmerz und den Druck mit und beugte sich über mich, um den Teller voller Fleisch, den sie fallen gelassen hatte, aufzuheben. Dabei zeigte sie mir ihre Zähne – eine Warnung. Gut, dass ich solche Warnungen heute absichtlich missverstand, schwungvoll aufsprang und sie umschmiss. Sie landete auf der Seite, hielt den Teller gerade und das Fleisch blieb, wo es hingehörte. Ein helles Knurren drang aus ihrer Kehle, ehe ihr Bein meinen Oberkörper traf.
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Claws of the North
Vlkodlaci~ Side Story von "Paws on Glass" ~ Er versucht, Utopia ein für alle Mal auszuschalten und geht über Leichen. Allein hat er sich auf die Suche nach den letzten Jägern und Wissenschaftlern dieser Untergrundorganisation gemacht. Als sein Weg den von Mo...