Tanzen Sie, Sir!

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Der erste Eindruck, den Richard in der Bond Street von Mr Horace Sherbrook erlangt hatte, vertiefte sich bei dem Dinner, welches zu Ehren von Samanthas Portrait und dessen Schöpfer, Mr Garret, im Hause Hedgeworth abgehalten wurde und bei den verschiedenen weiteren Gelegenheiten in den nächsten Wochen, bei denen er Samantha in der Gesellschaft des rundlichen Gentlemans antraf. Er mochte ihn nicht.

Dabei war Mr Sherbrook durchaus höflich, aber was er sagte wirkte wenig interessiert, seine Anteilnahme aufgesetzt. Richard war selten jemandem begegnet, der derart von sich selbst eingenommen war. Ein Langweiler, der nichts von der Welt gesehen hatte und dennoch glaubte, sie zu verstehen. Die Tatsache, dass Mr Sherbrook einen guten Posten in irgendeinem Ministerium hatte, machte ihn auch nicht sympathischer für Richard. Schließlich waren Beamten die natürlichen Feinde der Soldaten. Richard hatte während seiner Offizierskarriere zu viel Zeit damit verbracht, über jedes Zelt, jeden dazugehörigen Pfosten, jede Schaufel und jeden verschwundenen Ausrüstungsgegenstand peinlich genau Buch zu führen. Seine Lieutenants waren tagelang beschäftigt gewesen, Dinge zu zählen und das alles während sie durch das bergige Grenzland zwischen Portugal und Spanien marschiert waren, den Feind auf den Fersen. Nein, er hatte wenig Zuneigung für Beamten.

Unter anderen Umständen hätte Richard Mr Sherbrooks Art einfach nicht weiter beachtet, aber es störte ihn, wie er mit Samantha redete. Sherbrook hörte sich am liebsten selbst sprechen und erwartete kaum eine Antwort und schon gar keine Meinungsäußerung von ihr. Was Richard aber am meisten erstaunte war, dass sich Samantha diese Art gefallen ließ. Von ihrem Temperament war in seiner Gegenwart nichts zu spüren, ihre Meinung behielt sie für sich, war nachgiebig.

Kurz vor Weihnachten fand ein letzter großer Ball statt, ehe in London bis zum kommenden Frühjahr Ruhe einkehren würde. Gastgeberin war Lady Ruthford, eine wohlhabende Dame ohne heiratsfähige Töchter. Ihre Gesellschaften waren selbst um diese Jahreszeit, in der viele Familien der Stadt bereits bis zum kommenden Frühjahr den Rücken gekehrt hatten, außerordentlich beliebt und gut besucht.

Lord Velton würde am darauffolgenden Tag ebenfalls mit seiner Familie abreisen. Lydia, die dem Landleben nichts mehr abgewinnen konnte nachdem sie einmal Großstadtluft geschnuppert hatte, hatte wegen der bevorstehenden Abreise den ganzen Tag schlechte Laune gehabt, so dass Richard es vorgezogen hatte, den Großteil des Tages in seinem Club zu verbringen. Später hatte er erfahren, dass die Laune seiner Frau in einem Wutanfall gegipfelt war, bei dem sie ihrer Zofe eine Haarbürste an den Kopf geworfen hatte. Jetzt sah sie wieder liebreizend aus, lächelte viel und huldvoll und begrüßte in einem fort ihre vielen neuen Bekannten.

Richard, selbst mit einem Bekannten in ein Gespräch vertieft, bemerkte aus dem Augenwinkel, wie weitere Ballgäste eingelassen wurden. Er blickte auf, als Lady Ruthford mit ausgestreckten Händen zu den Neuankömmlingen eilte, um sie zu begrüßen. Richard runzelte die Stirn, als er Victor und Frederick Whiteshaw erkannte. 

„Mr Whiteshaw! Welch eine Freude! Ich hörte, Sie wären in der Stadt, aber ich hatte fast keine Hoffnung, dass Sie es würden einrichten können zu kommen."

„Ihre Feste darf man sich nicht entgehen lassen", erklärte Victor Whiteshaw galant und beugte sich über die mollige Hand der Lady und hauchte einen Kuss darauf. „Sie kennen meinen Bruder?"

„Selbstverständlich. Willkommen!", sagte sie gut gelaunt. „Kommen Sie und mischen Sie sich unter die Gäste. Sie sind reichlich spät, aber Sie werden sicherlich noch eine Tanzpartnerin finden."

Die Herren Whiteshaw verneigten sich und mischten sich dann unters Volk. Richard merkte, wie Lydia, die neben ihm stand, unruhig wurde. Es drängte sie zu Frederick Whiteshaw hin und der junge Mann schien seinerseits unter den Gästen nach jemandem zu suchen. Richard wusste längst, dass die beiden Kontakt zueinander hatten, seit Frederick vor einigen Wochen mit seinem Bruder in die Stadt gekommen war. Als Lydia einen Schritt nach vorne machte, griff Richard beinahe grob nach ihrem Oberarm, um sie zur Ruhe zu zwingen.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt