Kapitel 13

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Kapitel 13
Steff wartete bereits in der Tür auf sie. Sie trug eine schwarze Jogginghose und ein enganliegendes, und wen wunderte es, ebenfalls schwarzes Shirt. Auch wenn das Outfit nichts besonderes war, viel Yvonne sofort auf, wie gut das Shirt Steffs Kurven betonte. Steff lächelte ihr entgegen. „Hey." Yvonne grinste vorsichtig zurück. „Selber Hey." Sie schwiegen für einen Moment, beide mit der Situation sichtlich überfordert. Doch dann schien Steff sich an ihre guten Manieren zu erinnern. „Ähm, komm doch rein." Sie trat beiseite und Yvonne trat hinter ihr in die Wohnung. Nachdem sie ihre Jacke und Schuhe ausgezogen hatte, folgte sie Steff durch den Flur und blickte sich neugierig um. Die Wohnung passte zu Steff, wie die Faust aufs Auge, klein, schlicht, ein wenig chaotisch – und genauso wie Steff fühlte auch sie sich für Yvonne sofort ein kleines bisschen nach zuhause an. Als sie schließlich im Wohnzimmer angekommen waren, ließ Steff sich sofort auf die Couch fallen und klopfte auf den freien Platz neben ihr. „Na dann Frau Catterfeld, auf geht's wir haben viel vor." Yvonne folgte ihrer Aufforderung, nachdem Steff ihr die Flasche Wein aus der Hand genommen hatte, und damit begann, die beiden Gläser zu füllen, die sie in weiser Voraussicht schon auf dem Tisch platziert hatte. Da bemerkte Yvonne, dass Steff kurz innehielt. Ihr Blick war auf ihre Hand gefallen, die von Kratzern geziert war. Sie runzelte kurz die Stirn. „Viola?" Yvonne folgte ihrem Blick und nickte mit qualvoll verzerrtem Gesicht. „Ja, wir hatten eine kleine Auseinandersetzung, weil sie sich unglaublich in Björn verliebt hat... Den einzigen Kater bei uns in der Nachbarschaft, unglaublich penetrant und wenn du mich fragst ein klein wenig psychisch gestört. Belagert unser Haus seit neustem Tag und Nacht. Frag nicht, es war nicht schön anzusehen, als ich versucht habe, ihn aus dem Haus zu schmeißen. Viola hat für ihn gekämpft wie eine Löwin." Steff lachte nur und Yvonne griff nach ihrem Glas Wein und nahm einen großen Schluck. Vielleicht würde sie so ihre Nervosität ein wenig in den Griff bekommen. Sie beschloss, zunächst ein sicheres Thema anzusprechen. Während sie so begann, Steff von den Abenteuern von Viola und Björn erzählte, wurde ihr Glas zunehmend leerer, und als Steff schließlich zur Fernbedienung griff, um die Videos zu starten, füllte sie sich bereits ihr zweites Glas ein. Sie fühlte sich fast schon ein wenig benebelt, war aber immer noch Herrin ihrer Sinne. Also irgendwie schwerelos Menschlich. Gut. Vielleicht war sie doch nicht mehr voll bei sich. Steff riss sie aus ihren philosophischen Gedanken. „Lass uns mit ein paar von den alten Podcast Folgen anfangen. Wir haben sie alle auf YouTube hochgeladen, aber du hast die ultimative Gelegenheit, Live Kommentare von mir gratis dazuzubekommen." Yvonne schlug sich in gespielter Begeisterung die Hände vor den Mund. „Ich fühle mich geehrt." Doch ihr begeisterter Gesichtsausdruck, wurde schnell zu ohrenbetäubendem Gelächter, als Steff damit begann die ersten Videos abzuspielen. Steff in diesen weiten Schlaghosen, die Haare lang und glatt und lang, den Kajal als dunkler Streifen unter den Augen war einfach nur göttlich. „Deine Augenbrauen oh mein Gott. Was für eine Präzision es gebraucht haben muss, die so dünn zu zupfen." Sie bekam vor lauter Lachen kaum noch Luft und quiekte dann plötzlich laut auf. „Ahh Steff nicht, ich bin kitzlig." Steff hatte einen beleidigten Schmollmund aufgesetzt, sich zu ihr herübergebeugt und sie in die Seite gekniffen. „Na wenn das so ist." In sekundenschnelle drehte sie sich um und begann Yvonne mit beiden Händen zu kitzeln. Yvonne schrie auf und versuchte sich aus Steffs Klammergriff zu befreien, doch sie war erbarmungslos. Als Yvonne schließlich nur noch nach Luft schnappen konnte, hob sie schließlich hilflos die Arme. „Okay, okay ich ergebe mich. Ich nehms zurück." Steff stoppte mitten in ihrer Bewegung und hob auffordernd eine Augenbraue. „Also wie war das gerade?" Yvonne atmete noch immer schwer. „Deine Outfits sehen so unfassbar gut aus und deine Haare... Ich glaube ich sollte mir die auch so schneiden lassen, ich meine wow." Sie musste sich auf die Lippe beißen, um nicht erneut laut loszulachen. „Nein, aber mal im Ernst, ich will gar nicht wissen, wie ich an deiner Stelle rumgelaufen wäre. Vermutlich nur rosa Klamotten, mit ganz viel Glitzer und geschmacklosen Kombinationen. Und meine Haare? Die wären vermutlich Platinblond gewesen." Jetzt war es an Steff laut los zu prusten. „Das klingt tatsächlich... irgendwie plausibel." Yvonne boxte ihr leicht gegen den Oberarm. „Manche Outfits, die ich beim Tanzen anhatte, sind allerdings auch nicht viel besser. Obwohl, einige von denen würden dir sicher gefallen... wenn ich da an die deutsche Meisterschaft vor drei Jahren denke..." Steff warf ihr einen neugierigen Blick zu, aber Yvonne schüttelte nur den Kopf. „Meine Lippen sind versiegelt." Die Sängerin hob wieder in einer drohenden Geste die Hände und kam noch ein wenig näher. Yvonne wollte sich gerade abwehrend die Hände vor den Körper halten, da realisierte sie plötzlich wie nah Steff ihr inzwischen gekommen war. Ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt und ihr Blick viel unweigerlich auf Steffs Lippen. Auch Steff war auf einmal sehr still geworden und Yvonne merkte, wie sich ihre Gesichter ganz unbewusste mehr und mehr annäherten. Sie konnte absolut nichts dagegen unternehmen, wusste nicht mal, ob sie das überhaupt wollte. Dann, als ihre Lippen sich schon fast berührten, schrie Steff in dem Video, was gerade abgespielt wurde plötzlich grell auf und ließ die Beiden auseinanderfahren. Yvonne räusperte sich, rutschte ein Stück von Steff weg und richtete ihren Blick wieder auf den Bildschirm. Steff folgte ihrem Beispiel und strich sich peinlich berührt die Haare glatt. Dann rang sie sich dazu durch, die unangenehme Stille zwischen ihnen zu unterbrechen. „Ja, also da haben mich die Jungs voll bekleidet ins Wasser geschmissen." Das Lachen, was Yvonne ihr als Antwort gab, klang etwas gezwungen, und sie griff wieder nach ihrem Weinglas. Sie brauchte definitiv mehr Alkohol. Die etwas angespannte Stimmung zwischen ihnen legte sich jedoch schnell wieder und schon bald waren sie wieder völlig in die Videos von Steff und ihren Jungs vertieft. Schon jetzt war die besondere Verbindung, die die vier miteinander hatten, für Yvonne deutlich zu sehen. Fast so wie sie und Fabian damals. Nein. Sie unterbrach die leise Stimme in ihrem Kopf sofort. Sie würde jetzt nicht wieder in Selbstmitleid verfallen. Heute ging es um Steff, nicht um die Fehler ihrer Vergangenheit. Inzwischen waren sie beim Bandportrait von Silbermond angelangt, und während Yvonne noch immer völlig in die Geschehnisse auf dem Bildschirm vertieft war, merkte sie, wie sich Steff neben ihr immer mehr anspannte und begann unruhig auf der Couch hin und her zu rutschen. Yvonne drehte ihren Kopf in ihre Richtung. „Steff? Alles gut?" In ihrer Stimme schwang leichte Sorge mit, doch winkte nur mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck ab. „Ja, keine Sorge. Ich mag es nur einfach nicht, mich so direkt in Videos zu sehen und Sprechen zu hören. Meine Stimme klingt ja schrecklich." Etwas in ihrer Stimme machte Yvonne klar, dass das noch nicht die ganze Wahrheit war, doch sie beschloss, sie zunächst nicht weiter unter Druck zu setzen. „Ach Quatsch, ich finde du machst das total professionell! Und gut aussehen tust du sowieso immer." Moment. Seit wann machte sie Steff so offensichtliche Komplimente? Das musste der Wein sein – ein Grund einen weiteren Großen Schluck zu nehmen. Täuschte sie sich, oder wurde Steff neben ihr schon wieder etwas rot? Vermutlich ebenfalls der Wein, aber daran könnte sie sich definitiv gewöhnen. Steff lächelte nur und, ließ ihre Hand wie selbstverständlich auf Yvonnes Oberschenkel wandern und drückte ihn dankbar. Gefährliches Terrain. Ganz gefährliches Terrain. Yvonne schluckte, versuchte aber nach außen hin so zu tun, als würde sie Steffs beiläufige Berührung nicht im Geringsten... nun ja... berühren. Stattdessen fokussierte sie sich wieder auf den Fernseher. Sie waren zeitlich im Portrait inzwischen im Jahr 2012 angekommen und es wurde wieder eine Szene eingeblendet in der Steff und die Jungs gemeinsam an dem großen Tisch saßen. Auf dem Bildschirm begann Steff über die Bandpause zu reden, ihr viel es sichtlich schwer, nicht all ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und auch in Yvonne machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Da hörte sie Steff neben sich leise schniefen. Yvonne drehte sich in ihre Richtung. Steff neben ihr starrte mit zusammengebissenen Zähnen auf den Boden und versuchte krampfhaft ihren Blick nicht zum Fernseher wandern zu lassen. Ohne zu Zögern legte Yvonne ihre Hand auf die von Steff, die noch immer auf ihrem Oberschenkel lag. „Das trifft dich immer noch oder?" Ihre Stimme war sanft und voller Verständnis. Sie griff nach der Fernbedienung und pausierte das Video, während Steff nur mit den Schultern zuckte. „Steff, das ist okay." Als Steff schließlich zu einer Antwort ansetzte, lag in ihren Worten eine undefinierbare Schwere. „Ich weiß es sollte mir nicht so nah gehen. Es ist ja irgendwo schon so lange her... Es sind nichts mehr als Erinnerungen, aber jetzt wo ich das alles nochmal so sehe, kommt das alles wieder hoch." Yvonne nickte. „Meinst du es hilft, wenn du mir erzählst, was genau da zwischen euch passiert ist?" Steff räusperte sich, schien erst etwas zu zögern, aber begann dann zu sprechen. „Zwischen mir und den Jungs eigentlich gar nicht so viel. Sie waren mein Fels in der Brandung, mein Herz und Beton. Natürlich gab es Spannungen, aber ich meine wo gibt es das nicht? Es waren mehr die Leute um uns herum. Sie waren für uns wie eine zweite Familie, haben uns unheimlich lange begleitet, aber sie haben uns immer mehr unter Druck gesetzt. Himmel auf ist genau so entstanden. Wir hatten überhaupt keinen Spaß mehr, keine Leidenschaft. Es wurde immer schlimmer, bis wir uns schließlich für die Pause entschieden haben." Ihre Stimme wurde noch eine Spur leiser. „Natürlich haben wir dann irgendwann den Neuanfang gewagt aber für eine gewisse Zeit... für einen Moment hat es sich einfach angefühlt als würde unser Traum, unser komplettes Leben, alles was wir uns gemeinsam aufgebaut haben einfach so wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen." Yvonne sah, wie eine einsame Träne langsam Steffs Wange herunterlief. Sie beugte sich vor und strich sie ihr vorsichtig aus dem Gesicht. Steff erschauderte unter ihrer Berührung und ihre Lippen begannen sichtbar zu zittern. „Hey..." Doch Steff konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten und sie brachen wie ein Wasserfall aus ihr heraus. „Sorry, ich weiß auch nicht warum mich das gerade alles so fertig macht." Yvonne saß für einen Moment hilflos da, doch dann fasste sie sich ein Herz und zog Steff in ihre Arme. Sie strich ihr beruhigend über die Haare. „Ist ja gut. Lass es raus." So saßen sie für eine Weile da, Yvonne mit der schluchzenden Steff im Arm, die ihr Gesicht in Yvonnes Haaren vergraben hatte. Yvonne hielt sie fest umklammert und zog mit ihren Fingern beruhigende Kreise über ihren Oberkörper. Schließlich beruhigte Steff sich langsam. Sie lachte leise, während sie nach einem Taschentuch griff, um sich die Nase zu schnauben. „Wow, ich bin echt ne Top Gastgeberin, ne echte Stimmungskanone." Doch Yvonne schüttelte entschieden den Kopf. „Du hast gesagt, dass es für dich echt emotional werden wird. Hör auf dir Vorwürfe zu machen, das ist völlig verständlich. Pass auf, wir skippen das jetzt einfach und schauen was anderes. Deal?" Steff nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Deal." Yvonne konnte sich ihr eigenes Verhalten wie schon so oft in letzter Zeit beim besten Willen nicht erklären. Sie breitete die Arme aus. „Na dann komm her." Steff kam ihrer Aufforderung nur zu gerne nach und während das nächste Video zu spielen begann, machte sie es sich in Yvonnes Armen gemütlich. Yvonne begann geistesabwesend mit einer Strähne von Steffs schwarzen Haaren zu spielen und merkte schnell, wie der Atem der Sängerin immer langsamer und gleichmäßiger wurde. Sie senkte den Blick. Steff hatte die Augen geschlossen und ein unglaublich friedlicher Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Yvonne lächelte leicht, doch sie merkte wie auch ihre Augen immer schwerer und schwerer wurden und schließlich driftete auch sie unter den leisen Klängen des Fernsehers und Steffs leisen Atemzügen langsam weg....

Let's Dance (Your Way into my Heart)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt