„Ein dämliches Ratsmitglied also?" Seine Stimme hallte über Shyla und sie war auf einmal wieder in jenem Zimmer, als er sie geküsst hatte und sie über den Tisch gebeugt hatte. Ein Zittern durchfuhr sie und sie riss sich zusammen, ihm in die Augen zu blicken, ihm, einem Visaner und einem Ratsmitglied. Sie konnte nicht glauben, dass sie mit einer solch wichtigen Persönlichkeit geschlafen hatte. „Shyla." Jenes Ratsmitglied, Priamos war sein Name neigte den Kopf leicht vor ihr und zwinkerte ihr zu, bevor er dem Kutscher ein Handzeichen gab, dass er weiterfahren konnte. Shyla blieb der Mund offenstehen und sie war perplex. Alle starrten sie an, Elias eingeschlossen. Sie hatte ganz vergessen wie er aussah, seine braunen Augen, die sie für blau in jenem Zimmer gehalten hatte, die einen feurigen Schimmer in sich hatten. Die blonden Locken, der verschmitzte Blick und sein markantes Gesicht. Offensichtlich hatte er ihren Namen und sie nicht vergessen, obwohl sie sich nur kurz gesehen hatten, dafür aber in gewisser Hinsicht schon mehr voneinander wussten, wie sonst jemand. Voller Scham blickte Shyla auf die Visaner rund um sie herum, die sie verblüfft anblickten. Getuschel machte sich breit und Shyla ging mit zügigen Schritten fort, einfach nur weg von den erdolchenden Blicken, die sie überallhin verfolgten. Es war schon eine Sensation, dass ein Ratsmitglied hier auftaucht, aber dass er eine aus Hylaris ansprach, das war wirklich ungewöhnlich und wahrscheinlich auch in den Augen vieler nicht richtige, denn sie war ja nur ein Mensch.
„Shyla." Elias war direkt hinter ihr und er hielt sie fest, damit sie nicht weiterrennen konnte. „Wieso kennst du Priamos, er ist ein Ratsmitglied!" Ihm stand die Neugier und auch die Verblüffung in sein Gesicht geschrieben und Shyla seufzte. „Ich hatte letzte Nacht, als wir in den goldenen Rädern waren etwas mit ihm. Kurz darauf ist er verschwunden." Sie blickte zur Seite, um so seinen traurigen und enttäuschten Blick zu entgehen, denn sie wusste, dass ihn das grämte, weil er mehr für sie empfand, es beruhte nur nicht auf beiden Seiten. „Das wird Konsequenzen haben." Elias blickte sie verärgert an. „Du kannst doch nicht mit jedem Mann verschwinden, der dir gefällt! Weiß Demir davon?" Sofort kochte Shyla und sie musste sich zusammenreißen, um ihn nicht anzuschreien. „Er weiß es nicht und du wirst es ihm nicht verraten und schau mich nicht so an!" „Wie denn?" „Als wäre ich eine .... Hure." Elias blieb still und Shyla schnaubte. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie hasste es, wenn jemand anfing, über sie zu urteilen, es war nur eine Nacht, ja er war nicht der erste, aber trotzdem. Sie hatten kein Recht so ein Wort über sie zu sagen, sie zu verurteilen, dass sie einmal in der Woche ihre Stunden vielleicht mit etwas anderem als das Schuften in der Firma verbrachte, etwas anderem, als sich um ihren Vater zu kümmern. „Schon klar." Mit einem letzten Blick auf sein Gesicht, welches ernst, viel zu ernst war, drehte sie sich um und rauschte davon. Tränen flossen ihr über die Wangen und sie biss sich auf ihre Lippen. Es war nicht fair von ihnen, solche Dinge über sie zu sagen, ja sie hatte keine Ahnung, wer er war oder besser gesagt, was er war. Das wird Konsequenzen haben, da hatte Elias Recht, denn dies hatten alle hier in der Straße mitbekommen. Auch jetzt schauten noch viele Augen auf sie und sie spürte den verächtlichen Blick der Visaner, der sie zu durchlöchern schien. Eine Arbeiterin aus Hylaris und ein Ratsmitglied, das war die Ironie an sich.
„Interessant, dass dich ein Ratsmitglied kennt." Shyla blieb abrupt stehen, drehte sich um und blickten hinauf zu einem jungen Mann mit braunen Haaren und einem spöttischen Grinsen. Er war in einen eleganten dunklen Anzug gekleidet und hatte eine goldene Uhr an. Ein wohlhabender Visaner, keine Frage. Hinter ihm waren eine Frau und ein Mann, die sie ebenso neugierig musterten. Er blickte verächtlich auf sie hinab und wedelte mit der Hand. Mit einem Ruck wurde Shyla an die Hausmauer auf ihrer Seite geworfen. Ein Cadener! Schnell stand Shyla auf, doch die Kraft jenes Mannes war zu stark, sie hatte nicht die geringste Chance. Mehrere Männer und auch Frauen bauten sich hinter ihm auf. „Wir haben dich schon beobachtet, was macht eine einfache Arbeiterin hier in Nethoil. Du hast hier nichts verloren." Die letzten Worte spuckte er fast auf sie und Shyla keuchte laut auf. „Lasst mich gehen." Der Mann zog eine hämische Grimasse und beugte sich näher zu ihr. „Bettel doch." Die Frau neben ihm in einem wunderschönen rosafarbenen Tüllkleid kicherte hinter ihrem eleganten Fächer und blickten auf die anderen Männer, die sich ebenso an jenem Schauspiel vergnügen. „Ach Daro lass doch das dreckige Menschlein." Shylas Augen wurden groß, das war Daro, der Sohn von Esmael, dem Ratsmitglied und jener Visaner, der viele Kohlefirmen in Hylaris innehatte, auch die, in welcher Demir arbeitete. Sie hatte ihn sich anders vorgestellt, nicht so jung. Er war höchstens dreißig Jahre alt, wenn überhaupt und schon in so einer Machtposition. Kein Wunder, dass ihm diese zu Kopf stieg. „Elsa, willst du einmal?" Er hielt der Frau die Hand hin, die diese sofort ergriff und mit einem grazilen Gang schritt diese in Richtung von Shyla, die immer noch an der Wand lehnte, unfähig sich auch nur ein bisschen zu rühren. Mit einer Handbewegung fesselte sie Shyla mit den Ränken eines Efeus, der an der Hausmauer oberhalb von ihr entsprang. Eine Topanerin, die Kraft der Erde und der Pflanzen. Shyla biss sich auf die Lippen, um nicht zu wimmern. Oh nein, eine solche Genugtuung wird sie ihnen nicht liefern, auch wenn ihre Oberschenkel so schlimm zitterten, dass sie meinte ihre Knochen würden zerbersten. Sie hatte eine solche Angst, es war keiner da, um ihr zu helfen. Elias hatte sie stehengelassen, nachdem er sie indirekt als Hure beschimpft hatte. Selbst wenn, er war auch nur ein Mensch. Er könnte ihr nicht helfen.
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Praedictio
FantasiCybelus ein Land geschmieden von den sechs Göttern, in welchem eine junge Menschenfrau sich ihrem Schicksal stellen muss. Die Visaner, die Nachfahren der Göttern stellen sich über die Menschen, doch einer scheint es sich angetan zu haben, der jungen...