Statement.

140 8 0
                                    

Seit einer Woche ist er in Caracas. Wo genau? Kann man nicht sagen, er weiß es selbst nicht - mal hier, mal da. Hin und wieder fällt er jemandem auf, dieser Kerl mit der hellen Haut und den braunen Locken - dunkel, aber nicht so dunkel wie der Rest der Stadt.

Auch die Banden haben ihn bemerkt, natürlich. Niemand kommt in diese Stadt ohne dass sie es wissen, und dennoch wissen sie nicht wer er ist, was er will. Sie wissen nicht wo er ist, und das beunruhigt sie, denn sie wissen, wo alle anderen sind. Und er weiß, dass sie beunruhigt sind. Er geht durch die Straßen mit dem wachsamen Schritt eines Raubtiers, das weiß, dass man es jagt. Doch noch haben sie sich nicht getraut ihn anzugreifen, und noch ist er nicht bereit sich ihnen vorzustellen. Er wird die Gegend kennenlernen, bevor er Sie kennenlernt. Seine Sporttasche ist gut versteckt, der größte Teil seines Geldes steckt in einem Geheimfach seiner Unterhose, ein wenig trägt er in einem ähnlichen Fach in seinem Shirt. Er hat angefangen zu denken wie die Bewohner - er geht den Banden aus dem Weg, bewegt sich nur auf Straßen um die sie sich nicht kümmern - macht es ihnen schwer. Seit er dort ist hat er viel gesehen, und er wird noch mehr sehen. Er wird selbst Dinge tun, die vielen Leuten nicht gefallen werden. Aber zuerst wird er sich einen Namen machen, und dazu ist jetzt die Zeit gekommen. Aus einer der großen Hosentaschen angelt er zwei große Dosen, an denen bereits einzelne Tropfen einer roten Flüssigkeit herunterlaufen. Blut, das er aus einem der weniger ratsamen Krankenhäuser gestohlen hat, längst abgelaufen und vermutlich von einem HIV-Infizierten, und darum geht es. Er steht vor einer Wand die mit Glasscherben übersät ist, die irgendwie in der Farbe getrocknet sind, die Arbeit der vergangenen Woche. Und dann fängt er an zu sprühen, mit Maske und Handschuhen, an dem Punkt an dem sich die Reviere der verschiedenen größeren Banden treffen. Er schreibt auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch.

"Hallo. Ich bin Nathanial - ich bin der Fremde, der euch verunsichert. Nun gebe ich euch auch einen Grund dazu."

Die Dosen schnell wieder eingesteckt, dann ist er verschwunden, bevor das Blut anfängt braun zu werden.

Die nächsten Tage hört er Gerüchte. Es sei eine neue Bande in der Stadt. Nein, ein neuer König der Banden, jemand der sie alle vor ihnen schützen wird und die Reichen niederwerfen wird. Er hat einer ganze Bande ein grausames Ende beschert, er will sie alle umbringen.

Das wenigste davon ist wahr, doch immer wieder sieht er Leute die ihn nun misstrauisch ansehen. Vielleicht wissen sie es, vielleicht auch nicht, es ist ihm egal.

Es hat angefangen.

Nun muss es weitergehen.

KrebstotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt