Mimi,
als ich drei war kamst du zu uns. Es scheint so lange her zu sein und doch fühlt es sich an, als wäre es erst gestern. Unsere gemeinsame Zeit war zu kurz.
Unsere ersten gemeinsamen Momente scheinen in Vergessenheit geraten zu sein und doch erinnere ich mich daran, dass du unter dem großen Sofastuhl geschlafen hast, immer darauf bedacht vor und nach dem Nickerchen deine Krallen im Polster zu wetzen. Mein Papa musste den Stuhl unzählige Male mit Klebeband reparieren, damit die Füllung nicht herausquellen konnte.
Als meine Tante dich zu uns brachte und ich voller Vorfreude vom Kindergarten nach Hause kam, war die Enttäuschung unendlich groß, als du nicht aufzuwinden warst. Glaub mir, du hattest ein fantastisches Versteck, du hast dich nämlich auf die Garderobe hinter die Jacken von meinem Papa gesetzt und geduldig gewartet, bis wir irgendwann mal dahinter nachgesehen haben.
Ein einziges Mal bist du weggelaufen. Nicht weit, nein aber die Angst um dich hat mich schier umgebracht. Wie sich später herausgestellt hatte, warst du in unserem großen Schuppen, doch als wir dich suchten, warst du dort nicht aufzufinden.
Du warst vor deiner Krankheit nur zweimal beim Tierarzt. Ich bin stolz auf dich, den innerhalb dieser 12 Jahre waren nur eine Kastration (tut mir Leid, aber meine Zimmertür und die Blumen meiner Mum sind nun wirklich kein Klo) und ein wenige Medizin aufgrund von Fieber nötig gewesen. Vielleicht sollten wir noch über deine tränenden Augen reden, wegen denen wir dich in die Transportbox gesetzt haben und zum Tierarzt fahren wollten.
Wir kamen nicht weit, noch vor der Haustüre hattest du bereits die Tür deiner Box zerstört und warst auf der Flucht - nach ein paar Tagen warst du dann wie von selbst wieder gesund und wir waren froh, dich nicht in diese Box hineingezwungen zu haben.
Du hast gerne in meinem Bett geschlafen, ich mochte das wirklich. Wenn ich morgens aufgewacht bin und meinen Kopf drehte haben mich so oft deine gelbgrünen Augen angeblinzelt und dein Schnurren hat einen wunderschönen Start in den Tag mit sich gebracht.
Dass du dich auf meine Bücher gelegen hast, damit ich dich streichle anstatt zu lesen hat mich oft genervt aber du bist das wichtigste in meinem Leben, du warst mir schon immer wichtiger als alles anderer.
Zudem hast du dich gerne in meinen Schrank, auf meine Schulsachen, auf meine und Papas Kleidung und auf jegliche ungünstige Orte, wie in die frischgeputzte Dusche oder Badewanne gelegt. Auch der Dreckwäschebehälter wurde von dir in Anspruch genommen.
Jedes Mal, wenn Papa mit dir und dem Meterstab gespielt hat und du dich voller Tatendrang, Ehrgeiz und Freude auf dem Boden gekugelt hast, hat mein Herz kleine Hüpfer gemacht. So oft hast du dich zu mir gelegt, wenn es mir nicht gut ging, hast geschmeichelt und mir geholfen, mich zu beruhigen.
Als ich im März diesen einen Nervenzusammenbruch hatte, warst du da und hast mich aufgefangen, deine alleinige Anwesenheit hat mich einfach nur beruhigt und ich wusste, okay ich bin zuhause und alles ist und wird gut, solange du da bist.
Nie hätte ich gedacht, dass meine Nachbarn auch eine Katze bekommen werden und dass ihr euch die selbe rotorange Fellfarbe und den selben Geburtstag - 27.09. - teilen würdet. Ihr habt euch immer durch die Fensterfront angesehen, musstet wissen, was der jeweils andere tut und sobald ihr draußen wart, wart ihr ganz schüchtern und jeder auf sich selbst bedacht. Vielleicht hättet ihr einfach nur mehr als dieses dreiviertel Jahr zusammen gebraucht, um wirklich gute Freunde zu werden.
Vor ein paar Jahren war ich mit meiner Klasse in England, beim packen hattest du dich in meine Koffer gelegt und gar nicht drangedacht, da wieder raus zu gehen. Als ich schließlich eine Woche später von dieser Reise wieder daheim war, hast du mich keines Blickes gewürdigt und mich einfach ignoriert. Du warst mir ehrlich beleidigt und ich kann das verstehen.
Jeden Freitag kommt die Fernsehserie Hubert und Staller im Fernsehen. Irgendwann wurde es Tradition, zwischen mir und meine Mum diese immer anzusehen. Du warst auch immer dabei. auf dem rechten Teil unseres Sofas hast du noch immer deine Decke, die mit dem Leopardenmuster. Manchmal hast du dich von selbst zu mir gelegt und besonders in der letzten Zeit habe ich dich gesucht und auf die Decke gepflanzt. Du hast gerne fernsehen geschaut, auch wenn du die meiste Zeit geschlafen hast oder dein Blick lieber auf mir als auf dem Bildschirm lag.
Oft habe ich mich aufgeregt, dass wenn man nur einmal durchs Haus geht und man etwas schwarzes anhat, selbst wie eine Katze aussehen würde. Dein rotoranges langes Fell hat sich immer an mich geheftet und jetzt? Jetzt wünschte ich mir, es wäre wieder so. Jetzt möchte ich dich erneut in meine Arme schließen und meinen Kopf in deinem dichten Fell vergraben, mit den Fingern dein weißes Kinn kraulen und zusehen, wie Papa die an deinem kitzligen Bein kitzelt. Mama soll dich wieder rufen, sagen es gibt essen und du sollst wieder die Treppen hinunterflitzen. Einer soll den Kühlschrank öffnen und du sollst sekundenspäter unter der Tür sitzen und hoffen, dass du ein Stück Leberkäse, Schinken oder einen Schluck Sahne bekommst. In der Früh sollst du voller Enthusiasmus auf den Teppichen zum Verzweifeln Aller deinen Krallen wetzen, weil die Küchentür zugesperrt wurde. Und sobald sie offen ist, musst du zu deinem Kratzbaum sausen und von oben alles beobachten.
Im Winter musst du von Fensterbrett zu Fensterbrett hetzten, weil am Vogelhaus die Vögel die Essensvorräte plündern und um Sommer, weil draußen Katzen, Eichhörnchen und der ein oder andere Vogel vorbeihuschen.
Wer wartet jetzt auf dem Fensterbrett neben der Tür, wenn wir alle nicht daheim sind, bis wir wieder daheim sind?
Wer stellt sich jetzt auf die Sofalehne und hackt die angelehnte Terassentür mit der Pfote auf, um rauszukommen?
Wer miaut jetzt so lange, bis die Haustüre für einen Gartengang geöffnet wird, nur um dann unschlüssig in der Türschwelle zu stehen?
Und wer legt sich jetzt, damit Mama verzweifelt und Papa die Kriese kriegt, in die saubere und gebügelte Wäsche?
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Gedankenströme
Short StoryGedankenströme schießen ihr in den Kopf, flutartig und wie überdimensionale Wellen brechen sie herein. Und sie bringt sie zu Papier, bändigt sie und verewigt die meist bruchstückhaften Werke in einem Schreiben. Ge·dan·ke, Gedanken /Gedánke,Gedánke...