prolog.

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Die Zimmerdecke hat Muster. Das weiß ich, weil ich sie schon minutenlang anstarre - dabei kommt es mir vor, als wären es Stunden. Stumm starre ich die goldenen Schnörkel an, die sich über mir winden und meine rasenden Gedanken noch rasender machen, während sich mein Körper in den Federkissen und -decken durch mein Atmen leicht hebt und senkt. Mir ist schwindelig. Mein Schädel fühlt sich an, als waberte darin dicker, schwarzer Rauch herum. Rund und rund und rundherum. Mühsam stemme ich meinen Oberkörper in die Höhe, schließe meine Augen, um das Karussell in meinem Kopf etwas zu beruhigen und drücke mich dann hoch. Ächzend schwanke ich in das kleine Badezimmer, das an das Schlafzimmer angrenzt, fummle an der Wand nach dem Lichtschalter und stolpere zu der kleinen Ablage vor dem Spiegel. Wie es glänzt, wie es glitzert, wie frisch gefallener Schnee. Meine Finger zittern, als ich das Pulver mit irgendeiner Visitenkarte von irgendeinem Scheißladen zu einer feinen - naja, nicht ganz so feinen - Linie zusammenkratze. Schief grinsend befördere ich aus meinem Ausschnitt ein dünnes Röhrchen von knallgrüner Farbe. Es wandert zu meinem Nasenloch, das ist komplett zu, dann eben das andere, ich atme tief ein, alles brennt, alles ist Feuer, und ich lege den Kopf in den Nacken und atme wieder aus. Mein Finger tupft den Rest auf, ich zeige meinem Spiegelbild die Zähne und schmiere es auf mein Zahnfleisch. Es passiert von selbst, alles geschieht von allein, ist jetzt nicht sowieso alles scheißegal? Meine Hände zittern immer noch, als ich das winzige Stück Folie mit dem restlichen Koks zusammenfalte und es zusammen mit dem grünen Röhrchen zurück in meinen BH stopfe. Blinzelnd tapse ich zurück, knipse das Licht aus und schleppe mich zur Zimmertür. Aus dem Spiegel daneben starren mich zwei tiefschwarze Pupillen an, ein kleiner Ring von Grün zieht sich darum, meine Finger ordnen fahrig meine langen roten Locken. Einmal, zweimal atme ich durch, ziehe dann meinen Slip, der an meinem linken Knöchel hängt und den ich zuvor nicht mal bemerkt hatte, wieder an seinen Platz und öffne die Tür, die ein goldener Knauf ziert.

Scheiße, der Bass ist so verdammt laut und so verdammt dröhnend. Die Welt blitzt, alles ist Licht und Funkeln und Glitzern, ich fühle mich großartig, dabei könnte ich eigentlich schreien. Ich spüre Blicke auf mir, während ich die Treppen in die riesige Eingangshalle hinunter wanke, verzerrte Stimmen motzen, weil ich ständig irgendwen anremple. Am Fuß der Treppe steht Theo, einen Becher mit einem quietschpinken Getränk in der Hand und schreit mir irgendetwas zu. Ich habe das Gefühl, als rollten meine Augäpfel in ihren Höhlen hin und her. „Was has' du gesagt?", nuschle ich und versuche, Theos Mund zu fixieren. „Ob alles ok ist? Du warst auf einmal verschwunden.", schreit mein bester Freund zurück. Ein Wunder, dass er mich in dem Gewimmel aus Bass und tanzenden, verschwitzten Menschen überhaupt verstanden hat. „Ja, ja, na klar", lalle ich. „Mir geht's groooßartig. Wenn du mich entschuldigst, ich brauche etwas Abkühlung.", meine ich, tätschle ihm im Vorbeigehen halbherzig die Schulter und wanke weiter in Richtung Küche.

Mit Abkühlung meine ich ein Getränk, genauer gesagt mehrere. Noch genauer, Alkohol. An dem breiten Tresen stehen einige Leute, die großzügig Platz machen, als ich mich murrend und murmelnd durch sie hindurch schiebe. Was erblicken meine Augen: Vodka. Wunderbarer, glitzernder, betäubender Vodka. „Schaut an, da ist doch unsere Hochglanznutte. Hattest du heute nicht schon genug Alkohol, Nora?", grölt ein großer, breiter Typ und lacht mit seinen Kumpels schallend um die Wette. „Du kanns' mich mal, Mikey. Fffick dich." Trotzig recke ich meinen Mittelfinger nach oben, wobei sich der fast in Mikes Kinn bohrt, schnappe mir die Flasche Vodka - billig, aber Hauptsache, er knallt und wer braucht schon Gläser - und drängle mich wankend wieder nach draußen. Jetzt brauche ich wirklich frische Luft. Auf dem Weg zur sperrangelweit geöffneten Haustür läuft mir Milla entgegen. „Alles klar bei dir? Du siehst nicht mehr so fit aus.", brüllt sie in mein Ohr, wobei ihr Parfüm die Rauchschwaden in meinem Kopf noch mehr herumwirbelt. „Mir geht's supi, hab ich doch schon gesagt.", antworte ich und schnappe ihr die Flasche Alkohol aus der Hand, die sie mir hatte entreißen wollen. Ohne ein weiteres Wort schiebe ich mich an ihr vorbei in die Nacht, stapfe durch den Rasen und bleibe mit meinen Absätzen erstmal im Gras stecken. „Scheißverficktedrecksmistschuhe." Taumelnd reiße ich mir die beiden Pumps von meinen Füßen, schleudere sie irgendwohin in die Gegend und spüre mich plötzlich fallen. Auch egal. Es ist alles scheißegal. Jetzt, morgen und überhaupt.

Immerhin habe ich noch meinen Vodka - billig, aber Hauptsache, er knallt. Ich versuche, einen Schluck zu nehmen, leere mir was übers Kinn, richte mich halb auf und versuche es nochmal. Oh, wie es brennt. Alles fängt Feuer, mein Rachen, meine Nase sowieso, jetzt fängt es auch in der Brust an. Ich sinke zurück ins Gras, summe irgendwas, weil es mir grade in den Sinn kommt und betrachte die Sterne. Sie drehen sich, alles dreht sich, die Welt um mich verschwimmt wie auf einer Achterbahn - und alles ist egal. Egal, egal, egal.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 05, 2021 ⏰

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