Prolog

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Die Schatten flüsterten seit Tagen. Sie flüstern ihm Wörter zu. Namen. Erinnerungen. Er schrieb alles nieder und mit der Zeit ergab sich ein Muster. Es spannte sich wie das Netz einer Spinne über all seine Gedanken und als die Schatten schließlich verstummten da wusste er es. Was er zu tun hatte. Wie er es zu tun hatte. Und er begann die Vorbereitungen. 


Seit Wochen verschwanden Bewohner des Dorfes. Junge, alte, kranke, gesunde, es schien wie eine willkürliche Auswahl und entsprechend griff die Angst im Dorf um sich. Furcht und Misstrauen war allgegenwärtig. Alle Fenster und Türen waren geschlossen, der Marktplatz und die Straßen leer. Als zwischen den Häusern hindurchschlenderte, konnte er die Blicke der Bewohner spüren, wie sie ihm durch die Fensterläden hinterherstarrten. Er hörte ihr tuscheln und spürte ihr Misstrauen. Er hatte sich längst daran gewöhnt und es störte ihn schon lange nicht mehr, er fand es eher...erheiternd. In ihren kleinen Köpfen war nicht genug Wissen, nicht genug Größe, um zu begreifen was vor sich ging, was er plante. Er betrat die Kapelle und, als er sich versichert hatte dass er allein war, betrat er die Krypta. Er streckte seinen Zeigefinger aus und begann Symbole auf die steinernen Särge zu zeichnen. Bald. Sehr bald.


Schreie erfüllten die Nacht. Es die Luft war erfüllt von Rauch und dem Gestank von Verwesung und verbranntem Fleisch. Er rollte von seinem Strohbett und übergab sich auf den Boden, bevor er taumelnd auf die Füße kam. Er griff nach seiner Hacke. Er wusste nicht wozu, Flammen konnte er nicht verprügeln. Doch etwas sagte ihm er würde sie noch brauchen. Er hastete aus dem Haus und hatte Mühe sich nicht direkt wieder zu übergeben als ihm der Rauch und Gestank mit voller Wucht entgegenschlugen. Bei den Göttern, was war hier geschehen? Er konnte vor lauter Rauch kaum etwas erkennen, doch das was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Verbrannte, zerfetzte Körper lagen auf den Straßen, einige bis zur Unkenntlichkeit entstellt, andere starrten voller Grauen in die Leere, ein letzter stummer Schrei auf den toten Lippen. Tränen flossen seine Wangen herab während er sich vorwärts quälte und mehr und mehr seiner Freunde und Nachbarn unter den Toten erkannte. Er erstarrte. Hatte sich der Körper eben bewegt? Er musste sich irren, ein soches Grauen konnte nicht real sein. Vermutlich hatte der Rauch sein Gehirn bereits umnebelt. Der Körper seines Bruders erhob sich, völlig entstellt von Verbrennungen und aufgerissenem Fleisch, nur noch zusammengehalten von einigen Sehnen und Hautfetzen. Und schlurfte auf ihn zu. Nein. Das war nicht mehr sein Bruder. Diese Abscheulichkeit hatte nichts mehr mit seinem Bruder gemein. Er holte aus und schlug zu. Er weinte bittere Tränen während er seinem Bruder die Reste seines Schädels einschlug. Als er wieder etwas erkennen konnte mit seinen tränenden Augen, stapfte er weiter. Er wusste nicht wie, doch seine Schritte hatten ihn zum Marktplatz getragen. Hatte er gedacht das Grauen, seinen eigenen Bruder erschlagen zu müssen, wäre schlimmste gewesen was das Universum zu bieten hatte, wurde er nun eines besseren belehrt. Mitten auf dem Platz stand Er. Umgeben von einem Wirbelsturm aus Blut und Knochen, flüsternd in einer Sprache die er nicht verstand, die Arme in den Rauchverhangenen Himmel gestreckt, den Kopf in den Nacken gelegt. Gehüllt in schwarze Roben die ihm viel zu weit zu sein schienen und die viel zu sauber schienen in Anbetracht all des Chaos und der Verwüstung um ihn herum. Er schien ihn nicht zu bemerken und so versteckte er sich hinter den Resten einer Hauswand. Was ging hier nur vor? Warum hatten die Götter ihn so bestraft? Was hatten sie nur verbrochen dass ihnen das Schicksal so etwas antat? Während er dort hockte und verzweifelte hörte er es plötzlich. Ein Flüstern, kehlig und verstörend. Er fuhr herum doch niemand war bei ihm. Fürchtest du den Tod? Warum fürchtest du den Tod? Warum fürchtest du was du weder kennst noch begreifst? Die Stimme war in seinem Kopf. Sie übertönte seine Gedanken, seine Gefühle, seine Angst. Er merkte gar nicht mehr wie er sich erhob und zur Mitte des Platzes ging. Seine Hacke hatte er irgendwo verloren und taumelte er vorwärts, benommen, die Arme taub an seinem Körper hängend. Der Mann drehte sich um zu ihm und seine kalten, leeren Augen starrten ihm direkt in die Seele. Er hatte keine Angst mehr, er war vollkommen ruhig. Was war sein Leben denn schon wert im großen Fluß des Seins? Worum fürchtete er?  Er blickte den Mann an. Und plötzlich kehrte die Angst zurück. Sein Gesicht war Veränderung. Es schien sich ständig zu ändern, zu fließen, wie flüssiges Metall. Nur die Augen blieben immer gleich. Der Mann lächelte. Es war ein kaltes Lächeln, ohne jede Freundlichkeit. Trauere nicht um deine Zeit, du dienst nun der wahren Bestimmung. So wie all deine Freunde. Bei diesen Worten bohrte sich eine Klinge in seinen Körper. Der Schmerz war überwältigend und in seinem Kopf schrie er aus voller Lunge. Doch er stand nur da und auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, ein Lächeln ohne jede Freude. Dann wurde es schwarz um ihn.


Er stand inmitten der Verwüstung, zufrieden mit seinem Werk. Es hatte begonnen. Bald würde diese Welt in Chaos und Zerstörung ertrinken. Dann würde er sein Ziel erreichen. Nur aus vollendetem Chaos konnte wahre Ordnung entstehen. Während um ihn herum das Leben aus allem wich, stand er nur da und lächelte, während sich die Flammen in seinen kalten Augen spiegelten. Diese goldenen Augen.




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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 03, 2021 ⏰

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