MELANY
Vermutlich würde ich niemals aufhören können. Niemals diesen einen bestimmten Platz in meinem Herzen jemand anderem geben können. Es würde immer nur ein Schattensänger darin Platz finden, bis in alle Ewigkeiten. Ich mochte ihn zwar erst seit einer kurzen Zeit kennen, doch meine Seele kannte ihn schon lange bevor ich existierte. Das bisschen Licht in meinem Inneren, das bisschen Licht unter meiner Haut - Sie rief immerzu nach ihm. Genauso wie seine Schatten nach mir riefen. Der Tag, an dem er aufhören würde, nach mir zu rufen, wäre der Tag, an dem mein Licht erlosch.
Trotz all dieser Einsichten, entzog ich mich seinem Griff. Ich entzog mich seiner Berührung, als er nach meiner Hand langte und sagte: »Ich komme mit.« Denn das würde ich nicht erlauben. Er würde nicht alles zurücklassen, nicht, wenn ich was zu sagen hatte.
»Nein, das geht nicht.« Ich schüttelte den Kopf und machte einen weiteren Schritt zurück. Er kam noch einen Schritt auf mich zu, und ich ging weiter zurück. Es war wie ein Tanz, nur, dass Berührungen nicht in Frage kamen.
»Du wirst nicht allein gehen.«
»Werde ich.«
»Nein.« Azriels Schatten wirbelten um unsere Füße und legten den Raum um uns in Dunkelheit. Feyre, Nesta, Rhysand und Cassian wurden immer weiter in Dunkelheit getaucht. Ich konnte schon bald niemanden mehr sehen, niemanden außer Azriel.
Es tat mir leid, dass ich diesen Gefallen von ihm einforderte. Doch ich würde nicht zulassen, dass er seine Familie verließ um mit mir mit an den Tageshof zu kommen. Ich wollte ja schon gar nicht gehen, auch wenn ich wusste, dass meine Vergangenheit mich nun endlich eingeholt hatte. Ich war viel zu lange davor weggelaufen. Und jetzt würden sich Aspekte dieser Vergangenheit offenbaren. Doch falls Azriel mitkam, würde er sie auch mitbekommen. Er würde Fragen stellen. Fragen, auf die ich keine Antwort geben wollte.
Deswegen schüttelte ich entgegen des Schmerzes in meiner Brust den Kopf. »Ich nehme dich nicht mit.«
»Ich habe dich nicht um Erlaubnis gefragt.«
»Es steht nicht zur Debatte, Azriel. Wenn dir etwas an mir liegt, bleibst du hier.«
»Ich komme mit, weil mir etwas an dir liegt.« Ich musste bei dem verletzten Ausdruck in seinen Augen wegschauen. Ich wusste, dass ich nicht mit fairen Mitteln spielte. Ich hatte kein Recht darauf, seine Gefühle in Frage zu stellen. Doch wenn es darum ging, ihn von den Schattenseiten meines Lebens fernzuhalten, würde ich diese Karten ausspielen. Ich würde alles tun, nur damit er nicht mein wahres Ich, meine wahren Wurzeln herausfand. Und falls der Teil an mir, den ich selbst nicht kannte, schlimm war, würde ich auch das von ihm fernhalten. Wenn er aber mitkam, würde ich ihm nichts verheimlichen können.
»Ich will dass du bleibst.« Ich straffte die Schultern und tat etwas, das ich bereuen würde. Was ich bereits bereute. Aber es musste sein. Mit eiserner Miene hob ich kaum merklich meine Hände und beschwor meine Macht. Das gleißende Licht machte sich augenblicklich im Raum breit und verjagte Azriels Schatten. Sie huschten in dunkle Ecken und drängten sich näher an seinen Körper. Als der Schattensänger begriff, was ich tat, weiteten sich vor Schock seine Augen. Und die Augen meiner Freunde hinter ihm, die langsam wieder zu sehen waren, waren genauso geweitet.
Als die Schatten wieder den Raum offenbarten, stellte ich meine Magie ein und sah fest in Azriels Gesicht. »Du lässt mich gehen. Ich will dich nicht bei mir haben.«
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Der Ruf des Schattensängers
Fanfiction[Azriel Fanfiction nach „Das Reich der Sieben Höfe" 3] Seit dem Sieg gegen Hybern ist Azriel, der Schattensänger des High Lords vom Nachthof, einsamer denn je. Keiner hätte gedacht, dass sich nach einem solch hellen Sieg, eine so tiefe Dunkelheit au...