15. Kapitel

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"Ottersee! Schnell, wir brauchen einen Heiler!"

Schmutzpfote wurde von Schwarzfrost fast zu Boden gerissen, als er an ihr vorbeistürmte, sein sonst so glattes, schwarzes Rückenfell stand ab wie Distelstacheln.

Die braune Heilerkätzin kam herbeigelaufen, doch Gelbschweif schüttelte den Kopf ohne den Blick zu heben.

"Es ist zu spät. Sie ist bereits tot", miaute der goldene Kater mit gebrochener Stimme, seine Ohren lagen flach am Kopf an.

Ein Blitz des Schocks jagte durch Schmutzpfotes Körper.

Nein! Nicht Schwalbenpfote!

Ein tief in der Brust liegender Schmerz breitete sich in ihr aus.

"Was ist geschehen?", verlangte Ameisenstern zu wissen, der sich mit einer eleganten Gewandtheit durch die Katzen schlängelte.

"Wir haben sie an der Grenze zum SeeClan gefunden", antwortete Felsenkralle mit einem verbitterten Ton in der Stimme. Seine ziemlich weit auseinanderstehenden, verschiedenfarbigen Augen blitzten feindselig auf, als er den anderen Clan erwähnte.

Schwarzfrost, Eulensprenkel und Gelbschweif waren neben Schwalbenpfotes Leichnam zusammengebrochen, aber besonders die Trauer des zweiten Anführers verwunderte Schmutzpfote. Sie versuchte, sich die Tränen wegzublinzeln, die in ihr aufstiegen, doch nichts half gegen die silbrigen Tropfen, die ihre Wangen hinunterliefen. Schwalbenpfote war eine der freundlichsten Katzen, die sie im SumpfClan kennengelernt hatte. Sie hatte es nicht verdient zu sterben, nicht so. Die gelben Augen der Schülerin starrten erblasst ins Leere und an ihrem Bein befand sich ein so gewaltiger Biss, dass das Fleisch in Fetzen herabhing.

Ottersee inspizierte die Verletzungen der Kätzin, doch sie kam zu dem selben Schluss wie Gelbschweif. Schwalbenpfote war tot.

"Sie ist an dieser Kopfwunde hier gestorben", miaute die zierliche Heilerin traurig und schloss mit der Pfote Schwalbenpfotes weit aufgerissene Augen.

"Da war ein spitzer, blutiger Stein auf dem Boden", meldete sich Schilfpfote schüchtern.

"Aber dieser riesige Biss...das kann nur ein Krieger gewesen sein", fauchte Schwarzfrost mit vor Zorn glühenden Augen. "Diesmal ist der SeeClan zu weit gegangen!"

"Beruhige dich Schwarzfrost", miaute Ameisenstern betont ruhig. "Ich werde eine Patrouille zum SeeClan schicken. Felsenkralle, Moosschwinge, Farnsilber und Flügelpfote, ihr übernehmt das. Bis die Patrouille zurückgekerht ist verlässt niemand sonst das Lager."

Nach dieser schrecklichen Wendung war Schmutzpfote auch gar nicht mehr danach, rauszugehen. Was, wenn ihr dasselbe geschah, wie Schwalbenpfote? Was, wenn sie ebenfalls auf dem Boden endete, den Kopf an einem Stein aufgeschlagen und verblutet?

Ameisenstern wandte sich zu Schmutzpfote und ihren Schwestern um.

"Tut mir leid, ihr drei, aber ihr könnt heute noch nicht das Territorium erkunden", miaute der schlanke Anführer entschuldigend und begann danach, mit gesenktem Haupt, die Beerdigung der Schülerin zu organisieren.

"Also ich würde diese blöden Fischkatzen fertig machen", schniefte Himmelspfote, die Stimme von Trauer erstickt. Sie war mit Schwalbenpfote gut befreundet gewesen.

Tröstend schmiegte sich die Tigerkätzin an Himmelspfote, der Schock ließ ihre Stimme zittern.

"Bitte...bitte mach das nicht. Ich will dich nicht verlieren."

"Ich weiß...es ist nur...ich fühle mich so hilflos. Zuerst Blattflügel und jetzt Schwalbenpfote...", flüsterte Himmelspfote.

Schmutzpfote konnte das genau nachempfinden. Es gab nichts, was sie tun konnten, sie konnten nicht heilen, nicht kämpfen, nicht die Zeit zurückdrehen.

Schließlich kam Regentropfen zu den dreien und leckte ihnen über den Kopf.

"Tut mir leid, dass eure Zeremonie so schiefgegangen ist. Aber ich bin trotzdem so stolz auf euch", miaute der gefleckte Kater und legte den Schweif über Schmutzpfotes Schultern.

"Danke, Vater", murmelte die Tigerkätzin betroffen. Sie mochte es, dass ihr Vater ihr trotzdem gratulierte, aber gerade war ihr gar nicht nach feiern zumute. "Ich glaube, ich gehe Eichenglut besuchen", flüsterte sie, wand sich unter Regentropfens Schweif hervor und trottete mit gesenktem Schwanz in Richtung Ältestenbau.

Sie wusste selbst nicht genau, warum sie zu Eichenglut wollte, aber vielleicht hatte er ja ein paar Antworten für sie. Als Ältester wusste er zwar trotzdem nicht alles, aber immerhin einiges.

Als sie in die kühle Höhle schlüpfte, raschelte das vertrocknete Moos, das den Eingang überwucherte, all das Wasser war aus den winzigen Blättern gewichen.

"Na wenn das nicht eine unserer neuesten Schülerinnen ist", begrüßte der rotbraun-weiß gefleckte Kater sie und richtete sich auf. Im Gegensatz zu Aschenweide, die in letzter Zeit angefangen hatte zu husten, schien er vollkommen gesund zu sein.

"Hallo, Eichenglut", miaute Schmutzpfote, sich zu einem Lächeln zwingend.

"Harter Tag, was?" Verständnisvoll machte der alte Kater in seinem Nest Platz, woraufhin sich Schmutzpfote sogleich zu ihm kuschelte. "Dass es ausgerechnet Schwalbenpfote erwischen musste", murmelte er und schüttelte den Kopf.

"Was meinst du?"

"Schwarzfrost wird sich mondelang nicht erholen", fügte der Älteste hinzu.

"Ist Schwarzfrost denn mit Schwalbenpfote verwandt?", fragte Schmutzpfote leise, durch die Reaktion des Zweiten Anführers kam ihr das durchaus logisch vor.

"Das ist eine sehr traurige Geschichte, Schmutzpfote. Vor etwa zwölf Monden hatten wir eine Königin in der Kinderstube, ihr Name war Glitzerschnee, und sie war vermutlich die schönste Katze, die der SumpfClan je hervorgebracht hatte. Hätte ich nicht schon Lilienblüte als Gefährtin gehabt, hätte ich sie sicherlich ebenso angehimmelt wie die Hälfte unseres Clans. Sie erwartete Schwarzfrosts Junge, aber die Blattleere und das Schicksal meinte es ganz und gar nicht gut mit ihr. Glitzerschnee bekam Grünen Husten und starb noch bevor sie die Jungen auf die Welt gebracht hatte. Schwarzfrost war am Boden zerstört. Kurz darauf fanden wir Schwalbenpfote und Eulensprenkel im Wald. Sie waren kaum drei Monde alt und von den Zweibeinern zurückgelassen worden. Unser Zweiter Anführer nahm sich ihrer an und zog sie groß, aber er ist nie wirklich darüber hinweg gekommen und hat sich nie wieder für eine Kätzin interessiert."

Schmutzpfote schluckte, sie hatte nicht gewusst, dass Schwarzfrost Junge großgezogen oder seine Gefährtin verloren hatte. Es musste schrecklich für ihn gewesen sein, seine gesamte Familie auf einen Schlag zu verlieren. Sie konnte es sich gar nicht vorstellen, dass Regentropfen und Himmelspfote eines Tages einfach nicht mehr da sein würden.

"Das tut mir so leid für ihn...und jetzt hat er auch noch Schwalbenpfote verloren..."

Die junge Schülerin hatte keine Ahnung, was sie noch dazu sagen sollte, keine Worte konnten die Gefühle ausdrücken, die sich gerade in ihr abwechselten.

"Er hatte es nicht leicht. Bestimmt wird er Eulensprenkel nicht mehr aus den Augen lassen, ich hoffe wenigstens er bleibt ihm. Noch einen Tod hält unser Schwarzfrost glaube ich nicht aus."

Eichenglut wischte ihr mit dem Schweif über die nasse Wange, auch er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.

"Bestimmt....bestimmt sehen sie sich im SternenClan wieder", erklärte er dann unbeholfen und tätschelte ihr den Rücken.

Ich hoffe es...Schwarzfrost ist ein guter Kater. Er verdient seine Familie wenigstens nach dem Tod zurück...

WarriorCats-Das Geheimnis der SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt