24th September

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Es heißt oft, am Ende ist man immer schlauer. Dieser Spruch könnte fast nicht passender und unpassender zugleich sein.

Zusammen mit meiner gesamten Klasse sind wir in eine große Stadt zwei Stunden unserer Heimat gefahren. Man wollte uns darauf vorbereiten erwachsen zu werden und so sollten wir entfernt von allem, was wir kennen, ein Berufspraktikum machen.

Das Gerade ich durch diese eine Woche so erwachsen werden musste hatte ich nicht mal in meinen seltsamsten Träumen geglaubt und dabei hat alles so schön angefangen.

Der Sommer war schön. Mit Freunden war ich für einen Tag auf einem Event weit weg und obwohl die Hitze wirklich anstrengend war, hatten wir eine Menge Spaß. Nur ein Freund war nicht dabei, er hatte verschlafen und so haben wir ihn nicht mitnehmen können.

Daraufhin hatten wir alle weniger Zeit. Für mich standen die Sommerferien bevor und ich war mit meiner Familie beschäftigt, die anderen welche entweder eine Ausbildung hatten oder schon normal arbeiteten, waren auch alle beschäftigt und so konnten wir nicht viel zusammen machen.

Am Ende meiner Ferien verließ mich mein Freund, wir so viele andere war ich deshalb sehr niedergeschlagen und wurde von Freunden getröstet und wieder aufgebaut.

Genau eine Woche darauf feierte einer meiner Freunde seinen Geburtstag. Wir feierten zusammen, tranken, grillten und rauchten Shisha. Alles in allem ein sehr lustiger Abend denn auch der Freund welcher unseren gemeinsamen Ausflug verpasst hatte, war da.

Ich war in ihn verliebt. Schon länger aber er hatte mir einen Korb gegeben und da wir beide beschäftigt waren konnten wir auch kaum Zeit zusammen verbringen. Bis auf einen Nachmittag an dem wir zusammen einen Film gesehen haben und einander versprochen hatten gemeinsam ins Kino zu gehen, um einen Film unserer Kindheit zu schauen. Ich dachte damals wir währen uns näher gekommen.

Der Film würde jedoch erst so in einem halben Jahr laufen, weshalb wir eine Weile nicht mehr darüber sprachen.

An diesem Geburtstag habe ich seine Nähe wirklich genossen. Er war wirklich still allerdings habe ich ihn auch so kennengelernt und dachte mir nichts dabei.

Als ich spät abends nachhause bin und mich von allen verabschiedet hatte, haben wir uns versprochen nochmal zusammen zu grillen, sobald ich von meinem Praktikum wieder zu Hause wäre. Das wäre in zwei Wochen gewesen denn am Nachfolgen Wochenende bin ich mit meiner Klasse losgefahren.

An unserem ersten Tag in der fremden Stadt haben wir uns etwas umgesehen und uns einen Weg zu unserem Arbeitsplatz gesucht denn dort hätten wir am nächsten Tag hin müssen.

Noch immer etwas von der Trennung betrübt habe ich versucht das Beste aus meiner Situation zu machen und hatte auch wirklich etwas Spaß. Es hat ja keinen Sinn einen Ex nachzutrauern wenn dieser nichts von einem Will.

Und so kam der Montag, der erste Arbeitstag und der 24. September. Mein Arbeitsplatz war in einer Tierarztpraxis am Stadtrand, weshalb ich auch etwas früher aufstehen musste.

Ich schrieb einem Freund auf dem Weg dorthin wie aufgeregt ich bin und schickte ihm als ich dort war auch ein Bild meiner Arbeitskleidung, weil ich sowas ja nicht gewohnt war.

Seine Antwort war, er würde mir erst später richtig schreiben können es wäre irgendwas passiert. Ich dachte mir dabei nicht viel, vielleicht gab es etwas bei der Arbeit oder so also habe ich den Vormittag ganz normal gearbeitet.

Ich kümmerte mich um kleine Igel welche im September einfach noch zu klein und dünn wahren um zu überleben. Ebenfalls kam eine kleine Katze dazu welche für diese Woche mein Patient sein sollte.

Und so ging ich in meine Mittagspause und mein Kumpel schrieb mir.

Natürlich wollte ich wissen was denn los war und er stellte eine Bedingung bevor er es mir sagte. Die Bedingung war das ich ruhig bleiben sollte und mir nichts antun sollte denn er wusste, ich hatte in der Hinsicht vor wenigen Jahren ein paar Probleme.

Mit viel Skepsis und einem unguten Gefühl stimmte ich zu aber hatte noch immer keine Ahnung was denn so schlimmes passiert sein sollte. Meiner Mutter ging es gut, denn mit ihr hatte ich erst noch geschrieben und so starrte ich auf WhatsApp auf das „schreibt...".

Es dauerte einen Moment bis die Nachricht ankam. Ich hatte sie nur kurz angeschaut. Es waren nur wenige Worte, wie viel genau weiß ich nicht mehr aber sie reichten um meine Welt und mein Herz völlig zu zerbrechen.

Ich lief gerade durch einen Laden, denn ich wusste nicht, was ich in meiner Mittagspause machen sollte und als ich die Nachricht gelesen hatte, gab es keinen schlechteren Ort.

Tränen flossen praktisch sofort und das Atmen viel mehr auch schwer. Schluchzend und fast blind dank der Tränen in meinen Augen rannte ich aus dem Laden. Nicht dazu in der Lage wirklich zu verstehen und realisieren, was mein Kumpel mir da geschrieben hatte.

Mein Freund, mit dem ich zusammen ins Kino wollte, den ich am Wochenende wieder zum Grillen treffen wollte und die Person, in die ich mich verliebt hatte, diese Person war tot.

Nicht durch einen Unfall oder eine körperliche Krankheit. Nein er war tot, weil wir über Monate nicht bemerkt haben wie es ihm wirklich geht und so bekam ich an diesem Mittag die Nachricht das sich diese Person an einem Baum in meiner Heimat erhängt hat.

Weinend und noch immer völlig von der Rolle laufe ich durch die nächsten Läden. Nicht in der Lage auch nur einen klaren Gedanken zufassen. Ich wollte einfach nur nachhause und mich verkriechen.

Es war einfach als würde die Welt sich weiter drehen aber ohne mich. An diesem Nachmittag habe ich mich von der Arbeit befreien lassen und bin direkt in die Herberge zurück.

In mein kleines unbequemes Bett verkrochen begann ich zu weinen, etwas anderes war nicht möglich. Und zwischen all den Tränen öffnete ich unseren WhatsApp Chat.

Der Grund warum man überhaupt an diesem Morgen von seinem Selbstmord etwas mitbekam, war sein Profil auf WhatsApp. Der Status bestand aus zwei Emojis, einer davon war ein Sarg und um es noch schlimmer zu machen, ersetze er sein Profilbild mit einem Bild von seinem Abschiedsbrief.

Mit den Augen voller Tränen war ich nicht in der Lage den Brief zu lesen, nur ein paar Zeilen aber wirklich zu mir durchgedrungen sind sie nicht.

Eine meiner Zimmergenossinnen kam auch bald zurück und obwohl sie mich nicht sonderlich leiden konnte war sie sofort zur Stelle und versuchte zu verstehen was los sei und ich zeigte ihr den Brief.

Natürlich war sie etwas überfordert so wie meine gesamte Klasse. Ich durfte nicht nachhause und hab mich praktisch immer zurückgezogen, ein bisschen so getan, als ob alles ok ist aber sie versuchten immer mich Abends mit raus zu nehmen.

Im Nachhinein betrachtet wirkt alles gar nicht so schlimm aber für mich und ein paar Freunde ist damals etwas kaputtgegangen und noch hat sich niemand wirklich komplett davon erholt. Wir haben uns alle verändert dadurch und vielleicht sind wir stärker geworden aber als Hinterbliebene wissen wir das die schlimmsten schmerzen wir ertragen, die die am Leben geblieben sind.

No HappyendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt