Chapter 11

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Die nächsten Tage zogen an mir vorbei wie im Rausch. Auch wenn ich wahnsinnige Angst hatte, wollte ich Alec sofort von meinen Gefühlen für ihn erzählen. Doch wie sich herausstellte, ereignete sich dies als gar nicht so einfach: Am Morgen unserer Abfahrt waren wir ununterbrochen von unseren Freunden umgeben und sowie wir wieder zu Hause waren, distanzierte er sich erneut von mir, indem er sich mit Kumpels aus seinem Studiengang traf.

Jetzt gerade hatte er einen Termin beim Arzt, um seinen Knöchel zu checken, während ich beschäftigt in der Küche stand, einen mit Tomatensoße beschmierten Löffel in der einen und die Käsereibe in der anderen Hand.

Es war Abend und ich hatte überlegt, mal wieder etwas zu kochen. Oder eher zu backen, da meine Wahl letztendlich auf Pizza gefallen war. Eine mit Thunfisch und richtig viel Käse für mich und eine mit Brokkoli, Paprika und Shrimps für Alec. Ich wusste nicht, wie er diesen Belag so genießen konnte. Mir selbst wurde beinahe schlecht, sobald ich das bunte Chaos auf der Soße erblickte. Aber Alec liebte es.

Und eventuell könnte ich unser Gespräch während des Essens möglichst unauffällig auf seine – und auch meine – Gefühle zurückführen.

Zur Musik der Chainsmokers mitsingend, verteilte ich zwei Teller, Messer und Gläser auf dem Tisch. Ich konnte nicht gut singen, aber mein Enthusiasmus machte das wieder wett, darauf vertraute ich. Den beschmutzten Kochlöffel benutzte ich als Mikrofon, sowie ich um den Tisch herum tänzelte, um Servierten aus dem Wandschrank zu holen. Ich steigerte mich gerade sehr eindrucksvoll in den Refrain vonSick Boy' samt Hüftgewackel und ohnmächtigem Augengeblinker, als meine bewundernswerte Performance abrupt unterbrochen wurde.

„Ich glaube, da brennt gerade etwas an."

Mit einem Schrei wirbelte ich herum, hechtete zum Ofen und warf die Klappe auf. Heiße Luft stob mir entgegen und ich musste die Augen zusammenkneifen, bevor ich das Blech herauszog. Anschließend drehte ich mich wieder um und lehnte mich gegen die Theke, mit vor Panik beschleunigtem Atem.

„Mann, hast du mich erschreckt!", keuchte ich. Mit einem Grinsen und in leicht verschwitztem Shirt kam Alec auf mich zu, um neugierig den Belag der Pizzen zu inspizieren. Sein Gesicht war ein wenig gerötet und er atmete schwerer als normal. Erst jetzt erkannte ich die weiße Schiene an seinem Bein. Scheinbar fiel das Treppensteigen damit schwerer als sonst. Trotz seines ramponierten Aussehens, reagierte mein Körper unwillkürlich darauf. Meine Hände wurden feucht und mein Mund schien auf einmal wie ausgetrocknet.

Aber im Gegensatz der vorherigen Wochen und Monaten wusste ich diesmal zu deuten, warum ich so reagierte.

„Du hat Shrimps drauf gemacht? Und Brokkoli und Paprika? Warum?", fragte mein Kumpel ungläubig. Eingeschnappt verschränkte ich die Arme.

„Darf ich meinem besten Freund etwa kein leckeres Essen zubereiten?"

„Doch, natürlich. Aber nachdem ich ..." Er stockte kurz. „Ich dachte einfach nicht, du würdest so gut damit umgehen können."

Er sprach es zwar nicht direkt an, aber ich wusste auch so, wovon er redete: von seinem Geständnis, verliebt in mich zu sein. Und um ehrlich zu sein, überraschte ich mich selbst damit, dass ich bisher noch nicht ausgeflippt bin. Schließlich war ich in einer Familie aufgewachsen, in der Homosexuelle den Teufel in Person verkörperten. Aber vielleicht hatte ich das alles auch noch gar nicht richtig realisiert. Wie auch immer – ich hatte mir vorgenommen, Alec von meinen Gefühlen für ihn zu erzählen und das würde ich auch durchziehen. Heute noch.

„Dachte ich eigentlich auch nicht", gestand ich und zuckte mit den Schultern. Dabei streifte ich unbeabsichtigt seinen Oberarm. Er atmete scharf ein und hob die Hand, als wollte er mich berühren. Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Dass solch eine kleine Berührung meinen Magen in ein Nest aus Salsa tanzenden Ameisen verwandeln konnte, hätte ich nie gedacht. Doch kurz bevor seine Fingerspitzen auf meine Wange trafen, ballte er sie zur Faust und trat einen Schritt zurück. Nervös fuhr er sich durch die braunen Haare, bis diese schräg vom Kopf abstanden.

The World Against UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt