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"Grace, du hast dir aber Zeit gelassen.",
mit einem schelmischen Grinsen öffnet Jonathan mir die Türe und ich schlucke schwer, als seine Zunge über seine Lippe fährt. Mit einer Schulter im Türstock gelehnt beobachtet er meine Mimik, die ich versuche vergeblich unter Kontrolle zu bekommen.

Schließlich atme ich tief durch und drücke ihm den Karton an die Brust. Grinsend nimmt er ihn entgegen und öffnet ihn. "Schade, ich dachte du bringst mir Spielzeug mit." Sein Blick wandert zu meinen Brüsten und erneut schlucke ich hart. Nervös streiche ich über die Striemen an meinen Handgelenken und wende den Blick an.

Ein paar Sekunden schweigen wir uns an. "Komm doch rein.", er stellt seine Klamotten auf die Gaderobenablage und will mich an meinem Arm packen, da ich mich sichtlich zurückhalte. "Nein.", fauche ich ihn an und skeptisch hebt er eine Augenbraue um sein Missfallen auszudrücken. Ich schüttle energisch den Kopf. "Was sollte das gestern, Jonathan?", flüstere ich ihm zu und hebe langsam meinen Blick.

Er zögert einen Moment, fast wirkt er nervös, gar scheint er seine Tat zu bereuen und doch fasst er sich im nächsten Moment wieder um ein selbstgefälliges Lächeln auf sein Gesicht zu setzen. "Du wolltest es doch auf, es war doch dein Wunsch, Darling." Und unzählige Gedanken schießen mir in den Kopf, was ist, wenn ich durch die Hektik einfach nur verdrängt hatte, das es tatsächlich mein Wunsch war. Was ist, wenn er die Wahrheit sagt und ich ihm unrecht tue?

Meine Augen suchen in den seinen einen Ausdruck. Den Ausdruck, der mir die Wahrheit zeigen soll und doch erkenne ich in ihnen Nichts. Wann haben wir uns so sehr verloren, dass wir uns nicht einmal so voller Wahrheit und Liebe ansehen können? Tief atme ich ein. "Ich brauche Abstand." Erneut hebt er seine Augenbrauen und runzelt somit die Stirn. "Das kannst du nicht entscheiden, ich habe Bedürfnisse."

"Jonathan, lass uns eine Pause machen.", Tränen steigen in meine Augen und sie werden langsam glasig. Er schüttelt den Kopf und ein hämisches Lachen entkommt seinen Lippen. "Grace, wir sind gerade eben wieder zusammen gekommen." Und auch ich schüttle den Kopf. Ich muss auf Abstand gehen, mir über dieses Beziehung bewusst werden. Ich liebe diesen Mann und doch muss ich auch an mich denken.

Jonathans Gesichtsausdruck wird hart und seine Augen scheinen vor Wut zu brodeln, seine Halsschlagader pulsiert gefährlich, als sein Arm erneut nach dem meinen greift und ich weiche in Richtung Treppengeländer aus. "Jonathan.", mahnend und mit einer zittrigen Stimme versuche ich ihn von unüberlegten Taten abzuhalten, er muss mich doch akzeptieren.

"Komm rein, Grace.", seine Stimme klingt so streng und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. "Wir klären das Drinnen." Eine Träne läuft über meine Wange und ich wische sie energisch weg. Keine Schwäche zeigen, Grace. Mit einem erneuten Schritt auf mich zukommend brechen die Erinnerungen der letzten Nacht über mich ein.

"Du bist ein Sadist.", hilfesuchend klammere ich mich an das Geländer und blicke mich hektisch um. Der Aufzug ist am anderen Ende des Flurs. Jonathans amüsiertes Lachen reißt meinen Blick zurück auf sein markantes Gesicht. "Heul nicht. Ich habe dir nie unrecht getan.", spricht er tonlos und macht Anstalten seinen Arm auf meine Hüfte zu legen. 

"Fass mich nicht an. Du hast mich geschlagen.", flüstere ich und im selben Moment durchfährt meine Wange ein stechender Schmerz. Zum Zweiten Mal. Wie fest gefroren stehe ich nun vor ihm, langsam lege ich meine Hand an meine brennende Wange und fühle mich nicht in der Lage mich zu wehren. Er hat mich erneut geschlagen. Er hatte mir versprochen es nie wieder zu tun, schießt es in meinen Kopf und stocksteif weiten sich meine Augen, während er mich aggressiv anfaucht.

"Komm jetzt mit rein und spinn nicht rum, Grace. Ich will nicht, dass die Nachbarn hier rumgeiern.", er packt mich wie schon so oft am Handgelenk und zieht mich mit sich zurück in seine Wohnung. Mit den Worten, "Setz dich hin.", drückt er mich auf die Couch und die Erinnerungen von meinem Traum kommen erneut hoch. 

"Lass mich gehen, Jonathan.", hauche ich kraftlos und bin mir sicher, er wird es nicht tun. Schließlich hat er mich nicht nur einmal als Seines bezeichnet. Wieder fallen die Tränen über mein Gesicht und er stellt sich knurrend vor mich. "Reiß dich zusammen.", seine Hand packt mein Kinn und zwingt mich somit ihn anzusehen.

Ein Lächeln liegt auf seinem Gesicht und ich erkenne nun die Genugtuung  und Lust, die ihm bei jedem Schlag, mit dem er mich im Gesicht trifft und den jeder meiner unterdrückten Schreie verdeutlicht, ins Gesicht geschrieben stehen. Nach zehn Schlägen höre ich auf zu zählen und wimmernd möchte ich den Versuch starten, mich aus seinen Zwängen zu befreien.

Ein raues Lachen unterbindet den Versuch und er flüstert mir ein paar unschöne Worte in mein noch immer loderndes Ohr, "Du bist eine nutzlose kleine dreckige Hure, gib dich mit dem Hier zufrieden, schließlich hat dir der Orgasmus von gestern größte Zufriedenheit mitgebracht also stell dich nicht so an. Zudem bin ich kein Sadist, Darling, du kennst nur einfach meine Vorlieben nicht."

Ängstlich wende ich den Kopf ab. Von keiner seiner Vorlieben möchte ich erfahren und doch teilt er mir seine Gedankengänge mit. "Nun weißt du was geschehen kann, nicht nur das, nein, ich kann noch so viel  mehr, wenn du dich mir erneut widersetzt." Mit einem abfälligen Ausatmen lässt er meinen Kopf los und weißt mich darauf hin, dass ich nun gehen kann.

Zitternd stehe ich auf. Nie dachte ich, er würde so sein, nicht einmal in meinen kühnsten Träumen. Bei der Türe, mit wackligen Beinen, angelangt blicke ich in sein Gesicht. "Warum tust du das? Du liebst mich doch." Und er lacht ironisch auf. "Natürlich liebe ich dich, Darling, dein Körper ist doch nur Nebensache und die Tatsache, dass du mir gehörst doch auch."

Mit zwei Handgriffen stößt er mich aus der Tür und verschließt sie hinter mir, mit den Worten: "Für heute Abend lass ich mir ne Andere herschicken, morgen bist du wieder dran. Hoffe für dich du gehorchst mir dann besser, Darling."

Vor der Türe beeile ich mich in den Aufzug zu hetzen und drücke dann hektisch alle möglichen Knöpfe. "Was war das?", stelle ich mir die bedeutende Frage in meinem Kopf laut. "Was war was?", antwortet eine männliche Stimme und erschrocken drehe ich mich um. Im selben Moment schließen sich die Türen mit einem Zischen. Ein Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als ich, mustert mich und ich wende mich im selben Moment ab. "Nichts.", beantworte ich die gestellte Frage und hoffe einfach, dass der Aufzug schneller unten angelangt.

"Geht es Ihnen gut?", besorgt zieht er mich am Armgelenk zurück und ich zische vor Schmerz auf. Die noch nicht verheilten Hämatome wurden durch die heutigen Handgreiflichkeiten nicht wirklich verbessert. Augenblicklich lässt er meinen Arm los und murmelt ein paar unverständliche Worte bis er sein Wort wieder an mich richtet.

"Soll ich Sie zu einem Arzt fahren?" Und ich zögere einen Moment. Diese Menschen werden mich zwingen, ihn anzuzeigen. Und doch liebe ich ihn. Seine zärtlichen Küsse, die Dates und das Kuscheln. Meine Erinnerungen schweifen zu den Blumen, Spaziergängen und Pralinen und energisch schüttle ich den Kopf, sowie ich es auch schon bei Jonathan getan hatte.

"Nein." Und der Mann seufzt hörbar auf. "Ich gebe Ihnen meine Karte, kühlen Sie ihr Gesicht und schmieren Sie eine Salbe auf ihre Wange. Falls Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich an. Sie haben besseres verdient."


LiebesvergängnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt