58

1.9K 80 2
                                    


Nele

"Hey. Es ist alles okay. Es ist nichts passiert. Dir geht es gut und uns geht es auch gut." Versuche ich sie etwas zu trösten. Ich habe Clara noch nie weinen gesehen. Sie weint eigentlich nie. Wie schwer muss, dass dann bitte nur für sie sein?
"Ich wollte das nicht." Schluchzt sie etwas. Sie klammert sich noch stärker an mir fest. "Ich weiß." Streichel ich ihr über den Rücken und küsse ihren Kopf. Ich kann garnicht sagen, wie lange Clara in meinen Armen geweint hat und wie lange ich einfach nur still unter ihr lag und ihren Rücken gestreichelt habe. Ich kann mir vorstellen, wie schlimm es für sie ist.
Als es an der Tür zuckt sie etwas zusammen und wischt sich schnell die restlichen Tränen weg.
"Ich geh schon." Sehe ich schnell auf, bevor Clara vor mir zur Tür geht.
"Geld liegt auf dem Tisch."
Ich wollte eigentlich mein eigenes Geld holen, aber Clara besteht darauf, dass sie bezahlt.
Zusammen mit Elias essen wir zu Mittag. Viel geredet wird nicht. Clara sieht wirklich nicht gut aus. Also klar sie ist wunderschön, aber das meine ich nicht. Sie ist komplett blass und ihre Hände zittert leicht. Für mich ist es schrecklich sie so zu sehen. Wir verstauen die restlichen Stücke im Kühlschrank für später und Elias geht auch schon wieder in sein Zimmer.
"Wie wärs wenn du dich in dein Bett legst? Ich komm auch gleich." Schlage ich vor und Clara nickt nur leicht. Langsam geht sie die Treppen hoch und ich schneide noch einen Apfel und mache ihr noch einen Tee, bevor ich ihr Gesellschaft leiste.
"Das wäre nicht nötig gewesen." Sagt sie, als ich die Sachen auf ihren Nachtisch abstelle. Ich ziehe mir noch was bequemes von Clara an und gerade als ich mir ein T-Shirt von ihr anziehen will, mache ich kurz halt.
"Du bist wunderschön." Alleine das von ihr zuhören, lässt mich erstarren. Schnell ziehe ich es fertig an und krabbel neben sie. "Und du erst."
Clara zieht mich an sich heraus und küsst mich leidenschaftlich. Wie ich das vermisst habe. Wir haben uns gerade mal ein paar Tage nicht geküsst oder ähnliches und schon vermisse ich sie so sehr. Irgendwann stoppt sie und legt ihren Kopf auf meiner Schulter ab. "Ich liebe dich." Flüstere ich, doch von ihr kommt ziemlich lange keine Antwort.
"Hey? Alles okay?" Ich streichel über ihre Wange und drehe ihren Kopf an ihrem Kinn so, dass sie mir in die Augen schaut. Wieder füllen sich ihre Augen mit Tränen.
"Ich kann das alles nicht mehr." Fängt sie nun an richtig zu weinen. "Ich will das nicht mehr." Sofort nehme ich sie wieder in den Arm und ich kann nicht verhindern, dass mir selber langsam die Tränen kommen. Ich kann sie so einfach nicht sehen. Es bricht mir das Herz.
"Hey. Du schaffst das mein Schatz. Ich kenne keine Person, die so stark ist wie du. Wenn jemand das schaffst, dann bist du es." Schluchzt ich selber schon etwas.
"Ich kann nicht mehr. Ich bin es leid immer zu versagen und immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Ich hab keine Kraft mehr dafür."
Ich glaube, Clara war noch nie so ehrlich wie jetzt gerade.
"Du hast nicht versagt." Will ich noch etwas sagen, doch werde von ihr direkt unterbrochen.
"Ach nein? Und wie nennst du das dann bitte?" Ihre Stimme hat einen gewissen Klang von Wut, aber gehen sie selber, und nicht gegen mich.
"Einen Rückfall. Sowas passiert. Daran kann man arbeiten." Versuche ich sie aufzumuntern.
"Mein ganzes Leben besteht aus Rückfällen." Schluchzt sie wieder und krallt sich an mir fest.
"Sag das nicht."
"Es ist aber wahr. Jedes Mal wenn es nur ansatzweise gut bei mir läuft, versau ich es. Wie oft denkst du ist das schon vorgekommen? Ich kann das nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Manchmal wäre es besser..."
"Sag es bloß nicht. Wehe du denkst das noch einmal." Gebe ich streng von mir. Ich wusste genau, worauf sie hinaus will.
"Ist doch so." Sie hebt ihren Kopf und schaut mir ernst in die Augen.
"Hör mir zu. Wenn du noch einmal denkst, dass es besser wäre wenn du nicht mehr hier wärst, dann lernst du mich aber mal kennen." Gebe ich streng und 100% ernst gemeint von mir, was Clara ein kleines Lächeln aufs Gesicht zaubert.
"Du bedeutest mir so viel und ich liebe dich so sehr. Ich will dich nicht verlieren Clara."
"Ich liebe dich auch Nele."
Eine ganze Weile liegen wir wieder einfach nur still da. Clara hat sich mittlerweile etwas beruhig, genauso wie ich.
Als es an der Tür klingelt, erschrecke ich mich leicht und schaue meine Freundin etwas verwirrt an. Sie hat genau den gleichen Blick drauf.
"Ich geh schon. Bleib du nur liegen." Sage ich zu ihr und gehe zu Tür.
"Ja bitte." Öffne ich die Haustür und auf einmal drängt sich ein großer wütender Mann an mir vorbei.
"Weg da!" Schreit er und verschafft sich Zutritt zum Haus, hinter ihm her eilt eine Frau. Der Mann sieht ihr unfassbar ähnlich. Er hat die gleichen Augen, wie Clara und Elias.

"Wo ist sie?!" Schreit der Mann laut im Wohnzimmer.
"Clara Katharina Scott! Komm sofort her!" Schreit er noch lauter.
Katharina? Ihr Zweitname ist Katharina? Die Frau schließt die Haustür und ich traue mich garnicht irgendwas zu sagen.
Als Clara ängstlichen die Treppe herunter kommt, merkt man wie der Mann, wahrscheinlich ihr Vater noch wütender wird.
Unten angekommen läuft er schnell auf sie zu und hält sie an ihrem T-Shirt fest.
"Was fällt dir ein? Wie kannst du nur?" Schreit er, holt aus und schlagt ihr direkt ins Gesicht. Sie gibt nur einen stumpfen Ton von sich und ich starre sie geschockt an. Hat ihr Vater sie gerade wirklich geschlagen?
"Und das noch wenn Elias bei dir ist? Wie lange sollen wir deine Scheiße noch mitmachen?" Als er gerade nochmal ausholen will, geht ihre Mutter dazwischen.
"Daniel hör auf. Lass sie in Ruhe." Sagt sie so ruhig, als wäre nichts passiert. Jetzt verstehe ich, von wem Clara ihre ruhige Art hat. Wie aufs Wort, hört er auf seine Frau und lässt Clara's T-Shirt schwungvoll los, so dass sie fast nach hinten umfällt.
"Clara!" Schnell geh ich auf sie zu und begutachte sie. Sie vergießt keine einige Tränen. Sie starrt einfach nur. "Alles okay? Sag doch was?" Doch sie antwortet nicht.
"Und wer sind Sie?" Fragt ihr Vater mich gereizt und baut sich vor mir auf. Er ist bestimmt über 2 Meter groß und dazu noch gut muskulöser.
"Ich bin Nele." Seine Augen scannen mich von oben bis unten ab.
"Nele wer?" Harkt er nach.
Etwas verwundert schaute ich zu Clara, welche nur auf den Boden schaut. Ich dachte, sie hätte von mir erzählt.
"Ich bin Elias's Lehre..."
"Sie ist meine Freundin." Unterbricht sie mich und stellt sich neben mich. Da will ich ihr einmal einen Gefallen tun und mitspielen und sie vermasselt es. Es ist das erste Mal, dass sie etwas sagt.
"Deine Freundin? Like girlfriend?" Clara nickt nur auf seine Frage. "Sie ist Elias's Lehrerin? Ist das dein Ernst?" Wieder nickt sie nur. Es sieht so aus, als wolle er wieder auf sie losgehen, weshalb ich mich Beschützerhaft vor sie stelle.
"Aus dem Weg." Er zieht mich bei Seite, aber zu meiner Überraschung sehr behutsam.
"Fass sie nicht an." Zischt Clara.
"Sag du mir nicht, was ich machen soll." Zischt er zurück. Man sieht, dass Clara keine Angst vor ihm hat.
"Du stehst also auf Frauen?" Schaut ihr Vater sie streng an.
"Ja auch."
Ihr Vater greift plötzlich nach einem Glas, was auf dem Tisch neber ihm steht und wirft es gegen die Wand. Er hat nicht versucht irgendjemanden zu treffen, trotzdem zucken wir alle kurz zusammen.
"Seine Lehrerin?" Er greift wieder nach ihrem T-Shirt und schubst sie nach hinten, wobei sie stolpert und auf den Boden fällt.
"Daniel das reicht." Kommt von ihrer Mutter.
"Raus!" Sagt er auf einmal ganz ruhig.
"Was?" Fragt Clara. "Raus aus meinem Haus. Ich will dich jetzt nicht sehen." Wiederholt er strenger, aber hat aufgehört zu schreien. Oben an der Treppe sehe, ich wie Elias herunter schaut und fast am weinen ist. Hat er etwa alles mitbekommem?
Clara will im Sprint aufstehen, rutscht dabei aber etwas aus und holt dann etwas wackelig ihre Schlüssel und knallt die Haustür hinter sich zu.
Ohne das ich ihr hinterher laufen kann, ist sie schon verschwunden und mit ihrem Auto weggefahren. Sie hat nichtmal ihr Handy dabei.

Ihr Vater verlässt aufgewühlt das Wohnzimmer, verschwindet in einem Gang und knallt dort eine Tür lautstark hinter sich zu.
Was mache ich den jetzt? Nervös fahre ich mir durch die Haare und schaue mich um.
Ihre Mutter kerrt in der Zeit die Scherben des Glases auf und schneißt sie in den Müll.
"Tut mir leid, dass Sie das mitbekommen haben." Kommt von ihrer Mutter, welche sich seelenruhig an den Esstisch setzt.
"Ich bin übrigens Stefanie und das von eben ist mein Mann Daniel."
Wie kann sie bitte so ruhig sein? Wie ist das möglich? Ihr Mann hat gerade ihr Kind geschlagen. Da wäre ich alles andere als ruhig.
"Mama?" Kommt auf einmal Elias die Treppe herunter.
"Elias. Mein Schatz." Umarmt sie ihn.
Was ist nur los mit ihrer Familie? Ich verstehe garnichts mehr.
"Wo ist Clara hin?" Fragt er vorsichtig. "Ich weiß nicht. Aber sie kommt bald wieder." Beruhigt sie ihn und schenkt ihm ohne etwas zu sagen ein Glas Wasser ein.
"Vielleicht... vielleicht sollte ich mal nach ihr sehen?" Stottere ich leicht an Anfang.
"Wissen Sie denn, wo die hin ist? Machen Sie sich keine Sorgen. Sie kommt immer wieder. Clara braucht jetzt etwas Zeit für sich." Damit hat Stefanie irgendwie recht. Ich kann schlecht in der ganzen Stadt rumfahren und sie suchen.
"Sie können ruhig du sagen." Biete ich ihr an. "Ebenfalls." Grinst sie.
Sie ist das komplette Gegenteil von ihrem Mann. Stefanie ist so ruhig und Daniel so implusiv.
"Du bist also mit Clara zusammen?" Fragt sie nochmal nach, doch ich bekomme kein Wort heraus, weshalb ich einfach nur nicke.
"Schön. Freut mich. Es wurde mal Zeit, dass sie eine Beziehung hat. Ich hätte nur gedacht, es würde ihr besser gehen, dadurch und sie würde damit aufhören." Grinst ihre Mutter leicht, aber man kann sehen, das es sie etwas verletzt. Also sie hat anscheinend kein Problem damit, dass wir zusammem sind. "Ich auch." Flüstere ich.
"Ich entschuldige mich auch für meinen Mann. Normalerweise ist er nicht so." Sie macht eine kurze Pause. "Er hat sie davor noch nie geschlagen." Fügt sie mit ehrlicher Stimme ein.
Elias sitzt ganz ruhig am der Couch und starrt Löcher in die Luft.
"Und jetzt?" Frage ich neugierig.
"Wir warten."

Die Lehrerin meines Bruders (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt