Ich brauche keinen Prinzen - nein, ehrlich nicht!

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Ich öffnete meine Augen und sah direkt ins Nichts. Es war wortwörtlich nichts. Mich umgab eine unendlich erscheinende Finsternis, in der nichts zu erkennen schien, bis auf – nun ja – eben NICHTS!

Suchend drehte ich mich im Kreis, bis endlich Licht in meinen Augenwinkel stach. Ich blinzelte in der Hoffnung, klarer sehen zu können und tatsächlich: Zwei Gestalten waren vor mir erschienen! Erst konnte ich nur ihre Umrisse erkennen, dann wurden die Gesichter der beiden Männer deutlicher.

Die Brüder Grimm schauten so mürrisch wie eh und je drein, während ihre Blicke über mich glitten, als wollten sie sehen, welche physischen Schäden ich von ihren wunderbar idiotischen Erziehungsmethoden erhalten hatte – zu meinem Glück bisher gar keine, doch das Funkeln in den Augen von Jakob gab mir das ungute Gefühl, dass die beiden das schleunigst ändern wollten, was mir wiederrum hätte sagen sollen, dass es Zeit wäre, ebenso schleunigst zu verschwinden. Dumm nur, dass ich eben an diesem Ort war. Halt im Nichts – wie ich möglicherweise schon einmal erwähnt hatte.

„Und?", forderte ich die Beiden skeptisch zum Sprechen auf, als keiner von ihnen Anstalten machte, irgendetwas zu sagen, „können wir es einfach nach dem Motto ‚Alle guten Dinge sind drei' machen, wir belassen es bei den Märchen und ich gehe nach Hause?"

Wilhelm hob seine Augenbrauen: „Wieso sollten wir?"
Ja, wieso sollten sie...ich wünschte, ich hätte eine überzeugende Antwort auf diese Frage gehabt. Leise seufzte ich in mich hinein.

„Ich finde, sie hat ihre Aufgabe gut gemacht", meinte Jakob plötzlich.
Sowohl ich als auch sein Bruder sahen ihn überrascht an.

„Hat sie?", hakte Wilhelm irritiert nach.
„Hab ich!", stimmte ich mit einem fast zu überzeugten Nicken zu. Mir war alles lieber als noch einmal in irgend so ein verrücktes Märchen gesteckt zu werden!

„Wohl wahr", bestärkte mich Jakob mit einem Lächeln, das mir das Gefühl gab, er würde am liebsten alle meine Zähne herausreißen und an die nächstbeste Zahnfee verkaufen, in der Hoffnung so viele goldene Münzen wie im Sterntaler Märchen zu bekommen. Kurz gesagt: Sein Lächeln sollte mich beunruhigen! Genau das tat es auch. In meinem Bauch spürte ich ein unwohles Grummeln, das von seinem Anblick ausgelöst wurde.

„Wenn sie ihre Aufgabe so gut gemacht hat", meinte Wilhelm nun, in dessen Augen dasselbe Funkeln erschien wie zuvor bei seinem Bruder, „dann sollten wir sie reichlich belohnen!"

„Genau", Jakob nickte eifrig – ZU eifrig, „wie wäre es, wenn sie ein eigenes Schloss bekommt?"
„Nein, wie wäre es, wenn sie einen Wunsch frei bekommt!"

Unsicher sah ich von einem Bruder zum anderen, während sich die Beiden regelrecht mit ihren Ideen bewarfen.

„Definitiv nicht! Wir sollten ihr die Möglichkeit geben, auch ihren Prinzen zu finden."
„Wie die Prinzessinnen?"
„Wie die Prinzessinnen!"

Von ihrer eigenen Idee begeistert strahlten Wilhelm und Jakob einander an, ehe ihre Blicke wieder zurück zu mir glitten. Ich ahnte schreckliches, doch noch bevor ich Einspruch gegen ihren Plan erheben konnte, verschwand ich mit einem hilflosen ‚Danke, aber das ist echt nicht nötig' im mir verhassten nichts.

☕︎

Wie ihr vielleicht bemerkt habt, sind hier lange keine Kapitel erschienen. Das liegt daran, dass ich an meinem Hauptprojekt viel zu tun habe, weshalb ich entschieden habe, dieses Buch zu einer kurzen Novelle umzugestalten. ❤️

Stirb nicht, Prinzessin | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt