1. Abiball

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Ich humpelte barfuß neben meinen beiden besten Freundinnen Leticia und Frida über den Parkplatz des alten Kesselhauses, während ich meine High Heels in meiner Hand trug und der untere Saum meines bodenlangen tiefroten Ballkleides über den Asphalt schleifte. Meine Füße schmerzten von dem langen Tanzen in den hohen Schuhen. Es war mittlerweile drei Uhr nachts und wir verließen gerade die Location unseres Abiballs. Wir waren nun alle schon etwas müde, aber immer noch bestens gelaunt. Nachdem unsere Eltern die Feier schon vor einigen Stunden verlassen und wir mit unseren Mitschülern und Freunden noch einige Zeit weitergefeiert hatten, hatten auch wir jetzt beschlossen, den Weg nach Hause anzutreten. „Das war echt ein verdammt schöner Abend.", meinte Leticia und wir stimmten ihr nickend und lächelnd zu. „So werde ich unsere Schulzeit doch noch in guter Erinnerung behalten.", meldete sich auch Frida zu Wort. Die Schwedin sah in ihrem eleganten royal-blauen Kleid und mit den langen blonden Haaren, trotz der doch etwas anstrengenden letzten Stunden immer noch fantastisch aus.

Wir kamen an einer Bank am an die Straße grenzenden Rand des Parkplatzes zum stehen und setzten uns vorsichtig, mit Rücksicht auf unsere feinen Kleider auf einen großen Findling. Das Licht einer Straßenlaterne schimmerte durch die Blätter der alten Linde neben uns. Der Himmel war bewölkt, wodurch es trotz der späten Nachtzeit noch recht mild war und lediglich ein leichter Wind für ein kühles Gefühl auf unserer Haut sorgte. Ich kramte in meiner Clutch nach meinem Handy, während die anderen beiden immer noch über den Abend redeten und darüber diskutierten, wer denn das schönste Kleid getragen hatte. Frida war da wie immer anderer Meinung als Leticia, die konsequent ihre Vorliebe für alle schwarzen Abendkleider vertrat. Wobei ich zugeben musste, dass ihr die Farbe wirklich gut stand und gerade ihr spitzenbesetztes Oberteil ihre Kurven schön umspielte. Ich suchte mir im Internet die Nummer eines Taxiservices heraus und wählte diese. Am anderen Ende der Leitung erklang nach einigen Sekunden die Stimme eines alten, etwas müde und genervt klingenden Mannes: „Taxiservice, guten Morgen, was kann ich für Sie tun?" „Hallo, hier ist Liana Reuther. Ich würde gerne ein Taxi für drei Personen zum alten Kesselhaus bestellen.", versuchte ich, dem Alten so freundlich wie möglich auf seine Frage zu antworten. Er erwiderte dafür nur etwas mürrisch, dass er ein Taxi losschicken würde, dies aber durchaus 20 bis 30 Minuten dauern könne.

Nachdem ich mein Handy wieder weggesteckt hatte, widmete ich mich wieder meinen Freundinnen. „Dauert leider noch ein bisschen, bis das Taxi kommt... Ihr glaubt nicht wie sehr ich mich gleich auf mein Bett freue und dann hoffe ich, dass ich möglichst lang schlafe, damit die Zeit schneller vergeht. Morgen ist es endlich soweit, könnt ihr das glauben? Nach der ganzen anstrengenden Abizeit haben wir jetzt einen ganzen Sommer zum Entspannen nur für uns und das auch noch mit dem Strand direkt vor der Tür." Innerlich hatte ich mir die ganzen letzten Wochen schon ausgemalt, wie wir morgens aufstehen, in der spanischen Sonne frühstücken und dann den ganzen Tag am Meer verbringen würden. „Viel besser, wir haben die besten Partys direkt ums Eck.", mischte sich Leticia freudig ein. Sie war die einzige von uns, die schon öfter dort gewesen war, da das Haus, in dem wir wohnen würden, ihren Großeltern gehörte. „Schon merkwürdig, dass sich deine Großeltern ein Haus ausgerechnet in einer Gegend mit sehr ausgiebigem Nachtleben gekauft haben." „Tja, auch die beiden hatten mal ihre wilden Zeiten. Ne, keine Ahnung, als sie das Haus gekauft haben, waren sie ja auch schon fast in Rente, aber ich glaub das Haus war einfach relativ bezahlbar. Mir ist das Warum ziemlich egal, mir, Lucía und unseren Cousins haben sie damit einen großen Gefallen getan, auch wenn sie das Haus dann den Sommer über selbst kaum nutzen können." „Kommen die diesen Sommer auch?", hakte Frida nach. „Denke, die werden mit Sicherheit mal ein oder zwei Wochen Meer genießen wollen, aber Party und Sonne haben die in Madrid auch. Wenn sie uns nerven, schicken wir sie einfach zurück." „Klingt nach einer tollen Idee."

„Langsam wird es aber frisch, das Taxi soll endlich kommen.", bemerkte Frida und rieb sich mit ihren Händen über ihre Schultern, die von ihrem trägerlosen Kleid nicht bedeckt wurden. In diesem Moment sah ich am Ende der Straße die Scheinwerfer eines Autos. Tatsächlich hielt es wenig später direkt vor uns. Wir quetschten uns zu dritt auf die Rückbank. Bis wir alle saßen dauerte es mit unseren langen Kleidern aber doch ein bisschen. Leticia wäre beim Einsteigen fast hingefallen, als sie auf ihr Kleid getreten war. Frida erklärte dem Fahrer, der um ein Vielfaches netter war als der Mann in der Zentrale, derweil, wo er uns hinbringen sollte.

„Ach verdammt, wann fliegen wir morgen nochmal?", fragte Leticia plötzlich in die Stille. „Der Flug geht um 13.40Uhr, aber meine Mutter fährt uns und wir fahren zwischen elf und halb zwölf bei uns los. Bis zum Flughafen wird bestimmt viel Verehr sein und ich würde ungern Stress am Flughafen Stress haben." „Ja, Mama." Frida war manchmal wirklich die Mama in unserer Gruppe. Sie organisierte und hatte immer alle Möglichkeiten, Eventualitäten und Komplikationen im Blick. Aber genau dafür liebten wir sie. Würde ich organisieren, würde alles funktionieren, aber nicht gut durchdacht und geplant sein und bei Leticia gäbe das eine einzige Katastrophe. Sie würde es wahrscheinlich schaffen ein Ferienhaus in St. Petersburg in Florida zu mieten, aber Flüge nach St. Petersburg in Russland zu buchen. „Könnte trotzdem sein, dass es länger dauert. Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch meinen Koffer packe und wer weiß, wann ich morgen früh wach werde und aufstehe." „Leticia, ich schwöre dir, wenn wir wegen dir den Flug verpassen, lass ich dich das nächste Mal ganz zu Hause. Du bist doch die, die schon öfter den ganzen Sommer weg war, du solltest doch wissen, dass man dafür ganz schön viel braucht und sich vielleicht früher darüber Gedanken machen sollte. Ich habe mir schon vor paar Wochen überlegt, was ich brauche und mir dann einen neuen Bikini und ein Strandhandtuch gekauft. Gestern habe ich dann alles eingepackt und es war gar nicht so schwer und nicht viel Arbeit." „Ja, aber ich bin nicht du und das ist auch mein Glück. Ich bin bisher immer gut damit zurecht gekommen, dass ich einfach meinen halben Kleiderschrank in den Koffer geschmissen habe und wenn ich was vergessen habe, hat mir meine abuela geholfen." „Deine Oma ist manchmal viel zu gut zu dir." „Ich weiß, sie ist die Beste und da müsst ihr mir zustimmen, denn immerhin lässt sie auch euch mehrere Monate in ihrem Haus wohnen." „Ja ist ja gut. Ich hoffe trotzdem, dass du morgen rechtzeitig fertig bist und im Optimalfall nichts vergessen hast." „Ich werde mein Bestes geben, Frida, wenn es dich beruhigt." „Ja, tut es. Ansonsten steh ich morgen einfach eine viertel Stunde früher bei dir vor der Tür und helfe dir." „Das ist eine tolle Idee, aber bitte lass mir trotzdem meinen Freiraum. Ich leg da manchmal auf anderes mehr Wert als du." „Okay, abgemacht ich helfe dir morgen, aber ich glaube, du bist gleich schon da." Tatsächlich hielt der Taxifahrer kurz darauf an und ließ Leticia aussteigen. Wir verabschiedeten uns voneinander. Wenig später waren auch Frida und ich zu Hause angekommen. Uns konnte der Taxifahrer an derselben Stelle rauslassen, da wir praktisch Nachbarn waren. Als Frida und ihre Familie vor knapp zehn Jahren hierher gezogen waren, hatte ich direkt geschaut, wer denn das fröhliche blonde Mädchen war, das da zwischen den Umzugshelfern hin und herrannte. Seitdem waren wir beste Freundinnen. Leticia hatte sich uns erst auf dem Gymnasium angeschlossen, da sie in einem anderen Stadtteil lebte.

Ich bezahlte den Taxifahrer und stieg dann unmittelbar nach Frida aus dem Wagen aus. Auch wir beide verabschiedeten uns und wünschten uns eine gute Nacht. Auch ich bekam von Frida nochmal den Hinweis pünktlich zu sein, auch wenn sie selbst wusste, dass sie sich bei mir weniger Gedanken machen musste. „Bis morgen dann, ich kanns kaum erwarten." „Oh glaub mir, ich auch nicht. Bis morgen." Wir drückten uns noch kurz, dann verschwand Frida auf der anderen Straßenseite und ich schloss leise unsere Haustür auf. Schnell machte ich mich auf den Weg ins Bad, entfernte mein Make-up und putzte mir die Zähne. Dann fiel auch ich ganz schnell ins Bett und schlief ein. 


*Dies ist das erste Kapitel meiner neuen Geschichte. Ich habe seit Ewigkeiten mal wieder mit dem Schreiben angefangen und würde mich über Feedback und konstruktive Kritik freuen :) 

Viel Spaß beim Lesen! 

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