Als die Türen des Aufzuges sich mit einem leisen 'Ping' öffnet, steht ihr Herz für einige Sekunden fast vollkommen still und all die Sätze, die sie sich vorher überlegt hat, sind aus ihrem Kopf verschwunden.
Den Job zu bekommen war keine große Sache gewesen – schließlich hat S.H.I.E.L.D. ihn ihr besorgt – und eigentlich hätte sie auch gedacht, dass es leicht wäre eine Sekretärin zu spielen, doch als sie heute zum ersten Mal den riesigen Stark Tower erblickt hatte, überkam sie eine Panik, die noch immer nicht verschwunden ist. Außerdem ist es echt nicht ihr Ding für jemanden Kaffee zu holen oder Akten zu sortieren, doch was soll sie schon machen? Wenn sie sich geweigert hätte, müsste sie diese Aufgaben wahrscheinlich für Fury übernehmen und sich zudem noch mit Bruce rumschlagen. Also war das hier auf einigen Eben die bessere Option.
Es ist zwar nicht so, dass sie keine Gefühle für Bruce mehr hat, doch er hat seine Versprechen und einige ihrer Knochen einfach gebrochen, obwohl sie gedacht hatte, ihn davor schützen zu können nochmal zu dem zu werden, was er mit bitterer Stimme nur zu gerne 'das grüne Monster' nennt.
Innerlich ist sogar die Schuld, die sie empfindet, der eigentliche Grund dafür, dass sie dem Wissenschaftler aus dem Weg geht. Sie hatte doch tatsächlich gedacht ihn zähmen und retten zu können, doch da hat sie sich überschätzt und nun brodelt die Enttäuschung über sie selbst viel stärker als die über Bruce in ihrem Inneren. Und dieses Gefühl ist es, das sie besiegen muss, bevor sie zu ihm zurückkehrt, sonst kann es nie wieder so werden wie früher.
Sie tritt aus dem Fahrstuhl und findet sich plötzlich in einer Wohnung wieder. Wo sind all die Leute, die sie in den Stockwerken, in denen sie vorher angehalten hat, gesehen hat? Sie hat erwartet ein Büro zu betreten, dass von kleinen Arbeitsnischen dominiert ist, doch das hier übertrifft ihre Erwartungen völlig.
Statt in einem Büro steht sie nämlich im Flur eines luxuriösen Appartements. Die Überraschung zeichnet sich mit Sicherheit in ihrem verdutzten Gesichtsausdruck wieder, weshalb sie versucht eine neutrale Miene aufzusetzen, aber eher ein dürftiges Ergebnis erzielt.
Erst als sie sich wieder einigermaßen eingekriegt hat, bemerkt sie, dass gar keiner da zu sein scheint. Automatisch hebt sich eine ihrer schmalen Augenbrauen, während ihre rechte Hand zu der Waffe wandert, die sich unter ihrem engen, schwarzen Kleid befindet.
Wenigstens weiß sie, wie ihr Arbeitgeber heißt, also erhebt sie die Stimme und ruft prüfend: "Mister Stark? Sind Sie da?" Mit der Hand weiterhin an der Pistole, stolziert sie langsam durch den Flur bis hin zur ersten Tür, die sie finden kann. Ohne lange zu überlegen, ob es wirklich eine gute Idee ist einfach Türen im Haus eines Fremden zu öffnen, drückt sie die Türklinke nach unten und lässt das Holzgebilde aufschwingen.
Diese überstürzte Handlung bereut sie allerdings sofort, als sie bemerkt, dass Einblick in das Badezimmer des Hauses erlangt hat, was an sich ja noch nichts Schlimmes ist. Der Anblick, der sich ihr in besagtem Raum allerdings bietet, lässt sie ihre Unüberlegtheit bereuen, denn dort vor ihr steht ein schwarzhaariger Mann mit nichts als einem Handtuch bekleidet.
Peinlich berührt dreht sie sich um und schlägt wieder hinter sich zu, um ihn nicht anzustarren, obwohl sein Körper ja nicht schlecht aussieht. Geschockt hat sie sich die Hand vor den Mund geschlagen. Das ist bisher definitiv der schlimmste Arbeitstag, den sie je hatte, wobei man nicht vergessen darf, dass sie schon als Kind für das KGB gearbeitet hat.
Sie spürt, wie die Klinke von dem anderen Mann auf der Seite hinuntergedrückt wird und nimmt einige Schritte Abstand, um ihn hinaus lassen zu können.
Anstatt die Minuten, die sie gewartet hat, zu nutzen, um sich etwas Vernünftiges anzuziehen, scheint er sich lediglich die Haare mit einem Handtuch getrocknet und ein schiefes Grinsen aufgesetzt zu haben, während er um die Hüften weiterhin nur ein weißes Handtuch zu tragen scheint, dass zu ihrer Verwunderung vorne ein wenig ausgebeult zu sein scheint. Also entweder liegt das Handtuch sehr ungünstig oder er freut sich sie zu sehen, wobei ihr die erste Variante wohl um einiges besser gefällt.
"Es tut mir leid, dass ich einfach so reingekommen bin, aber meine Arbeit hatte schon begonnen und es schien, als wäre keiner da gewesen, weshalb ich schauen wollte um alles okay ist", quatscht sie einfach drauf los, um die peinliche Stille zwischen ihnen zu brechen, die herrscht, seit er aus dem Bad getreten ist.
"Das ist schon in Ordnung", mit einer Hand hat er sich am Türrahmen abgestützt, während er mit der Anderen den weißen Stoff, den er um seine Hüften geschlungen hat, hält. Das, was sie allerdings wirklich überrascht ist sein Blick, den er, wie bei einem Scan, ununterbrochen auf sie richtet. "Das werden Sie mir vielleicht nicht glauben, aber das ist nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert", versucht nun auch er ein wenig Entspannung in die Situation zu bringen. "Doch, das glaube ich ihnen sofort", gibt sie ohne zu überlegen zurück, bereut es aber sofort: "Oh mein Gott, tut mir leid. Ich wollte nicht unfreundlich sein." "Eigentlich heiße ich Tony Stark, aber Gott ist auch gut", erwidert er, von ihrer Reaktion amüsiert, grinsend: "Und wie ist Ihr Name, Schätzchen?"
Schätzchen? Für einen Moment glaubt sie sich tatsächlich verhört zu haben, doch als ihr klar wird, dass er das gerade wirklich gesagt hat, verschränkt sie die Arme vor der Brust: "Natasha, aber für sie Miss Romanoff." "Ah, ich seh schon", ist seine einzige Reaktion: "Wir werden uns sich blendend verstehen."
"Folgen Sie mir bitte, Natasha." "Miss Romanoff", gibt sie entschieden zurück. "Und was ist, wenn mir Ihr Vorname besser gefällt?" "Dann haben sie halt Pech gehabt", antwortet sie unbesonnen und kann sich jetzt schon denken, dass die nächsten Tage wirklich kein Zuckerschlecken werden.