Enno hat wirklich die ganze Nacht gewartet. Meine Schicht verlief wie immer, außer dass ich beobachtet wurde von diesen grünen Augen. Sie sind meinen sehr ähnlich, Ennos sind eine Spur dunkler und haben ein paar feine goldene Sprenkel. Ich weiß, dass es feige ist jetzt einfach zu verschwinden und ich brauche auch keine Angst vor ihm zu haben, weil ich ihn jederzeit ausschalten könnte, aber ich bin noch nicht bereit zu einem Gespräch mit meinem Zwillingsbruder. Das ist es wahrscheinlich, was er mir sagen möchte und natürlich die andere Sache über die ich nicht nachdenken werde. Gerade als Enno einen Schluck von seinem Bier nimmt verschmelze ich mit den Schatten, so wie ich es schon des Öfteren gemacht habe. Es ist ganz einfach, man muss es sich nur vorstellen können und vielleicht etwas Übung. Enno blickt genau in meine Richtung, aber er sieht durch mich hindurch. Er wirkt verwirrt und auch panisch, als hätte er seine Beute verloren. Ohne, dass ich es merke beginne ich zu grinsen, aber irgendwie tut mir mein Zwilling auch Leid, ich würde ihm gerne vertrauen. Das kann ich nicht und das habe ich auch früh gelernt, vertraue nie jemanden blind ohne ihn zu kennen. Meine Eltern haben mich als Baby weggegeben, weil ich ein Mädchen bin und später auch meine Adoptiveltern, als ich zehn Jahre alt war, es war die Dritte Familie in diesem Jahr. Sie haben mir wie jede andere versprochen, dass ich hier ein schönes Leben haben werde, auch wenn es in diesem Moment die Wahrheit war, war es zum Schluss auch wieder nur eine Lüge. Deshalb werde ich nicht mit ihm gehen um dann wieder verlassen zu werden. Ich schleiche mich an betrunkenen Kunden vorbei zum Ausgang. Dort angekommen warte ich auf die nächsten Leute, die die Bar verlassen und husche mit ihnen hinaus. Draußen schlägt mir die Winterkälte Londons entgegen, aber durch meinen dicken schwarzen Mantel spüre ich die Kälte kaum. Nach ein paar Gassen trete ich aus dem Schatten und begebe mich auf direkten Weg in meine Wohnung. Ich sehe schon den Eingang von dem Hochhaus in dem meine Wohnung liegt. Dort angekommen empfangen mich schon Wärme und Licht, obwohl ich kein Problem habe im Dunklen zu sehen. Im achten Stockwerk Nummer 24 ist meine Wohnung, nur noch den alten rostigen Schlüssel aus dem Mantel und hinein. Enno! Ich weiß nicht ob ich seinen Namen laut ausgesprochen habe, jedenfalls sitzt er auf meiner blauen Couch die vor einem Fernseher steht und sieht irgendeine Serie auf Netflix. Es ist schon lange her, dass ich so überrascht ob wurde. Er muss beim Balkon reingekommen sein, da meine Tür keine Schäden hat oder Fußabdrücke am Teppich davor sind. ,,Du hattest es wohl eilig, da muss ich dich verpasst haben. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich deinen Fernseher benutzt habe. Ich wusste ja nicht wann du hier her kommst.", sagt er etwas verärgert. ,,Kein Problem also, was wolltest du mit mir besprechen und sag deinem Freund, dass er sich nicht vor mir verstecken braucht.", antworte ich. Seit ich einen Fuß über die Türschwelle gesetzt habe, habe ich gewusst, dass er da ist. So wie der Assassinen König der sich in den Schatten versteckt hat wie ich vorher. Ertappt blickt mein Bruder zu Boden und der Assassin tritt aus dem Schatten. Er sieht jung aus, aber alle Unsterblichen sehen schön und jung aus. Sein linker Arm ist voll mit Tattoos und sie passen perfekt zu seiner gold-braunen Haut und den schwarzen Haaren, die so aussehen als würden sie das Licht schlucken. Seinen braunen beinahe schwarzen Augen mustern mich. Mir wird ganz heiß und kalt zugleich, aber ich ignoriere das Gefühl und stufe die Gefahr ein und überlege mir meine Möglichkeiten. Die Erste, ich setzte mich und höre mir an was Enno zu sagen hat oder die Zweite, ich greife sie an, aber das wäre vorschnell gehandelt. Ich sollte nicht immer vom Schlimmsten ausgehen und mir ein Urteil von ihnen bilden ohne sie zu kennen. Gerüchte habe ich über meinen Bruder darüber gehört, dass er seine verlorene Schwester sucht. Über den Assassinen gibt es nicht viel zu wissen, außer dass sie sehr zurückgezogen leben, deshalb muss es einen guten Grund geben, warum er meinem Zwilling hilft. ,,Du solltest dich setzten Vi", sagt Lucan Vajo der Assassinen König. Es soll zwar eine Bitte sein, aber sein Ton sagt, dass man ihm zu gehorchen hat. Ich habe nicht vor seiner Bitte nachzugehen aus zwei Gründen, erstens er hat es mir gesagt, als sei ich einer seiner Untertanen und zweitens er hat mich Vi genannt, obwohl das ganz süß ist. Also verschränke ich meine Arme vor der Brust und ziehe herausfordernd eine Augenbraue hoch. Auf dem Absatz mache ich kehrt und gehe in die angrenzende Küche. „Wollt ihr auch etwas trinken?", rufe ich meinen ungebetenen Gäste aus der Küche zu. Sie geben mir keine Antwort, deshalb fülle ich mir ein Glas mit Wasser und gehe wieder zu ihnen und lasse mich neben Enno aufs Sofa plumpsen. „Also jetzt kannst du so viel wie du möchtest mit mir sprechen, weil ihr sicher vorher nicht geht, oder?"
YOU ARE READING
Die fünf Welten
FantasyAchtung! Vorübergehend abgebrochen Vivien, eine junge Barkeeperin da sieht die Zukunft mehr als nur Gläser befüllen und Leute bedienen vor. Ein Fremder und alles ändert sich in ihrem Leben. Oder hat sie es schon gewusst?