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Kaum hatte Julia sich zur Tür aufgemacht, schälte ich mich aus meiner Bettdecke heraus. Ich musste aufstehen, ganz schnell. Wenn mein neuer Vater hier war, musste ich ihn gehorsam erwarten. Aufrecht und mit beiden Händen hinter dem Rücken – wobei, zumindest meiner rechten Hand. Ich konnte nichts dafür, dass ich meinen linken Arm nicht bewegen konnte. Sie hatten ihn gefesselt. Ich hoffte, Vater würde das nicht als meinen Fehler verstehen.

Gestresst schob ich mich auf dem Bett nach unten, da hörte ich bereits, wie die Tür aufging. Mein Herz begann zu rasen. Es klopfte so schnell und so laut, dass ich es zunächst kaum von den Schritten unterscheiden konnte, die ich nun hörte. Es waren mehrere Schritte, mehrere Menschen, die mein Zimmer betraten – und einer davon würde mein neuer Vater sein. Also musste ich mich mehr beeilen! Oh nein, ich musste mich beeilen!

Doch da war es schon zu spät.

„Huch, Emily, was machst du denn?", fragte Julia, als sie sah, wie ich mich gerade aufrichten wollte.

Da entdeckte ich ihn. Meinen neuen Vater. Eine Frau stand neben ihm, sie hatte Tränen in den Augen und ich glaubte ein leises Schluchzen zu hören, als sie mich erblickte. Und dann war da noch ein kleiner Mensch – vermutlich ein Kind – der von der Frau getragen wurde. Schweiß trat auf meine Stirn und ich rutschte verzweifelt auf meinem Bett weiter, um meine Beine auf den Boden zu bringen. Ich war zu langsam!

„Es tut mir leid, Vater", entschuldigte ich mich. „Es tut mir leid! Ich war nicht schnell genug! Aber ich bin ein gehorsames Mädchen, ich wollte für dich aufstehen, Vater. Ich werde aufstehen. Ich bin ein braves Mädchen."

Während ich meinem neuen Vater flehend in die Augen sah, in der Hoffnung, dass er mich nicht sofort bestrafen würde, erkannte ich aus dem Augenwinkel, wie Julia fassungslos stehengeblieben war und mich anstarrte. Oh nein, auch sie glaubte, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Genauso wie die Frau neben Vater! Sie schluchzte nun noch lauter als zuvor. Wusste sie, was passieren würde? Würde Vater mich bestrafen?

„Ich schaffe das, Vater. Ich schaffe das!", versicherte ich ihm, um ihm zu beweisen, dass ich wirklich tun wollte, was ich tun musste.

Während sich die Frau ein weiteres Mal schluchzend die Hand vor den Mund hielt, sah Vater mich auf eine Weise an, die ich nicht verstand. Er sah nicht wütend aus. Sein Blick war so... so... Ich fand kein Wort dafür. Aber nicht wütend. Ich fand kein Wort dafür, weil es keinen Sinn ergab. In seinem Blick lag Verwirrung, aber auch Trauer. Und ein bisschen Entsetzen. Warum? Was – ich musste mich täuschen.

Als ich meine Beine schließlich auf den Boden brachte, veränderte sich plötzlich etwas in Vaters Blick und er kam einen Schritt auf mich zu, während er beschwichtigend die Hände vor sich hielt. Meine Augen weiteten sich in der angstvollen Erwartung, was er nun tun würde. Würde er mit mir schimpfen? Mich schlagen? Ich war viel zu langsam gewesen. Viel zu langsam! Schon wieder hatte ich versagt.

Bitte sei nicht wütend! Bitte sei nicht wütend!

„Nein, Emily. Nein, du musst nicht aufstehen", sprach er plötzlich, ohne dass ich seine Worte wirklich verstand. Gequält richtete ich mich auf, sodass ich endlich vor ihm stand.

Verzweiflung stieg in mir auf.

„Es tut mir leid, dass ich so langsam war, Vater", versuchte ich, mich noch einmal zu entschuldigen. „Und den linken Arm kann ich nicht bewegen, Vater, sie haben ihn gefesselt. Ich kann nichts dafür, ehrlich", erklärte ich ihm nun auch noch, warum ich nur meinen rechten Arm mühsam hinter meinen Rücken brachte. Oh er durfte mich nicht bestrafen.

Langsam schüttelte er den Kopf. Seine Augen sahen so seltsam traurig aus. Warum? Hatte ich ihn so sehr enttäuscht? Oh nein, ich hatte ihn enttäuscht!

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt