⊱Kapitel 7⊰

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Das Schlafzimmer von Aidens Eltern befindet sich am anderen Ende des Ganges und ist ganz anders als erwartet nicht wesentlich größer, als Aidens eigenes Zimmer. An der linken Wand steht das riesige Ehebett. Die türferne Seite wird von einem wahnsinnig gemütlich wirkenden Erker eingeschlossen und auf der rechten Seite steht das Schmuckstück. Der Kleiderschrank. Aidens Eltern müssen so viele Sachen besitzen, dass er gerade so an die längere Wand des Zimmer passt und um ein Haar mit der hölzernen Kommode neben der Tür kollidiert. Noch unschlüssiger als in Aidens Reich bleibe ich inmitten des Möbelchaoses stehen. Er hingegen schiebt ohne zu zögern zwei der drei Schranktüren ineinander.
»Such dir was aus«, mit einer ausladenden Handbewegung bedeutet Aiden mir näher zu treten.
Aber kann ich das wirklich einfach so machen? Schließlich durchwühlt man niemals, unter keinen Umständen die Sachen fremder Leute. Wobei ich auch nie auf die Idee gekommen wäre Allis Klamotten oder Vics auseinander zu nehmen.
»Ähm, ich gehe doch nicht einfach an die Sachen deiner Mom.« Ich ziehe die Unterlippe zwischen die Zähne und drehe mich zu ihm um.
Seufzend fährt er sich durch die Haare. »Erstens habe ich es dir erlaubt. Zweitens will ich heute noch fertig werden. Und das klappt drittens nicht, wenn du dir nicht einfach was von Moms Kleidung nimmst.«
Na schön, wo er Recht hat. Ich habe nämlich auch keine große Lust, mich noch einmal wegen dieses Kunstprojekts treffen zu müssen. Manchmal muss man wohl oder übel einfach über sein Schatten springen.
»Also gut. Aber du übernimmst die Verantwortung dafür«, schaue ich ernst drein.
»Meinetwegen. Aber such dir endlich was aus. Während der Dämmerung oder nach Einbruch der Dunkelheit können wir die geplanten Fotos vergessen.«
Meine innere Stimme gibt ihm natürlich Recht, mein Körper hingegen hat sich noch immer keinen Millimeter vom Fleck bewegt. Die Augen verdrehend ziehe ich dann doch die Kleiderbügel auseinander und bewundere all die schönen Kleider, die Elizabeth offenbar andauernd trägt. Wow, da kann man wirklich schnell neidisch werden. Eines gefällt mir ganz besonders gut. Es ist ein einfaches, luftiges Sommerkleid. Mit Ärmeln, die knapp bis zum Ellenbogen fallen du einem wunderschönen Blumenmuster, dass auf einem zarten Rosaton gebettet ist. Eigentlich bin ich überhaupt kein Fan dieser Farbe, aber zu diesem Kleid passt es ganz besonders gut. Ich bin mir sicher, es wäre perfekt für unsere Bilderreihe.
»Das steht dir bestimmt richtig gut.« Aidens Stimmlage hat sich verändert. Wie so oft, wenn er über persönliches spricht, ist sie so viel weicher, als sonst. Auch wenn mich sein Kompliment ein wenig rot werden lässt.
»Ja, bestimmt«, gebe ich nur zurück und ziehe das geblümte Kleid vom Bügel.
Als ich Schritte höre, bete ich zu tiefst, dass Aiden nicht wieder plötzlich hinter mir auftaucht. Innerlich stelle ich mich aber bereits auf das warme Kribbeln, dass sein Atem und seine Anwesenheit in mir auslöst ein. Für ein paar Sekunden halte ich inne. Die Zeit läuft immer weiter, doch von diesem angenehmen Gefühl ist nichts, nicht einmal ansatzweise etwas zu spüren. Irgendein verblödeter Teil in mir schreit förmlich danach. Nach diesem Feuer, das jedes verdammte Mal entsteht, wen Aiden und ich uns so unfassbar, verboten nah sind. Mit aller Macht versuche ich gegen diese Sehnsucht an zu kämpfen. Warum mir das so schwer fällt weiß ich selbst nicht einmal. Aidens Räuspern lässt mich herumfahren. Er hat sich lediglich auf die Bettkante gesetzt. Ich leide wirklich unter der ein oder anderen Paranoier. 
»Äh ja.« Mist, mein Blick trifft direkt seine blauen, tief im Inneren leuchtenden Augen. Hastig senke ich ihn auf das Kleid in meinen Händen. Ich brauche einen Moment, um wieder klar denken zu können. Was stellt Aiden nur mit mir an, dass ich so sehr in eine andere Welt abtauche, sobald er mich auch nur anschaut? »Würdest du bitte draußen warten?«
Ohne mir zu Antworten lässt er sich rücklings nach hinten fallen, legt seine verschränkten Hände auf den Bauch und starrt unbeteiligt an die Decke. Ist das sein verdammter Ernst? »Welchen Teil von »draußen« hast du nicht verstanden?«, fauche ich.
Aiden rührt sich nicht. Weder verbal, noch körperlich. Mir wird relativ schnell klar, dass er sich so oder so nicht vor die Tür bewegen wird, also bleibt mir keine andere Wahl, als mich hier, vor ihm umzuziehen.
Nicht, dass das meine Begeisterung steigern würde. Denn das tut es nicht, nicht im Geringsten. Unbehaglich drehe ich ihm wieder den Rücken zu und versuche mich so klein wie möglich zu machen, indem ich mich ein wenig ducke. Viel bringt das allerdings nicht, da es so nur noch umständlicher wird, unter diesen Bedingungen Shirt und Hose gegen das hübsche Kleid zu tauschen. Mühsam, aber darauf bedacht es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen lasse ich also mein Shirt wahllos auf den Boden landen und ziehe in Windeseile das Kleid über meinen Kopf. Erleichtert streiche ich kurz die Seiten glatt und befreie mich erst dann aus der kurzen Hose. Anschließend klaube ich meine Sachen vom Boden auf und hoffe für Aiden, dass er noch immer brav an die Decke starrt. Sonst ist dieser Junge definitiv tot. Was wohl auf seinem Grabstein stände?

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