16 - Nur seine Lippen

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„Och maaaan", maulte ich, als ich am nächsten Tag hinter dem Steuer des Mercedes saß. Freddie Mercury sang währenddessen im Hintergrund voller Inbrunst Bohemian Rhapsody, was mich ein bisschen beruhigte. Ich rüttelte genervt am Lenkrad herum und ließ meinen Kopf darauf sinken. Embrys leises brummiges Kichern ignorierte ich gekonnt. „Ach komm, wir können ja an einem anderen Wochenende wiederkommen", sagte er und legte seine Hand auf meinen Rücken. Ich stöhnte laut auf. Meine Lust wieder nach Hause zu fahren lag mehr als nur unter dem Nullpunkt. „Ich will aber jetzt noch hierbleiben", quengelte ich, was mir ein weiteres Lachen einbrachte. Leider konnten wir nicht einfach spontan noch einen Tag bleiben. Schließlich hatten wir beide Schule morgen. Seufzend startete ich endlich den Motor und fuhr aus der Tiefgarage raus.

Der Weg nach Hause ging gefühlt schneller vorbei als die Hinfahrt. Kurz nach Mittag kamen wir wieder in Forks an. Embry würde ich abends wieder nach Hause fahren. Wir wollten noch ein bisschen Zeit miteinander verbringen, bis wir uns wieder seltener sahen. Er musste schließlich mit seinen Freunden Vampire jagen. Es hörte sich so surreal an. Vampire. Irgendwie gab es einen kleinen Funken in mir, der diese Sache nicht wirklich glauben wollte. Auch wenn ich fest an Werwölfe glaubte, dank Embry, kam es mir absurd vor, dass blutrünstige menschliche Mücken anderen Menschen an die Kehle sprangen. Aber es sprach auch eigentlich, seit Embrys Offenbarung, nichts dagegen. Vorerst jedoch würde ich versuchen nicht darüber nachzudenken. Ich wollte einfach nur meinen Abschluss in der Tasche haben, eventuell auf eine Universität gehen oder eine Ausbildung beginnen. Dabei hoffentlich mit Embry weiterhin zusammen sein können. Ich wollte nicht daran denken, irgendwann von ihm getrennt zu sein.

Als wir mein zu Hause betraten, war von Andrey nichts zu sehen oder zu hören. „Andrey?", rief ich probeweise durch die Wohnung und lauschte. Nichts. Er musste wohl außer Haus sein oder schlafen. Schulterzuckend stiefelte ich mit Embry in mein Zimmer, wo ich mich seufzend sofort auf mein Bett fallen ließ. Er tat es mir gleich und seufzte einmal tief auf. „Ich habe keine Lust auf morgen", sagte er und rieb sich einmal durch das Gesicht. „Warum?", fragte ich, bekam dafür nur einen ungläubigen Blick. „Schule?", antwortete er. Meine Hand fand ihren Weg zu meiner Stirn. „Stimmt, ich doofe Nuss". Er grinste einfach nur und richtete seinen Blick wieder zur Decke. „Und jetzt?", fragte er und erhielt ein weiteres Schulterzucken. „Wollen wir eine Runde Super Nintendo spielen?", fragte ich und deutete auf die Konsole. Er brauchte mir erst keine Antwort geben, sein Grinsen verriet alles.

„Das kann doch nicht sein! Ich bin doch gesprungen, alter!", keifte ich und hätte beinahe den Controller durch die Gegend geworfen. Wir spielten Donkey Kong auf meiner Super Nintendo. Es war schwieriger als ich es in Erinnerung hatte. Lange hatte ich dieses Spiel nicht mehr gespielt. Wir mussten einmal sogar alles von vorne wieder anfangen und kamen in Welt drei nicht weiter. Es war zum verrückt werden. Embry bekicherte sich natürlich wieder. Empört gab ich ihm einen Klaps auf die Schulter. Das schien ihm jedoch nichts auszumachen. „Elvana?", rief eine Stimme durch das Haus. Andrey war wieder da. Schnell sah ich auf die Uhr. Alarmiert sprang ich auf. „Mist! Wir hätten schon längst auf den Weg nach La Push sein müssen", sagte ich, schaltete die Konsole und den Fernseher aus, bevor ich mir Embrys Hand schnappte und mit ihm die Treppen runter polterte. Ich wollte nicht, dass er Ärger mit seiner Mutter bekam, weil er zu spät heimkam. „Beruhig dich", lachte er, ließ sich aber bereitwillig hinter mir herziehen, ,,Meine Mutter wird schon nicht ausflippen, weil ich ein paar Minuten später da bin". Ich wollte gerade durch die Haustür nach draußen, da wurde ich von meinem Bruder aufgehalten. „Halt!", rief er und ich blieb abrupt auf der Türschwelle stehen. Langsam drehte ich mich um. „Willst du mir nicht Hallo sagen?", fragte er und breitete grinsend die Arme aus. Genervt stöhnte ich auf und verließ ohne ein weiteres Kommentar das Haus. Ich dachte schon, ich hätte wieder etwas angestellt.

Der Abschied von Embry dauerte gefühlt um einiges länger als die Hin -und Rückfahrt von Seattle. Wir standen eng umschlungen vor seiner Haustür und wollten uns einfach nicht loslassen. „Warum kannst du nicht bei mir übernachten? Oder gleich einziehen?", fragte ich leise nach und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. Seine Arme drückten mich daraufhin noch enger an seinen Körper. Es war als wären wir aneinander festgeklebt worden. Er seufzte. „Das wär toll", antwortete er ebenso gedämpft. Er ließ seine Hand zu meiner Wange wandern, sodass ich ihm automatisch ins Gesicht blickte. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?", flüsterte er. Sein Blick war so sanft und voller Liebe, dass es mir den Atem verschlug. Es war das erste Mal, dass einer von uns diese Worte aussprach. Die Hitze stieg mir in den Kopf und in meinem Körper fand ein riesiges Feuerwerk statt. Ein zartes Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. „Weißt du was?", wisperte ich und er schüttelte leicht mit dem Kopf, ,,Ich dich auch". Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wie sich ein erfreutes Lächeln auf seinen Lippen abbildete. Auf Zehenspitzen streckte ich mich zu ihm hoch, um meine Lippen auf seine zu legen. Er beugte sich mir nur zu gern entgegen. Es war wie jedes Mal ein tolles Gefühl, wenn sich unsere Lippen berührten. In mir drin wusste ich, dass ich niemals wieder andere Lippen küssen wollte. Wir waren zwar noch sehr jung, jedoch war unsere Verbindung durch sein Wolfsgen versiegelt. Er hatte mir erzählt, dass wenn sich ein Werwolf auf jemanden prägte, er nur diese Person lieben würde. Und das für immer.

𝐕𝐞𝐫𝐠𝐚̈𝐧𝐠𝐥𝐢𝐜𝐡 - twilight FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt