Numero Due

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Brav lasse ich mich wie angewiesen auf einem der klapprigen Stühle nieder und beobachte fasziniert, wie meine Begleitung zügig die Gegenstände und verschiedenen Bilder auf dem kleinen Tisch ausbreitet. Unter dem Zeitungspapier kommen kleine Skulpturen aus Ton und Glas zum Vorschein, wobei es mich in den Fingern juckt, sie zu fragen, ob sie diese auch alle selber gemacht hat.

Ich bin gerade soweit meinen Mut zusammenzunehmen, als der erste Kunde an unseren Stand tritt und von der schwarzhaarigen Frau mit Handschlag begrüßt wird. Man kennt sich anscheinend. Aus meiner niederen Position mustere ich den untersetzten Mitfünfziger, dessen Haare langsam aber sicher kreisrund ausfallen, wie er verschiedene Werke begutachtet. Die junge Frau neben mir erklärt in geschäftigen Ton, die genutzten Techniken, Motive und den Zeitaufwand und nur wenige Minuten später, hat sie tatsächlich ihre ersten zwei Exemplare verkauft.

„Glückwünsch", grinse ich und lächelnd dreht sie sich zu mir um.

„Danke", freut sie sich. „Francesco ist Kunsthändler auf einer der großen Straßen Roms und gibt auch immer wieder jungen und noch unbekannten Künstlern eine Chance", erzählt sie ein wenig über den Kunden und ich freue mich, dass sie langsam etwas gesprächiger wirkt.

„Machst du das hier hauptberuflich?", traue ich mich zu fragen, zu groß ist meine Neugier und tatsächlich fängt sie an zu reden.

„Ich studiere Kunst hier in Rom seit zwei Jahren, aber um mein Studium zu finanzieren, probiere ich nebenbei mir schon möglichst viel aufzubauen. Es ist nicht leicht, als Künstler Erfolg zu haben, die Konkurrenz ist riesig und um davon leben zu können, ist harte Arbeit nötig, aber das kennst du als Musiker ja sicher auch.", spricht sie das erste Mal ein wenig über ihr Leben und lässt sich, nach dem sie sich versichert hat, dass weit und breit kein Kunde zu kommen scheint, tatsächlich auf den zweiten klapprigen Stuhl nieder.

„Das klingt wirklich schwierig", stimme ich ihr zu. „Dabei sind deine Zeichnungen unglaublich, du hast wirklich Talent!", lächle ich sie an und meine zu erkennen, dass sie, tatsächlich rot zu werden scheint.

„Danke", murmelt sie verlegen. „Leider reicht es noch nicht für den großen Durchbruch. Du siehst ja, wie weit am Rand ich selbst hier mit meinem Stand auf dem Markt noch stehe. Mir fehlen die Kontakte, einflussreiche Leute, die für mich mal ein gutes Wort einlegen könnten – also falls du jemanden kennst, der jemanden kennt, würde ich mich freuen", lacht sie und kurz läuft es mir heiß und kalt den Rücken hinab, ehe ich wie mechanisch mit lache.

Ich vermute für mich wäre es sicher möglich, alles für sie in die richtigen Bahnen zu lenken, aber wie sollte ich ihr das bitte erklären?

„Hey, ich bin übrigens weltberühmt, soll ich dir eine Galerie kaufen?", wäre vielleicht nicht der richtige Ansatz, grüble ich vor mich hin.

„Hey, bist du noch da", fuchtelt auf einmal ein schmales, mit Armbändern beladenes Handgelenk vor meiner Nase herum und erschrocken schaue ich zu ihr.

„Was?", frage ich wenig intelligent, was sie grinsen lässt.

„Ich habe mich gerade bei dir entschuldigt, aber du sahst irgendwie abwesend aus", neckt sie mich und ich schüttle meinen Kopf, um ins hier und jetzt zurück zu finden.

„Tut mir leid, aber ich war gerade in Gedanken", stammle ich unbeholfen.

„Wofür hast du dich entschuldigt?"

Jetzt ist es wieder an ihr unsicher zu schauen und ich beobachte fasziniert, wie sie sich dabei auf ihre Lippe beißt.

„Naja, dass ich vorhin so schroff zu dir war, ich war spät dran und hab mich tierisch erschrocken, als dann plötzlich alle meine Werke zu Boden gesegelt sind. Die wochenlange Arbeit hätte von einem auf den anderen Augenblick vernichtet sein können und, also, es, ähm, tut mir leid. Du bist eigentlich echt okay." Sie schenkt mir ein vorsichtiges Lächeln, welches ich zu gerne erwidere.

Accusa Ingiusta (Ethan Torchio | Måneskin) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt