Numero Sei

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Cara P.O.V.

Verzweifelt starre ich auf die weiße Leinwand vor mir, die mich förmlich zu verspotten scheint. Seit Stunden stehe ich vor dieser, die teuren Acrylfarben in Bereitschaft, doch mir will absolut nichts einfallen.

Alle Ideen, die durch meinen Kopf gleiten, verwerfe ich nach einigen Augenblicken wieder, nichts möchte so recht passen.

„Das kann doch nicht wahr sein", rufe ich laut in mein leeres Zimmer und die dämliche Staffelei an, ehe ich mich rücklings in mein schmales Bett fallen lasse. Vor meinem geöffneten Fenster zwitschern munter ein paar Vögel vor sich hin, die diesen Frühlingstag um einiges mehr als ich, zu genießen scheinen.

In wenigen Tagen muss ich mein Werk schon in der Uni präsentieren und wenn ich daran denke, dass ich zu meinem Bild auch noch eine komplette schriftliche Ausarbeitung anfertigen muss, fühle ich eine schleichende Übelkeit in mir aufkommen.

„Arrgh", schreie ich böse meine Decke an und bin mehr als froh, dass ich alleine in der Wohnung bin und Alessia meine existenzielle Krise nicht mitbekommt. Weitere Momente vergehen, in der ich einfach nur in das endlose weiß meiner Decke starre, als ich plötzlich höre, wie unsere Wohnungstür aufgeschlossen wird.

„Cara", dringt die aufgeregte Stimme meiner Mitbewohnerin durch meine dünne Zimmertür und nur einen Wimpernschlag später, hat sie diese schon aufgerissen und steht halb in meinem Raum.

„Alles okay?", fragt sie skeptisch, als sie mich auf meinem Bett bemerkt und nicht sehr überzeugend hebe ich schwach einen Arm, um ihr einen Daumen hoch zu zeigen.

„Ich brauche deine Hilfe", kommt sie direkt zum Punkt und stöhnend rapple ich mich von meiner liegenden in eine sitzende Position.

„Wie, wo, was?", möchte ich erfahren, bereit für sie irgendeinen Typen einen Kopf kürzer zu machen.

„Du weißt doch, dass heute die Galerieöffnung in der Stadt ist, mit den vielen geladenen Gästen und den Reden und dem großen Buffet", fängt sie an zu erzählen, bis ich sie unterbreche:

„Die, wo du heute eigentlich arbeiten wolltest, um dich schick in Bluse von irgendwelchen viel zu alten Männern angaffen zu lassen, die sich aber selbst als „Kunstkenner" bezeichnen?" Meine Worte triefen nur vor Sarkasmus und Abneigung.

„Müsstest du nicht schon längst da sein?", schiebe ich gleich die nächste Frage hinterher und mustere ihr Outfit. Ihre Haare sind in einem strengen Dutt gefasst, sie trägt die obligatorische weiße Bluse, schickes Make Up, eine schwarze Stoffhose und ich vermute dass in ihrem geschulterten Rucksack auch noch Schuhe mit „dezentem" Absatz, wie in den Jobbeschreibungen so schön steht, verstaut sind.

„Jaa, eigentlich schon, aber ich hab mein Handy hier vergessen und ohne den QR-Code da drauf, komme ich nicht rein.", erklärt sie zwar ihr auftauchen hier in der Wohnung, nicht aber, warum sie so übermotiviert in meinem Zimmer steht.

„Achso, na dann viel Spaß", ist das Ganze für mich abgeschlossen und ich will mich wieder in den Kampf mit der Leinwand stürzen, als ich von Alessia zurück gehalten werde.

„Cara, Liebes", ertönt ihre zuckersüße Stimme und ihr großer Augenaufschlag verheißt nichts Gutes.

„Ich war eben in der Uni und hab da Chiara getroffen, du weißt schon, sie arbeitet auch auf dem Event heute und sie hat mir erzählt, dass ihnen mehrere angeheuerte Kräfte ausgefallen sind und da dachte ich-"

„Oh nein", unterbreche ich ihren Satz, genau wissend, auf was das hier hinausläuft.

„Mich bekommen keine zehn Pferde zu diesem Job! Ich kann das nicht, mit freundlichem Lächeln herumstehen und schleimen – auf gar keinen Fall!",

Accusa Ingiusta (Ethan Torchio | Måneskin) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt