11. Kapitel

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Das Lager war in tiefer Trauer. Es schien, als trauten sich nicht einmal mehr die Grillen zu zirpen, so still war es und nicht einmal der strahlende Mond konnte etwas ausrichten, um die Stimmung der SumpfClan-Katzen zu bessern.

Schmutzjunges saß neben ihren Schwestern beim Eingang der Kinderstube, wo sich Reiherflügel aufhielt. Der Heiler des fremden Clans hatte den erdrückenden Gestank nach Fisch ins Lager getragen, aber solange er Blattflügels Junges retten konnte, war es der braunen Tigerkätzin egal.

Niemand traute sich, etwas zu sagen, selbst Schwanenjunges hielt den Mund. Der graue SeeClan-Heiler massierte ununterbrochen die Brust des Jungen, das noch so nass war, dass Schmutzjunges nicht erkennen konnte, welche Fellfarbe es eigentlich hatte. Sie erschauderte, als ihr Blick auf Blattflügel traf. Die Königin, die so gerne eine Kriegerin hatte bleiben wollen, war tot. Sie würde nicht mehr zu ihren geliebten Pflichten zurückkehren, niemals wieder ihren Clangefährten helfen oder mit ihnen auf Patrouille gehen. Sie würde ihre Jungen nicht kennenlernen, sie konnte ihnen nicht einmal Namen geben. Eine Welle von Mitleid schwappte über Schmutzjunges hinweg und abermals krampfte sich das Gefühl von Hilflosigkeit in ihrer Brust fest.

Ich wünschte, ich könnte etwas tun...

Schmutzjunges' Blick wanderte zu dem lebenden Jungen weiter, das zwischen Felsenkralles Pfoten lag. Ottersee hatte bereits verkündet, dass es sich bei dem winzigen, hellgrau gestreiften Fellbündel um eine kleine Kätzin handelte, die kerngesund war. Das Kätzchen sah sogar noch fluffiger aus, als Schwanenjunges und vier einzelne Streifen, wie Krallenspuren zogen sich über ihre rechte Wange, sowie zwei quer über ihr Näschen.

Sie ist so niedlich...hoffentlich schafft es ihr Geschwisterchen, damit sie nicht so allein ist wie ich.

Zweifelnd sah Schmutzjunges zu Reiherflügel, der das Neugeborene nun auf den Bauch gedreht hatte und ihm mit der Pfote ein paar Mal auf den Rücken klopfte. Wie von Geisterhand erhoben, bäumte sich das Junge plötzlich auf und erbrach einen Schwall Flüssigkeit. Schwaches, leises Husten drang aus der Kehle des kleinen Kätzchens, dann kam noch mehr Wasser aus seinem Maul. Schließlich fiel es zurück auf den Boden, die winzigen Flanken hoben und senkten sich leicht.

Es atmet!

Die Erleichterung breitete sich spürbar in der Kinderstube aus, als das Junge in einen regelmäßigen Atemrhythmus verfiel.

"Es atmet wieder", fügte Reiherflügel unnötigerweise hinzu und drehte sich um. "Wer wird ihn säugen?"

Der dunkelgraue Kater blickte zu Pfützenwasser, aber diese schüttelte den Kopf, sie hatte schon seit einem Viertelmond keine Milch mehr.

"Ich mache das", meldete sich Fuchsblüte und beugte sich aus dem Nest, um das dunkle Junge zu sich zu ziehen. Felsenkralle hatte das gestreifte Junge immer noch zwischen den Pfoten und starrte auf den Boden, als wären seine Gedanken weit, weit fort.

Auf einmal stand der graue Kater jedoch auf und ließ seine Tochter auf dem Moos liegen.

"Ich hätte sie niemals überzeugen sollen", hörte Schmutzjunges ihn murmeln, während er sich von dem Leichnam seiner Gefährtin abwandte und aus der Kinderstube verschwand.

Er kann doch nicht einfach gehen!

Fassungslos sah die kleine Tigerkätzin ihm hinterher. Sein Junges wand sich auf dem Boden, auf der Suche nach Milch die Schnauze erhoben.

Armes Ding...

Schmutzjunges wollte zu ihr gehen, aber Fuchsblüte hatte sie schon zu sich gezogen. Nun stritten sich sechs Junge an ihrem Bauch um die Milchzitzen, sowohl zufriedenes als auch empörtes Winseln machte sich im Nest der rot-weißen Königin breit.

Es war noch immer bedrückend still in der Kinderstube, selbst als Eichenglut und Aschenweide Blattflügels Körper hinaustrugen sagte niemand auch nur ein Wort. Der Sieg bei den Wettbewerben war vollkommen überschatten.



"Wir haben uns heute zu einem sehr traurigen Anlass hier versammelt. Gestern ist eine loyale, gütige und hart arbeitende Kriegerin von uns gegangen. Blattflügel hat zu unserer aller Verlust die Geburt ihrer Jungen nicht überlebt. Dennoch wollen wir sie als Kriegerin in Erinnerung behalten, so wie sie es gewollt hätte. Wir danken ihr, für die Monde, die sie dem SumpfClan gegeben hat und für die Jungen, die sie uns geschenkt hat. Mögest du, Blattflügel, Kriegerin des SumpfClans, auf ewig Frieden im SternenClan finden."

Blattflügels mit stark riechenden Kräutern eingeriebener Leichnam lag auf dem Baumstumpf, von dem Ameisenstern sonst immer sprach, ihre Augen waren geschlossen und ihre Pfoten unter ihrem Körper versteckt. Ameisenstern, der die Rede gehalten hatte, saß mit gesenktem Kopf neben ihr, gemeinsam mit der Familie von Blattflügel, welche traurigerweise nur Felsenkralle und ihre beste Freundin Moosschwinge umfasste.

Schmutzjunges hatte bisher nur Geschichten von den Beerdigungen des SumpfClans gehört, niemals hätte sie gedacht, dass sie schon so bald an einer teilnehmen würde. Sie mochte die Atmosphäre überhaupt nicht, die sich während der Zeremonie ausbreitete, das Lager kam ihr kalt und trostlos vor.

Zudem störte es sie, dass Blattflügels Jungen nicht hier waren. Wenn sie ihre Mutter schon nicht kennenlernen durften, sollten sie doch wenigstens die letzten Momente mit ihr teilen, egal wie alt sie waren.

Jubeljunges und Schreckjunges hatte Felsenkralle die beiden getauft. Jubeljunges, weil sie ein starkes, kräftiges Junges mit einer lauten Stimme war und Schreckjunges, weil der kleine Kater ihm so einen Schrecken eingejagt hatte, da er fast gestorben war. Die zwei hatten sich einen Platz unter Fuchsblütes Jungen fast schon erkämpfen müssen, denn einige waren der Meinung, dass sechs Junge für eine Kätzin zu viel waren, aber es gab schlichtweg keine andere Kätzin, die sich ihrer annehmen hätte können.

Die Schweigemomente hatten das Lager nun erfasst, jeder, der etwas zu Blattflügel sagen wollte, konnte vortreten und ihr etwas zuflüstern, während alle anderen still waren. Schmutzjunges hätte zwar gerne etwas gesagt, nur um etwas beitragen zu können, aber sie kannte Blattflügel einfach zu wenig.

Das Einzige was sie tun konnte, war weiter neben Himmelsjunges zu sitzen und zu schweigen. Wie hielt Ottersee diese Last bloß aus, dass sie Blattflügel nicht hatte retten können?

Als Felsenkralle und Moosschwinge schließlich Blattflügels Körper zu ihrem Grab außerhalb des Lagers trugen, spürte Schmutzjunges die Berührung einer Schweifspitze an ihrer Schulter. Sie riss den Kopf herum, und erblickte Libellenpfote, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte.

"Was ist denn?", fragte die kleine Tigerkätzin flüsternd, um die Beerdigung nicht zu unterbrechen.

"Ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden, wie wir hinter Sonnenstrahls Geheimnis kommen."

WarriorCats-Das Geheimnis der SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt