es gibt nur ein Kapitel, hör auf mich nach Titeln zu fragen

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Eines der im politischen Diskurs [1] häufigsten erwähnten Bücher ist „1984" des amerikanischen Autoren George Orwell. Die Handlung dieses Werkes folgt einem Mann, Bürger eines unvorstellbar mächtigen und autoritären Staates, wie er sich in verschiedenen Situationen eingeengt und bedroht fühlt durch die Möglichkeit etwas unerwünschtes zu sagen oder gar zu denken. In diesem Staat spricht man eine veränderte Sprache, die (eingedeutscht) als Neusprache bekannt ist und nur politisch akzeptiertes Vokabular enthält; an den Aphorismus „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt" erinnernd. Die unterliegende Moral ist wenig subtil. Der Autor, überzeugter Kommunist, der im spanischen Bürgerkrieg gegen Franco kämpfte, versuchte mit seiner Dystopie die Gefahren eines totalitären Staates zu verbildlichen und die grotesken Folgen für das denkende Individuum. An dieser Stelle kommen die selbsterklärten gutbürgerlichen in Deutschland beziehungsweise „klassischen Liberalen" in den USA ins Spiel. So mein Eindruck durch verlängerten Aufenthalt in den Tiefen Gehennas, kolloquial als Internet bekannt, wird das Buch beziehungsweise die Unterliegende Angst vor (vermeintlicher) Unterdrückung durch Anpassung der Sprache von Volk genutzt, das üblicherweise der politischen Rechten zugeordnet wird. Im Folgenden gedachte ich meinen Unmut über diesen Umstand in einigen losen Gedanken zu verewigen.

Beginnen möchte nun aber weniger bei einem kontroversem politischen Zankapfel, sondern weit abseits davon mit einem Phänomen, dass mir in Zusammenhang mit dem Schulabschluss letzens über den Weg kam. Eine Umfrage sollte einige populäre Meinungen erheben zu bestimmten Themen, wie etwa wer groß raus kommt oder eben nicht. Der zugrundeliegenden Idee stand ich teilnahmslos gegenüber, sie kümmerte mich wenig, zumindest bis ich Fragen las, wie „Wer kommt zuerst in den Knast?" oder „Wer wohnt mit 30 noch bei seiner Mutter?". Es schien mir als habe der/die/das Autor*in ein sehr drängendes und krankhaft wirkendes Bedürfnis gehabt irgendwem auf dem Sack gehen zu wollen. Ich sah vor mich zu erkundigen wessen schmutziges Werk es wohl gewesen sein wird und wurde mit der Antwort durch meine Kontaktperson konfrontiert, er/sie/es habe versucht das schlimmste abzuwenden, hätte allerdings den Zorn der/des Missetäters/in gefürchtet bei zu großer Beschränkung in den Wahlmöglichkeiten. Hierin liegt für mich der springende Punkt. Mancheiner bildet sich auf Meinungsfreiheit ein, er hätte ein gottgegebenes Recht andere zu verletzen, die Ursache für diesen Trieb mal außen vor gelassen oder verlangt auf Kosten anderer seinen Spaß zu haben während er Widerrede als Spaßverderben oder Unterdrückung abtut. Erinnert hat mich das an einen Spruch den der Berliner Autor Marc-Uwe-Kling verfasste: „Du hast da etwas falsch verstanden, zu meinem Verdruß. Meinungsfreiheit heißt, dass man seine Meinung sagen kann, nicht dass man es muss" (Zitat aus Gedächtnis, womöglich abweichend), jedoch geht dieser sadistische Wahn noch darüber hinaus, es ist ja nicht nur eine unüberlegte sondern entweder eine zur eigenen Belustigung kränkende oder gezielt offensive Formulierung. Wie macht man nun jemandem, der so erpicht auf seinen Unsinn ist klar, dass er so etwas zu unterlassen habe, oder ist man überhaupt moralisch im Recht dies zu tun? Ohne auf letzteres wirklich eingehen zu können finde ich, dass es vergleichbar ist mit einer Beerdigung. Auf dieser Beerdigung treffen sich Verwandte und Bekannte zum tränenreichen Abschied von ihrem Mitmenschen. Teil dieser Kongregation ist Person L, Initiale rein willkürlich gewählt, stellt sich auf eine Kiste und verkündet sie sei äußerst erfreut über das längst überfällige Ableben der/des Verstorbenen/in. Aus dem Bauch heraus würde ich, auch wenn Person L dies vielleicht gar nicht aus auschließlich maliziöser Intention heraus, vielleicht mit dem Ziel das Gemüt zu erquicken, der Kongregation das Recht zusprechen, sich der Person L aus ihrer Mitte zu entledigen. Das war im Endeffekt ein sehr langer Weg um meine Überzeugung zu formulieren, das Äußern der eigenen Meinung sollte zwar keine harten Konsequenzen (wie etwa in „1984" harte Strafen) tragen, aber durchaus soziale Konsequenzen haben. Von hieraus kann man diese Diskussion in alle möglichen Richtungen weitertragen, wie die olympische Fackel.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 21, 2021 ⏰

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