Kelly lag wach. Es war wie jede Nacht. Der Hass auf den Mann der friedlich schlafend neben ihr lag schien sie von innen heraus zu zerfressen.
Ein stechender Schmerz der Abscheu wanderte durch ihren Körper.
So war es jede Nacht. James schlief friedlich. Er war sich nicht einmal annähernd der Gefahr bewusst die von der Frau, die mit offenen Augen neben ihm lag und die Wand anstarrte, ausging.
Dann kam der Tag an dem das Fass überlief. Es war schon lange klar dass er bald kommen würde. Jahrelang hatte sich die Entäuschung, Wut und Missachtung in Kellys Herzen gesammelt und wie lange hatte sie sich schon bemüht ihre inneren Dämonen zu bekämpfen.
Als James am 06.11., einem kalten Wintertag, aus seinem teuren Wagen stieg und agressiv an die Haustür klopfte war es ein für alle Mal genug. James war die ganze Nacht weg gewesen. Nicht das das etwas neues war, doch als er Kelly an diesen Morgen aus dem seltenen Schlaf riss war es ein Fehltritt zu viel gewesen.
Es war noch dunkel und eine dünne Schicht Schnee hatte sich über den Straßen verteilt.
James Atem bildete Wolken und allmählich stieg eine feurige Wut in ihm auf. Er klopfte erneut. Dieses Mal regte sich etwas.
Er hörte die schlurfenden Schritte seiner Frau in Richtung Haustür kommen. Er lächelte. Gleich konnte er all seine geballten Gefühle an ihr auslassen.
Langsam öffnete sich die Tür einen Spalt breit.
"James?" fragte eine leise Stimme zögerlich.
"Wer sonst?!"
James hatte genug. Er drückte gewaltsam die Tür auf und schlug sie hinter sich zu. Ohne seiner Frau eines Blickes zu würdigen pfefferte er seine Schuhe in eine Ecke.Während er versuchte sich aus seiner Jacke zu befreien schaute er nach oben und hielt in seiner Bewegung inne.
"Was?" schnaubte er, wagte es aber dennoch nicht sich zu rühren.
Kelly stand vor ihm. Anders als sonst hatte sie ihren Kopf nicht gesenkt. Sie trug noch immer ihren karierten Flanellschlafanzug. Ihre Haare hingen strubellig in ihren Augen, aber das was James wirklich verunsicherte war das breite Grinsen.
Langsam machte Kelly einen kleinen hüpfenden Schritt in Richtung James. Dann begann sie zu zählen.
"...10, 9..."
"Was soll das werden?"
Kelly zog langsam und mit einer eleganten Bewegung ein Messer hinter ihrem Rücken hervor.
"...8, 7..."
Innerhalb eines Sekundenbruchteils verstand James. Er drehte sich um und rüttelte an der Haustür. Nichts.
"....6, 5..."
James bekam Panik. Noch immer stand Kelly mitten im Flur ohne einen Finger zu rühren.
"Was soll das?" schrie James und rannte die Treppe hinauf.
".....4, 3..." rief Kelly etwas lauter und kicherte hysterisch.
James rannte. Er rannte wie niemals zu vor. Die halbausgezogene Jacke hing ihm noch von den Schultern und Schweiß verklebte seine Poren.
So leise er konnte öffnete er seine Schranktür und machte sich so klein wie möglich.
Er hörte Schritte näherkommen. Sie hatte die Treppe erreicht. Sanft versuchte er mit seinen zitternden Händen die Schranktür zuzuziehen.
"...2..."
Kelly hatte das obere Stockwerk erreicht und kam in Richtung Schlafzimmer.
James hielt die Luft an. Er hörte wie sich die Schritte dem Schrank näherten. Direkt vor ihm blieb sie stehen. James Muskeln verspannten sich.
Dann, nach gefühlten Stunden entfernten sich die Schritte wieder.
Vorsichtig drückte James den Schrank auf und zwängte sich in die Freiheit. Jetzt musste er nur noch rennen. Im unteren Stockwerk gab es genug Fenster durch die er klettern konnte. Er richtete sich auf und machte sich bereit.
Dann spürte er eine Präsenz hinter sich.
"...1..." flüsterte Kelly und er spürte einen stechenden Schmerz in seinem Rücken.
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