Numero Sette

785 62 5
                                    


Ethan P.O.V.

Schockiert versinke ich in den funkelnden, braunen Augen, die nicht minder erschrocken meinen Blick erwidern. Unbewusst bin ich stehen geblieben und werde unsanft von Antonio, der hinter mir läuft zurück in die Realität geholt.

„Ethan, steh hier nicht wie festgewachsen, wir müssen weiter", nervt er mich und schiebt mich förmlich vor sich her. Ich bin komplett überfordert von der Situation, schaffe es nur noch einmal einen Blick auf sie zu werfen, wie sie hinter dem Buffet in ihrer weißen Bluse steht und mir verzweifelt nachschaut.

Dann rückt sie aus meinem Sichtfeld, wir werden noch durch zwei Türen bugsiert und landen schließlich in einem separaten Raum, wo eine gedämpfte Atmosphäre herrscht.

Uns werden mit Champagner gefüllte Gläser in die Hand gedrückt, bevor sich eine Gruppe wohl sehr wichtiger älterer Herren zu uns stellt. Wie automatisiert reiche ich allen meine Hand und setze ein schmales Lächeln auf, doch meine Gedanken sind bei ihr.

Konnte das wirklich sein? Sollte uns wirklich solch eine zweite Chance gewährt werden? Ich bin völlig durch den Wind und mehr als froh, dass meine Bandkollegen uns durch den Smalltalk retten, ich wüsste weder worüber wir gerade reden, geschweige denn, dass ich einen vernünftigen Satz raus bekäme.

Endlich verabschieden sich die Herren wieder von uns und kaum stehen nur noch wir vier zusammen, Antonio scheint woanders Leute zu begrüßen, liegen drei besorgte Augenpaare auf mir.

„Ethan, du bist leichenblass und hast kein Wort gesagt, alles okay?", fängt Vic an und ich bin immer wieder fasziniert, wie gut sie mich kennen und mein Verhalten einschätzen.

„Ich hab, da war, ich glaube...", beginne ich unvollständige Sätze und breche schließlich verzweifelt und unfähig meine Gedanken in Worte zu verpacken ab.

„Hey, alles ist gut, okay, wir sind da", beruhigt mich Damiano und drückt einmal aufmunternd meine Schulter. Ich nehme einen tiefen Atemzug und sammle mich.

„Ich glaube, ich habe eben meine Signora Unbekannt gesehen. Es ging so schnell, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie hier als Angestellte für das Event arbeitet!"

Überrasch reißen die Anderen ihre Augen auf und für einen Moment herrscht Schweigen.

„Bist du dir sicher?", fragt Vic nach.

„Ich weiß es nicht, vielleicht zu 80 Prozent – Antonio hat mich direkt weiter geschoben, mehr als ein paar Sekunden blieben mir nicht.", probiere ich zu erklären, warum es mir so schwer fällt, die Situation einschätzen.

„Na dann gehen wir hin", meldet sich nun Thomas zu Wort und ist schon drauf und dran aus der nun geschlossenen Tür hinter uns, hinaus zu spazieren.

„Thomas nein", hält ihn Victoria, als Vernünftigste von uns, ab.

„Die Reden beginnen gleich und wir sind Ehrengäste, wir können nicht einfach verschwinden, alle Augen liegen auf uns, mal davon abgesehen, dass uns Antonio einen Kopf kürzer machen würde!"

Ich scanne unser Umfeld und stelle tatsächlich fest, dass die anderen anwesenden Personen immer wieder vermeintlich unauffällig ihre Blicke auf uns richten und hinter vorgehaltener Hand über uns Reden. Auch das ein oder andere Handy wird gezückt, um uns „heimlich" zu filmen und plötzlich fühle ich mich wieder wie ein begafftes Zootier.

„Vic, hat Recht", stimme ich unserer Bassistin seufzend zu.

„Wir müssen einen anderen Weg finden."

***

Die Reden ziehen sich unendlich lange hin und ich gebe wirklich mein Bestes zuzuhören und möglichst interessiert zu wirken, doch meine Gedanken schweifen immer wieder zu ihr. Sollten wirklich nur zwei Türen und vielleicht dreißig Meter Distanz unsere Wiedervereinigung verhindern?

Accusa Ingiusta (Ethan Torchio | Måneskin) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt