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Es war der erste Tag im Herbst gewesen, der einen noch immer an den Spätsommer erinnerte und mich wünschen ließ, dass die Temperaturen endlich abklangen. Der ständige Wechsel zwischen stehender Hitze und nicht enden wollenden Regentagen in Kombination mit Hitzegewittern, machte es mir nicht einfach den Sommer zu mögen und noch viel weniger mochte ich den Übergang zwischen den beiden Jahreszeiten Sommer und Herbst. Erst wollte der Herbst nicht beginnen und plötzlich schien er beinahe vorbei zu sein und der Winter stand vor der Tür. Fast so, als hätte ich wieder einmal die Zeit aus den Augen verloren, die mir verdeutlichte, dass alles, was ich mir vorgenommen hatte, am Ende nicht von großer Bedeutung war. Ich konnte zig Dinge anstellen, noch so hart arbeiten und am Ende würde mir die Zeit entronnen sein, sodass es manchmal besser war, wenn ich gar nichts tat, um sicherzustellen, dass ich meine Zeit nicht vergeudete und doch tat ich das in solch einem Moment, wenn ich protestierte und nichts tat. Ich existierte, doch wirklich viel tat ich nicht. Und ja, der Gedanke war abstrus, zu denken, dass die Zeit weniger - in Anführungszeichen - verschwendet werden würde, wenn ich nichts tat. Dabei war es das genaue Gegenteil. Dinge schob ich in dem Sinne auf, die ich in genau solchen Momenten des Nichtstuns hätte machen können, um sie hinter mich zu bringen und am Ende erfolgte nur eine weitere Anreihung von Dingen, die ich zu erledigen hätte.

Ein nicht enden wollender Kreislauf, aus dem niemand so wirklich entrinnen konnte.

Seufzend massierte ich mir die Schläfen, um die Kopfschmerzen, die mich heute schon den ganzen Tag verfolgten, zu lindern. Wobei es sich hierbei lediglich um einen Placebo-Effekt handelte, der keine wirkliche Besserung brachte und doch tat ich es immer wieder. Besonders dann, wenn ich unter großen Stress war, der wiederum Schmerzen auslöste. Richtige, als auch Phantomschmerzen, die aufhörten, sobald eine weitere stressige Zeit vorbei war. Von allen durfte ich mir bisher anhören, dass ich auf mich zu achten hatte, da mir mein Körper deutlich signalisierte, dass er genug hatte und nicht mehr lang standhalten konnte, wenn ich ihn vernachlässigte. Mein naiver Kopf war aber der Meinung, dass ich weiterzumachen hatte, damit ich keine Zeit vergeudete und mir zusätzlich auch noch die Probleme aller anderen einheimste, weil ich bereits nicht genügend eigene hatte. Natürlich war es meine eigene Schuld, besser gesagt meinem, von mir ernannten Helfer-Syndrom, der zu keinem Problem von anderen Nein sagen konnte. Selbst wenn ich noch so gern wollte. Lieber stellte ich mich in meine eigene Warteschlange, was die Problembewältigung anging und verdrängte somit, dass mich selbst auch Dinge belasteten. Dadurch war aber bei mir weder etwas gelöst, noch war mir wirklich geholfen.

„Hast du schon genug getrunken?" Als hätte ich es nicht besser wissen können, griff ich zur Seite und hielt ein Glas Wasser in meiner Hand. Natürlich vergaß ich mittlerweile wieder ausreichend zu mir zu nehmen und somit begünstigte dies auch meine Kopfschmerzen, die traurigerweise ein täglicher Begleiter von mir geworden waren.

Als ich das Glas leer getrunken hatte und ich mich noch immer wie ein Fisch auf dem Land fühlte, der ausgetrocknet war, stellte ich dieses auf den Tisch, starrte es zunächst an und hoffte, dass ich mich so verhielt, wie sonst auch. Ich wollte nicht auffallen, noch irgendwem Sorgen bereiten.

„Und jetzt kannst du mir erzählen, was los ist. Immer, wenn es dir nicht gut geht, verdrängt du alles damit, dass du dich in Arbeit wälzt oder du machst gar nichts. Mittlerweile hast du keine Balance mehr in dem, was du tust. Du machst alles auf einmal oder rein gar nichts, Chan" Die ernste Stimme meines besten Freundes verdeutlichte mir, dass ich wieder einmal übertrieb und in alte Muster von früher verfiel, obwohl ich ja eigentlich jeden glücklich machen wollte, der in meiner Nähe war. - Keine wirklich gute Eigenschaften meines Helfer-Syndroms.

„Und ich akzeptiere kein »Das stimmt nicht, du bildest dir das nur ein.« Ich sehe es, wie du dich wieder selbst zerstörst und ich will nicht, dass dir das Gleiche nochmal passiert, nur weil jeder andere zu blind ist, zu sehen, dass hinter deiner netten und überfürsorglichen Art jemand steckt, der nicht mit seiner Vergangenheit zurechtkommt. Du weißt, dass dieses exzessive Bedürfnis nicht von irgendwoher kommt, jedem helfen zu wollen." Eine kleine Pause durchbrachen seine Worte, während mein Blick noch immer auf das leere Glas gerichtet war. Ich, der unfähig war etwas zu sagen, spürte, wie meine Kehle sich quasi zuschnürte und selbst wenn ich versuchen wollte, dass etwas aus mir kam, würde es einem Krächzen gleichen, doch nach keinen Worten. Natürlich wurde das Glas wieder mit Wasser gefüllt und obwohl ich es nur zu gern wieder ausgetrunken hätte, schämte ich mich. Ich schämte mich dafür, dass ich anderen Sorgen bereitete. Vor allem meinem besten Freund. „Du hilfst jedem, weil du dir selbst nicht helfen kannst. Du hast keine Ahnung, wie du diese Leere in dir füllen kannst und gleichzeitig denkst du, du hast sie gefüllt, weil du anderen hilfst... Aber Channie, wir wissen beide, dass dem nicht so ist. Die Leere ist nach wie vor da und du willst es dir nicht eingestehen, weil du weißt, dass du in sie fällst. Schnell, tief und vor allem schmerzhaft. So wie damals... Deswegen solltest du dich retten, bevor du andere rettest und das weißt du ganz genau..."

𝙇𝙪𝙡𝙡𝙖𝙗𝙮 ✧ BANG CHANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt