Kapitel 13 - Endlich Ruhe?

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Es roch wirklich grauenhaft.
Dichter, schwarzer Rauch waberte durch den Raum und hinderte Celosia daran, irgendetwas zu erkennen. Dazu mischte sich der penetrante Geruch nach verbranntem Fleisch.
Die Szene erinnerte sie ziemlich stark an ein vergangenes Ereignis. Blendete sie die Tatsache aus, dass sie sich in einem kleinen, steinernen Raum in der Unterwelt befand, so könnte sie tatsächlich meinen, sie wäre wieder in jenem Dorf, welches sie damals zu nichts mehr als Asche niedergebrannt hatte. Mitsamt all den Bewohnern.
Das war Ewigkeiten her. Und das hier war nicht das Dorf.

Celosia vernahm ein Stöhnen. Verdammt, Andras. Nach dem erfolglosen Versuch, die Rauchwand irgendwie mit Armbewegungen wegzuwedeln, ging sie zaghaft einige Schritte vorwärts, in Richtung Wand. Tatsächlich lichtete sich der Rauch ein wenig, je näher sie der Wand kam, und nach kurzer Zeit konnte sie schemenhaft Andras erkennen, der halb an die Wand gelehnt dalag.
Ohne ein Wort zu sagen, ging sie neben ihm in die Hocke. Der Pullover hing Andras nur noch in Fetzen vom Oberkörper, von dem insgesamt noch ein leichtes Dampfen ausging.
Doch der eigentliche erschreckende Anblick ging von seinem Torso selbst aus: in der Brust des Dämonen klaffte ein großes Brandloch, die Ränder schwarz verkohlt.

Celosia atmete scharf ein. Das hatte sie getan?! Wie war das überhaupt möglich? Andras war ein Feuerdämon so wie sie, wie kam es also zustande, dass ihr Flammenball ihn schier auseinanderriss?
Während sie ihn mit einem undefinierbaren Gefühl in der Magengegend betrachtete, schoss ihr plötzlich ein Pochen in den Kopf. Stöhnend fasste sie sich an die Schläfen und kniff die Augen zusammen, vor denen schwarze Punkte tanzten. Mit Anstrengung lenkte sie ihren Blick zu Boden und versuchte regelmäßig zu atmen. Zunächst hatte sie nicht den Eindruck, dass sich etwas verbesserte, vielmehr glaubte sie, gleich erbrechen zu müssen. Doch dann, entgegen aller Erwartungen, ließ das Pochen nach. Celosia riss die Augen auf. Sie sah wieder deutlich. Andras neben ihr begann sich zu regen. Die Feuerdämonin sah zu, wie die klaffende Öffnung sich langsam verengte, wie sich Knochen und Muskeln regenerierten.

Dass dieser Angriff ihn so verheerend verletzt hatte, machte Celosia schlagartig bewusst, welch eine Macht ihr nun innewohnen musste. Und...welche Macht Andras innewohnte, denn obgleich ihn das Flammenorb beinahe auseinandergerissen hatte, vermochte er sich dennoch ohne allzu großen Aufwand zu heilen. Sie selbst hätte vermutlich mehrere Stunden dafür gebraucht und dafür hätte sie auch zuerst ihre Flammenform annehmen müssen...ob ihr das an der Schwelle zum Tod gelungen wäre, war mehr als fraglich.
Ein krächzendes Lachen riss sie aus ihren Gedanken. Andras hatte sich aufgerappelt, von der Wunde war bereits keine einzige Spur mehr zu sehen, lediglich etwas Asche bedeckte seinen trainierten Oberkörper.
„Das war...unglaublich!", stieß er hervor, scheinbar schien ihn das Sprechen trotzdem Kraft zu kosten - es war zu bedenken, dass jeglicher Akt der Selbstheilung einem Dämon einiges an Energie und Kraft abverlangte - in Anbetracht des Ausmaßes der Verletzung jedoch war Andras in beinahe schon erschreckend gutem Zustand.
„Wirst du mir jetzt glauben, wenn ich dir sage, dass du an unermesslicher Kraft gewonnen hast?", fuhr er fort, den Mund zu einem schrägen Dämonengrinsen verzogen. Etwas an Andras widerte Celosia an. Es war diese Schmierigkeit, diese Selbstgefälligkeit, die er an den Tag legte, seit sie ihn nach 500 Jahren wiedergetroffen hatte. Und gleichzeitig versuchte er krampfhaft, „freundlich" zu ihr zu sein, was ihm angesichts Celosias allgemeiner Situation deutlich misslang.
„Gut, ich glaube dir ja", stieß sie genervt hervor, „und wie soll es jetzt bitteschön weitergehen?"

Wie unglaublich lustig, na klar! Konnte dieser Kerl eigentlich mal aufhören, ständig in Gelächter überzugehen? Andras' flammenfarbene Augen blitzten sie an und breit grinsend verkündete er ihr, wie nun ihr „Trainingsplan" für die nächste Zeit aussehen würde. Welch ein dehnbarer Ausdruck. Es konnte sich um Tage oder Wochen handeln, jedoch aber auch um Jahre. Was war die „nächste Zeit", wenn man ein unsterbliches Leben lebte?
Die Zusammenfassung war wie folgt: mehr Seelen in sich aufnehmen, mit den neuen Fähigkeiten umgehen lernen, stärker werden. Alles, um ihm zu dienen. Noch immer fragte sich Celosia, was zur Hölle der Teufel damit bezweckte, sie zu einer noch mächtigeren Dämonin zu machen, als sie es schon war. Und warum jetzt, so plötzlich, nach 500 Jahren? Die verdammte Geheimniskrämerei kotzte sie an, kein Quäntchen Klartext war aus Andras und der schlangenartigen Winddämonin herauszuquetschen.

„Nun komm", sprach Andras, er stand nun am steinernen Eingang der Kammer, „für heute reicht es, es wird mir eine Ehre sein, dich jetzt zu deinem luxuriösen Gemach zu führen."

Ein Wort noch, ein winziges Bisschen von diesem Gesäusel...und ich klatsche dir den Schädel weg.

Unter enormer Anstrengung gelang es Celosia, ihre Wut unter Kontrolle zu halten, und so folgte sie widerwillig dem anderen Feuerdämon aus der Kammer hinaus auf den Gang. Einige wenige Meter weiter trafen sie wieder auf die Schlange, die Andras seinen Mantel hinhielt, jedoch nicht ohne, alles andere als unauffällig, auf seinen freien Oberkörper zu starren. Der Dämon grinste sie spöttisch an, ergriff seinen Mantel und nach einer kleinen Weile Fußmarsch durch die grob behauenen Gänge gelangten sie an eine metallene, große Tür.

„Falls du auf die wirklich wenig intelligente Idee kommen solltest, einen Fluchtversuch zu unternehmen, nur zu deiner Information: die Tür besteht aus einer magisch verstärkten Metalllegierung. Die kannst nicht einmal du mit deinen neuen Kräften zerstören, glaub mir", informierte Andras Celosia, nachdem er sie in der Zelle deponiert hatte. Mit einem lauten, hallenden Knall fiel die Tür zu und die Feuerdämonin war nun allein in der alles verschlingenden Dunkelheit.
Celosia sog die Stille in sich auf. Ein wenig war sie froh darüber, nun allein zu sein, da ihr das Geplapper von Andras und der Schlange schon mitunter gehörig auf die Nerven gegangen war.  Andererseits war sie jedoch noch immer hier gefangen, und wer wusste, wann man sie wieder herausließ.
Wenn sie Glück hatte, würden die Dämonen sie morgen erneut abholen. Wenn sie Pech hatte, kamen sie nicht. Das war doch immerhin möglich, dass man plante, sie zu disziplinieren, indem man sie jahrelang hier unten in der Schwärze festhielt. Celosia hoffte, dass dem nicht so war, womöglich endete sie sonst wie dieser Seelensammler, den sie getötet hatte. Für Ewigkeiten eingesperrt, ohne auch nur das geringste Bisschen Licht.
Ein wunderbar luxuriöses Gemach, in der Tat. Nichts als Stein gab es hier.

Moment...wirklich?
Urplötzlich versteifte sich die Dämonin. Hier war noch jemand. Oder etwas. Ihre Sinne tasteten sich tiefer in die Höhle hinein, in der Hoffnung, das schwache Signal, die vage Seelenpräsenz, die sie fühlte, würde sich verstärken.
Und tatsächlich, sie verdichtete sich. In der hintersten Ecke der Kammer schien sich ein Lebewesen zu befinden, welches jedoch unbewegt blieb. Nicht viel Lebensenergie verströmte es, doch es war in der Tat lebendig. Langsam und mit angespannten Muskeln näherte sich Celosia dem Wesen. Dass sie dessen Seele nicht klassifizieren konnte, verunsicherte sie ungemein, weswegen sie mit großem Misstrauen vorging. Je näher sie der hinteren Wand kam, desto stärker wurde die Präsenz, und die Dämonin vernahm plötzlich ein schwaches Geräusch. Es klang wie ein Seufzen, kläglich und langgezogen.
Angestrengt die Augen zusammenkneifend konnte sie nun schließlich eine Silhouette ausmachen, die an eine humanoide Gestalt erinnerte. Ein Mensch? Oder ein Dämon?
Selbst als Celosia unmittelbar vor der an der Wand zusammengekauerten Person stand,  verriet die Präsenz nicht viel - jedoch konnte sie spüren, dass es kein Dämon war, denn solche Seelen verströmten im Normalfall ein äußerst kräftiges, unmissverständliches Signal, dasselbe galt für Engel- und Drachenseelen. Die Dämonin beschloss nun einfach, die Person als Mensch anzusehen und kniete sich vor ihr hin.

Der Umriss hob zitternd den Kopf, mehr zufällig als weil er sie bemerkt hatte, denn als er sie erblickte, erschrak er merklich, jedoch fehlte ihm die Kraft, vor ihr zurückzuweichen, wenn man mal davon absah, dass sich hinter ihm ohnehin eine Felswand befand.
Celosia blickte in das fahle Gesicht einer Frau, ihre eingefallenen Wangen und die tiefen Augenringe ließen sie älter wirken, als sie vermutlich war. Ihr brüchiges, braunes Haar hing ihr strähnig ins Gesicht, ihre blauen Augen blickten ohne jeglichen Glanz, jedoch schreckgeweitet zu Celosia auf.

Es musste ein Mensch sein, die Frau wies keine Merkmale einer übernatürlichen Spezies auf und auch die Art, wie sie sich vor der Dämonin fürchtete, ließ darauf schließen.

War sie absichtlich hiergelassen worden? Warum war sie am Leben, hier unten in der tiefsten Hölle, in die ohnehin kein Mensch von selbst den Weg fand. Sie war geholt worden aus der Oberwelt, doch mit welchem Zweck hatte man sie in diese Kammer verfrachtet? Und Celosia zu ihr?
Doch ihr dämmerte es schon.
Soll das etwa mein Abendessen sein? Oh nein, ich verzehre nichts mehr...solange es sich irgendwie vermeiden lässt.

„N-Nimm...", kam es stotternd aus dem Mund der kläglichen Gestalt.
Was? Was soll ich nehmen?

„Nimm!!"

Plötzlich schrie die Frau, und das mit einer gewaltigen Stimmkraft, die man ihr absolut nicht zugemutet hätte.
Und wie ein zerfetzter, verzweifelter kleiner Goblin sprang sie Celosia an.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 19, 2022 ⏰

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Out of Hell - Die Geschichte eines uralten DämonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt