Kapitel 15

67 1 0
                                    

𐤟Julia𐤟

Ich setze mich in den Rollstuhl. Obwohl nur ein Bein gebrochen ist, fällt es mir auf Dauer schwer die Krücken zu benutzen. Nachdem die Ärzte, die gerade zu Visite bei mir waren meinen Raum verlassen haben, habe ich beschlossen eine kleine Runde in den Klinikpark zu gehen oder eben zu rollen.
Die Sonne strahlt mir entgegen und mich überkommt trotz der eisigen Kälte ein warmes Gefühl, als ich das Johannes Thal Klinikum verlasse.  Mein Blick landet auf der Bank, auf der Lenni und ich vor einer guten Woche gemeinsam die Mittagspause verbracht haben. Ich mag ihn gern und das habe ich damals schon festgestellt. Ja, vielleicht habe ich mich auch ein klein wenig in ihn verschossen. Aber die Tage hier im Klinikum haben mir nicht nur ein paar schöne Stunden mit Lenni gebracht, sondern auch viel Zeit zum Nachdenken. Immer wieder fange ich an zu zweifeln. Was ist überhaupt das richtige für mich? Ich weiß, dass ich eine Familie möchte, einen Mann, der mich unterstützt und liebt. Aber das alles schien noch so ungreifbar. Und jetzt taucht ein netter, loyaler und dazu noch attraktiver Mann direkt vor meiner Nase auf und ich habe das Gefühl wegrennen zu müssen. Vor der Liebe und all dem, was sie mit sich bringt. Ich habe Angst, dass gerade wenn ich mich auf darauf einlassen erneut zu lieben, alle meine Hoffnungen, Träume und Wünsche nicht in Erfüllung gehen werden. Das Leben hat mir schon oft gezeigt, dass es sich nicht planen lässt. Dass Dinge, von denen man dachte, man würde wissen, wie sie enden, doch einen ganz anderen Lauf genommen haben. Letztes Jahr dachte ich noch, ich würde dieses Jahr in der USA leben und dann haben Niklas und ich uns am Flughafen getrennt. Danach hatte ich häufig das Gefühl, all das, was mir in irgendeiner Form wichtig ist festhalten zu müssen. Ich möchte dem ganzem Leid ein Ende setzten und mein Leben selbst bestimmen. Das ist auch ein Grund, weshalb ich mich dazu entschieden habe, meine Eizellen einfrieren zu lassen. Wenn das Leben meint mir meinen Kinderwunsch nicht in der möglichen Zeit erfüllen zu wollen, habe ich eben schon vorgesorgt. Manchmal wäre es mir ganz recht, möglichst viel in der Zukunft planen zu können.
Und doch wurde mir letzte Woche wieder einmal bewiesen, dass sich nicht alles nach meinen Erwartungen richtet. Lenni ist toll. Wirklich toll. Aber jetzt? Ich hatte vor mir eine neue Wohnung zu suchen, ich brauche jede freie Minute für das Kinderwunschzentrum und nebenbei muss ich es auch noch irgendwie schaffen mir die Hormone für die [Folikel]Bildung zum exakt gleichen Zeitpunkt zu spritzen. Wie sollte das mit noch einem Menschen in meinem Leben klappen, der mir wichtig ist und dem ich wichtig bin?

And the chaos within me found balance Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt