„Das bekommen wir ganz einfach mit einem Saft wieder hin.", hat er gesagt. Sehr lustig, ganz einfach ist hier gar nichts. Ellie berichtet mir seit einer halben Stunde, dass sie Lilly versucht, das Medikament zu geben, aber es einfach nicht in sie reinbekommt. Wenn ich heute nicht noch ein paar PatientInnen hätte, dann wäre ich schon längst zu ihnen gefahren und hätte Ellie unterstützt, aber ich kann hier im Moment nicht wegen sowas weg. Wegen eines Notfalls ja, aber das ist nun mal kein Notfall. Ich habe ihr schon unzählige Tipps gegeben, aber anscheinend hilft nichts. Ellie meinte schon, dass sie aufgibt, aber ich konnte sie dazu überreden, es nochmal zu versuchen. Wenn es jetzt nicht klappt, muss es sowieso ich am Abend nochmal probieren, worauf ich natürlich nur mäßig Lust hätte, aber so ist es nun mal ein Kind aufzuziehen – da gehört sowas halt dazu.Als ich nach Hause komme, sitzen Ellie und Lilly auf der Couch und schauen sich eine Kinderserie an. Auf einen fragenden Blick meinerseits antwortet Ellie: „Ich konnte sie damit ködern, dass ich mir mit ihr Sendungen anschaue, bis du kommst und wir ihr danach das Medikament geben." Ich seufze und bereite mich schon mal darauf vor, dass wir das nicht so einfach über die Bühne bringen werden, wie sie es sich jetzt vielleicht gerade vorstellt. Um ehrlich zu sein, will ich das einfach hinter mir haben und mit den beiden meinen Feierabend genießen. „Hey ihr zwei, wie war euer Tag?", frage ich einfach mal, bevor ich zur Sache komme. So kann mir Lilly vielleicht mal etwas von ihrem Tag erzählen, ohne gleich in eine Abwehrhaltung zu gehen. „Ellie wollte mir das Medikament geben, aber ich will es nicht.", sagt sie in einem ziemlich trotzigen Ton. Na, das hat ja mal toll funktioniert. Aber vielleicht ist es auch besser so – dann ist es hoffentlich schneller vorbei. „Aber das ist wichtig, damit es dir bald wieder besser geht." „Nein, ich werde es nicht nehmen!" „Lilly... komm, sei doch vernünftig. Das ist wichtig..." „Ihr könnt mich nicht dazu zwingen." „Schatz, es ist wichtig, dass du den Saft jetzt schluckst – so widerlich ist er doch gar nicht." „Dann kannst du ihn ja nehmen." „Ich habe aber keine Schmerzen, also brauche ich ihn nicht." „Ich habe auch keine Schmerzen." „Lilly, das wird mir hier jetzt langsam zu blöd. Natürlich hast du Schmerzen, sonst wären wir gestern nicht bei James gewesen. Kannst du dich jetzt bitte zusammenreißen und einfach diesen Saft nehmen?" „Niemals!", ruft sie und möchte von uns weglaufen. Jedoch bin ich schneller und schaffe es gerade noch, sie zurückzuhalten. Ich ziehe sie fest an mich, so, dass sie keine Chance hat, zu entkommen – jetzt ist Schnelligkeit gefragt.
Während sich Lilly in meinen Armen wehrt und versucht zu entkommen, gebe ich Ellie mit einem Blick zu verstehen, dass sie schnell den Saft holen soll. Sie schaut mich skeptisch an, geht jedoch in die Küche und holt ihn. Ich will Lilly ja auch nicht dazu zwingen, dass Medikament zu nehmen, aber ich habe vorhin noch kurz mit einem befreundeten Kinderarzt telefoniert, der mir gesagt hat, dass man Kinder bei der Medikamentengabe leider oft zwingen muss – sonst bekommt man den Saft, laut ihm, nie in die Kleinen. Als ich auf Ellie warte, beschließe ich jedoch, es nochmal auf die sanfte Weise zu versuchen. „Schatz, ganz ruhig. Wenn du den Saft jetzt freiwillig nimmst, dann darfst du heute eine Stunde länger wach bleiben." „Nein, ich will das nicht." „Ich weiß Mäuschen, aber das Medikament kommt so oder so in dich rein. Du kannst es also selber nehmen, oder ich muss dich festhalten und Ellie gibt es dir – du hast die Wahl. Der Saft kommt aber auf jeden Fall in dich rein." „Aber der schmeckt so widerlich." „Ich weiß, du darfst nachher einen Schokoriegel haben, dann ist der eklige Geschmack auch ganz schnell wieder weg. Wie wäre das?" Normalerweise würde ich nie so lange diskutieren, aber bei Lilly ist das irgendwie was ganz anderes. Streng zu sein, fällt mir bei ihr total schwer, was wahrscheinlich auch gut ist, wenn man beachtet, dass sie bei ihren Eltern schlecht behandelt wurde. Aber irgendwie muss der Saft in sie, damit sie keine Schmerzen mehr hat. „Na gut, aber zwei Stunden länger aufbleiben. Deal?" „Deal. Danke, mein Schatz. Schau, da kommt auch schon Ellie mit dem Saft. Kannst du uns vielleicht noch einen Schokoriegel bringen?" „Ja klar", sagt Ellie und schaut mich fragend an. Ich lächele ihr nur beruhigend zu und ziehe schon mal die Spritze mit dem Saft auf. Ganz tapfer nimmt Lilly sie in die Hand und setzt sie an ihrem Mund an. „Wollen wir zählen?" Sie nickt und nimmt meine Hand fest in ihre. Ich streichle ihr mit meinem Daumen über ihre kleinen Finger, um ihr zu signalisieren, dass wir das gemeinsam schaffen.
Auf 3 spritzt sie sich den Saft tatsächlich in den Mund und verzieht das Gesicht etwas, aber sonst macht sie das ganz super. Ellie kommt aber auch schon mit dem ausgepackten Schokoriegel zum Nachessen. „Das hast du ganz toll gemacht, Schatz.", lobe ich Lilly und ziehe sie in meine Arme. Auch Ellie sieht sehr erleichtert aus. „War gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Schauen wir jetzt noch einen Film?" „Alles was du möchtest , mein Schatz."
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Warum ausgerechnet dominant? (Teil 2)
RomanceIn der Fortsetzung von "Warum ausgerechnet Arzt?" geht es um die charakterstarke Hebamme Ellie und um ihren Freund den Urologen Felix. Wie werden sie damit umgehen, dass Felix immer seinen Willen durchsetzen will und was passiert, wenn die beiden au...