Prolog

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Feucht und kalt zog der Wind durch die schmalen Spalten der Bretterwand und lies die Fackel flackern. Eine dünne Rauchsäule, ausgehend von der Kerze, die auf einem Stapel dicker Bücher thronte, kringelte sich an die Decke. Erfüllt wurde die Stille nur von dem leisen Kratzen einer Feder, die von alter Hand geführt, geschwungene und edle Buchstaben aus Tinte, schwarz und endgültig, auf das Pergament malten.
Der Mann, zu dem die Hand gehörte, saß vor einem niedrigen Schreibtisch, auf einem viel zu hohem Stuhl, was ihn zwang äußerst gebeugt seine Arbeit zu verrichten.
"Nur noch eine Seite, dann endlich gehe ich schlafen. Ach bin ich müde.", flüsterte der Greis vor sich hin.
"Mach doch die Augen ein wenig zu - nur ganz kurz.", säuselte eine schattenhafte Stimme in das Ohr des Mannes. Dieser fiel mit dem Kopf vornüber auf den Tisch, wobei er die Kerze umwarf, welche das alte, trockene Leder der Wälzer sofort in Brand steckte.
Bücher, Tisch, Pergamente fingen an zu qualmen und schließlich zu brennen.

In dieser Nacht verbrannte der alte Narr, wie ihn die Leute gern nannten, mit Haut, Haar, Hab' und Gut vollkommen. Einige der ältesten Dorfbewohner wussten wer er war, wer er wirklich war. Bei den jüngeren war er als herrvorragender Ratgeber der Heilkunst und des alten Wissens bekannt. Für die Kinder war er einfach ein netter Geschichtenerzähler.

"Hee Erala! Erala! Hey, hörst du mich?"
Erala schreckte auf. Ungläubig hatte sie auf den Haufen Asche geblickt, der von der Hütte des alten Narren geblieben war.
Sie zuckte zusammen, als ihr jemand die Hand auf die Schulter legte. Als sie herumfuhr um denjenigen zu strafen, erkannte sie Haselb, ihren besten Freund. Ein schmächtiger Jüngling, von fahler Haut und dürren Gliedmaßen. Er trug seine Haare nach neuester Mode - dachte er jedenfalls, denn den Frauen im Dorf war er immer ein Grund zum lachen.
"Traurig, nicht wahr? Aber komm, dein Verlobter sucht dich.", sprach Haselb auf sie ein.
"Ich will nicht zu ihm.", antwortete sie.
"Du weißt, du musst.", widersprach Haselb.
Erala seufzte schicksalsergeben auf.
"Ja ich weiß...die Sitte verlangt es." Dabei verdrehte sie die Augen.
"Lass uns gehen, bevor mein Versprochener den Weinschlauch attraktiver findet."

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