Surprise

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Taehyung steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum.

„Willkommen zuhause", murmelte er leise mit einem Seitenblick auf die Box, die er neben seiner Tür abgestellt hatte.
Er strich kurz über das harte Plastik, dann hob er den Behälter an und trug ihn kurzerhand in das Apartment.

„Ich zeig dir erst mal die wichtigsten Sachen", vernahm man seine ruhige Stimme in der dunklen Wohnung, „Als erstes gehen wir in die Küche und machen dir etwas Leckeres zu essen."

Taehyung stolperte wieder hinaus in den Flur, schnappte sich die vollen Einkaufstüten und kehrte ins Apartment zurück.

„Wir haben uns ja drum gekümmert, dass du genug Essen hast, hm?", meinte er und stellte die Tüten auf die Kommode im Eingangsbereich, „Das sollte kein Problem sein. Du musst am Verhungern sein."

Er zog sich die Jacke von den Schultern und entfernte währenddessen den Schlüssel aus dem Schloss, um danach die Tür von innen schließen zu können.

Er hob die Box auf die Kommode neben die Einkaufstüten und linste durch die kleine Tür. Vorsichtig steckte er seinen Finger in die Öffnung und wackelte hin und her, bis er eine feuchte Zunge spürte, die darüber leckte. Er kicherte.
„Das kitzelt", beschwerte er sich, „Du kannst es wohl kaum erwarten, oder?"
Ein leises Geräusch war zu hören, ein zufriedenes Brummeln.
Taehyung lächelte.
Es war die richtige Entscheidung gewesen, das wusste er jetzt schon.

„Danach zeig ich dir das Schlafzimmer", berichtete er engagiert, „Dann entspannen wir uns erst mal ein wenig und lernen uns ein bisschen besser kennen, hm? Keine Sorge, Kleiner, ich sorge schon dafür, dass wir einen schönen Abend haben."

Plötzlich ging das Licht an.

Blitzschnell fegte Taehyung die Transportbox von der Kommode und verfrachtete diese und ihren Inhalt auf den Boden. Er hustete laut, um das protestierende und erschrockene Wuff aus ihrem Inneren zu übertönen.

Er fuhr herum und zuckte zusammen, als sein Blick zu der Stehlampe glitt, die seinen offenen Wohnbereich hell erleuchtete. Um in diesen Wohnbereich zu gelangen, musste Taehyung einen Schritt aus dem Flur um die Ecke tun.
Er schob die Box unauffällig noch ein Stück weiter hinter die Kommode und lugte dann um die Eckwand herum ins Wohnzimmer.

Er schluckte seinen Schrecken hinunter und setzte ein kleines Lächeln auf.

„Hey Chim", sagte er vorsichtig, „Was machst du denn in meiner Wohnung?"

Jimin schnaubte abfällig.
„Steck dir dein ‚Chim' sonst wo hin. Wo zum Teufel warst du? Ich hab dich angerufen. Zigmal. Du hast mich einfach ignoriert, du Spaten. Wir waren verabredet, schon vergessen?", schimpfte der Ältere sauer.

Tae biss sich schuldbewusst auf die Lippe.
„Ich hab's echt vergessen", seufzte er, „Tut mir leid, ehrlich."

Der Braunhaarige sprang vom Sessel auf.
„Du hast mich einfach so vergessen?! Und gibst es auch noch zu?!", rief er zornig, „Du bist unmöglich, Taehyung!"

Tae schluckte angespannt seine Aufregung herunter, als Jimin einen Schritt auf ihn zumachte.

„Hätte ich dich anlügen sollen?", meinte er leise, „Das hättest du sofort gemerkt und wärst noch wütender geworden. Hab ich recht?"

Jimin grummelte. Es hatte eben gute und schlechte Seiten, einen Seelenverwandten zu haben.
Einerseits wusste man alles voneinander und kannte den anderen in- und auswendig.
Andererseits wusste man eben alles voneinander und kannte den anderen in- und auswendig.

„Du brauchst einen unglaublich guten Grund, damit ich dir verzeihe, das weißt du schon?", mahnte Jimin beleidigt.

Taehyung hielt kurz die Luft an. Er musste nachdenken. Die Wahrheit konnte er schlecht sagen. Er hatte keine Erlaubnis für diese Aktion gehabt. Nicht einmal Jimin konnte er das erzählen.

Der Ältere hingegen wurde sichtlich ungehaltener, als Taehyung nichts zu seiner Verteidigung erwiderte.

„Und überhaupt", motzte er, „Führst du immer so seltsame Selbstgespräche? Ich sorge dafür, dass wir einen schönen Abend haben, Kleiner. Entschuldige, redest du so mit deinem Schwanz oder was? Und so klein ist der doch gar nicht. Hast du schon wieder diese Minderwertigkeitskomplexe, Tae? Du warst aber nicht weg und hast deshalb irgendwelche Dummheiten angestellt, oder? Ich hab dir schon tausendmal gesagt, du bist toll so, wie du bist, okay?"

Mit jedem Satz wurde Jimin ruhiger und besorgter.
Taehyung schmunzelte. Jimin war sein bester Freund und konnte einfach nicht lange böse auf ihn sein.
Jimin seufzte. Wie er es manchmal hasste, dass er Taehyung nichts übelnehmen konnte.

„Mir geht's gut", sagte Tae beschwichtigend, „Es ist alles okay. Und natürlich hab ich nicht mit meinem Schwanz geredet, du Idiot, was zum Teufel? Als wenn du das machen würdest und aus Erfahrung sprichst oder was?"
Jimin lachte auf. „Quatsch", sagte er grinsend, „Ich rede ihn nicht mit ‚Kleiner' an, sonst kriegt er vielleicht deine Minderwertigkeitskomplexe."

Die beiden Jungs lachten vor sich hin.
Solche Dinge konnten sie nur unter sich äußern.
Nur in Jimins Anwesenheit konnte Taehyung richtig befreit lachen und nur in Taes Anwesenheit konnte Jimin so sein, wie er wirklich war. Die beiden waren wie Brüder, nichts konnte sie trennen.
Es war verdammt selten, dass Seelenverwandte sich während ihrer Lebzeit über den Weg liefen und gerade, dass sie sich gefunden hatten, machte das alles so besonders.

„Jetzt raus mit der Sprache", forderte Jimin den Dunkelhaarigen auf, „Wo warst du?"

Taehyung schaute auf seine Zehenspitzen herab.
„Chim", sagte er gequält, „ich kann's dir nicht sagen... Ich würde ja, aber ich kann nicht."

Jimin sah ihn mit großen Augen an.
Sie hatten sich bisher immer alles erzählen können.
Was konnte so schrecklich sein, dass Taehyung nicht mal in der Lage war, es ihm im Vertrauen zu gestehen?

„Tae", sagte er langsam, „ich bin immer für dich da, das weißt du, oder? Und den besten Mist baut man zu zweit, schon vergessen?"
Er lächelte aufmunternd, um Taehyung Sicherheit zu geben, doch der Jüngere schüttelte bestimmt den Kopf.
„Es geht nicht", betonte er, „Du wirst es mit den anderen erfahren müssen, wenn es dabei bleibt. Wenn nicht... na ja, dann ist es auch gar nicht mehr so wichtig."
Jimin runzelte die Stirn. „Wenn es wobei bleibt?", fragte er nachdenklich.

Taehyung kniff die Lippen zusammen. Er hasste es, Jimin Dinge zu verschweigen. Das funktionierte nicht bei Überraschungsparties und bei so etwas würde es erst recht nicht funktionieren.

Jimin machte sich schlichtweg Sorgen, dass Taehyung unüberlegte Entscheidungen getroffen hatte. Er konnte nicht warten, bis V sich entschloss, es den anderen zu sagen. Er musste es jetzt wissen, sonst brachte ihn die Ungeduld um.

Er trat einen Schritt auf den Jüngeren zu und legte seine Hand auf Taes Schulter. Dieser sah ihn betroffen an. Er durfte nichts verraten, es war zu seinem Wohl, aber wusste, dass er bei Jimin direkt einknickte, wenn der ihn so bekümmert ansah.

Tae wollte gerade zu einer möglichst nichtssagenden Antwort ansetzen, doch da hallte plötzlich sehr vielsagendes Gebell durch die gesamte Wohnung.

The Story Of Kim YeontanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt