Kapitel 9

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Langsam öffnete ich meine Augen. Ich blinzelte mehrmals, da die Herbstsonne in mein Gesicht schien. Heute war Samstag und ich konnte zum Glück ausschlafen. Ich setzte mich auf und bemerkte, dass ich in meinem Bett aufgewacht war. Anscheinend hatten mich meine Eltern gestern Abend noch in mein Zimmer getragen, nachdem ich auf dem Sofa eingeschlafen war. Auf der Treppe lief ich meinem Vater entgegen, der mir mit einem „Na du Schlafmütze!“, über die Schulter streichelte. Ich frühstückte gerade, als es an der Tür klingelte. Meine Mutter öffnete sie und rief mich. An der Tür stand Vanessa. Sie lächelte mich an und fragte mit einem wilden Unterton: „Kommst du heute mit zum Training?“ Ich sah meine Mutter an, die nun lächelnd nickte. „Na klar!“, lachte ich und wollte Vanessa folgen. „Willst du wirklich so rausgehen?“, fragte diese mit einem irritierten Blick. Ich sah an mir herunter und wurde augenblicklich rot. Ich trug meinen rosanen Prinzessinnenschlafanzug. „Gib mir fünf Minuten.“, befahl ich und rannte hoch in mein Zimmer.

Genau vier Minuten und 39 Sekunden später stand ich außer Atem vor Vanessa und hielt meinen Fahrradhelm in der Hand. Zusammen radelten wir zum Teufelstopf, wo die anderen bereits warteten. „Da seid ihr ja endlich!“, rief Marlon uns schon entgegen. Wir stiegen von unseren Fahrrädern ab und fingen an, Fußball zu spielen. Diesmal war ich mit Jojo, Vanessa, Joschka und Juli im Team. Es stand bereits 7:8 für unser Team, als es plötzlich anfing zu regnen. Wir wollten unter den Sonnenschirmen Schutz suchen, als Marlon plötzlich rief: „Seid ihr aus Zucker, oder was?“ „Nein, ihr wollt einfach nicht einsehen, dass ihr verloren habt.“, entgegnete Juli nun. „Ach was!“, brüllte Leon, „Kacke verdammte, ihr seid einfach nicht wild genug. Gebt es doch zu!“ Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Wir stürmten zurück aufs Feld und spielten weiter. Der Regen wusch den Schweiß von unserem Körper und den Dreck aus unserem Gesicht. Als wir ein weiteres Tor schossen, wandte sich Vanessa an Leon und sah ihn provozierend an: „Wer ist hier nicht wild genug?“ „Das werden wir noch sehen", antwortete Leon und ging zurück auf seine Position. Und tatsächlich gewann seine Mannschaft das Spiel haarscharf. Wir hätten eine Revanche gespielt, aber der Regen nahm immer mehr zu und bald hörte man auch Donnergrollen. Wir setzten uns in das leere Kiosk und tranken Limonade.

Plötzlich griff Raban etwas auf: „Wisst ihr noch, letzten Frühling? Das war ganz schön wild!“ „Ja, und du warst der Held, Raban.“, grinste Leon. „Der Held mit der Coca-Cola-Glas-Brille!“, ergänzte Joschka und alle mussten lachen. „Lasst uns Yara doch von letztem Sommer erzählen", warf Jojo ein, nachdem ich eine Weile lang nichts mehr gesagt hatte. Jojo lebte wie Markus im Waisenhaus und spielte in seiner Freizeit immer Fußball. „Im letzten Frühling wurden wir, die wilden Kerle, zum ersten Mal wirklich auf die Probe gestellt.“, begann Jojo. „Genau! Und es wäre fast unser Ende gewesen. Verflixt!“, warf Vanessa ein. „Denn wir mussten die unbesiegbaren Sieger besiegen. Und den dicken Michi!“, übernahm Jojo nun wieder, wobei er die letzten Worte regelrecht ausspuckte. Als er seinen Satz beendet hatte, hörten wir ein besonders lautes Donnern, das alles unterstreichen zu wollen schien. „Aber wir waren verflixt nochmal wild. Sehr wild sogar!“, fuhr der Junge aus dem Waisenhaus fort.

Der Regen ließ langsam nach, als wir uns auf den Rückweg machten. Wir fuhren durch besonders tiefe Pfützen und durch den besonders matschigen Schlamm, denn wir waren wild.

Als ich abends frisch geduscht in meinem Bett lag, ging mir die Geschichte, des dicken Michis nicht mehr aus dem Kopf. Mir war zwar klar, dass die wilden Kerlen wirklich wild waren, aber mir war nicht bewusst gewesen, womit ich es hier zutun hatte. Ich war sehr froh, auf ihrer Seite zu sein. Und nicht nur, weil ich dann auf der sicheren Seite war, sondern auch, weil ich mich in ihrer Nähe verdammt wohl fühlte.

Dafür leg ich meine Beine ins Feuer~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt