Aufgabe 1 von StaubfingerGwin
Ge•schwịs•ter
die; Pl; die (männlichen und weiblichen) Kinder derselben Eltern:
Doch Caroline und Felicitas waren weitaus mehr als nur zwei Menschen, die gemeinsame Vorfahren hatten. Sie waren beste Freunde, Seelenverwandte. Unzertrennlich seit Tag 1. Egal wo, egal wann, immer tauchten sie zusammen auf. Gingen in die selbe Klasse, saßen nebeneinander. Teilten sich ein Zimmer und hielten stets zum anderen. Niemand der beiden hätte den anderen verraten, auch nicht, wenn das bedeutete, dass beide eine Strafe der Eltern bekamen. Die einen fanden es entzückend, wie sie zusammenhielten, die anderen waren der Meinung, sie hatten sich zu sehr aneinander gewöhnt, wieder andere meinten, sich darüber lustig machen zu müssen, wie sehr die beiden aneinander hingen. Nicht selten wurden sie von ihren Mitschülern gehänselt, beschimpft, doch all das interessierte sie nicht. Nichts und niemand konnte die Liebe zueinander zerstören, niemand hatte es je geschafft, die zwei voneinander zu trennen. Sie hatten ihr Leben gemeinsam begonnen, und so war es nicht verwunderlich, dass sie es gemeinsam beenden wollten.
Nur 46 und 48 Jahre verteilten sie unter uns, viel zu kurz, wenn man mich fragte. Doch das Schicksal hatte es nicht anders gewollt. Schon viele Jahre hatte Felicitas mit Brustkrebs zu kämpfen, doch war es Caroline, der das am meisten zu schaffen machte. Mehr als Felicitas selbst. Und vor wenigen Wochen war sie an dem Punkt angelangt, an dem es Tag für Tag bergab ging. Und nach unzähligen Chemos, Jahrelangem kämpfen und schlussendlich vielen schlaflosen Nächten endete ihr Leben nun mit einem Sprung von der Klippe. Doch nicht allein, diesen letzten Wunsch wollte Caroline ihr erfüllen. Gemeinsam sprangen sie, Hand in Hand, denn ihre Liebe war stärker als das Leben. Zumindest stand es so im Abschiedsbrief. Und so kam es dazu, dass ich heute hier war, auf der Beerdigung der beiden.
Gerade hielt meine Enkelin Sofia, Carolines Tochter, eine Rede. Währenddessen rannen ihr die Tränen in Strömen über die Wangen. Verständlich, sie hatte ihre Mutter mit gerade einmal 15 Jahren verloren. Viele Erlebnisse, wie ihren Führerschein, den Schulabschluss, eine Hochzeit, Kinder, all das würden die beiden niemals gemeinsam feiern können.
Nach ihrer Rede hatte jeder im Saal feuchte Augen, die Leute weinten, sprachen Sofia ihr Beileid aus. Und trotz der Tatsache, dass viele der Anwesenden die beiden nie richtig kennenlernen durften, weinten sie mehr um den Verlust, als ich, ihre Mutter. Doch denkt nicht, ich wäre ein kalter, herzloser Mensch ohne Emotionen, dies war ganz und gar nicht der Fall. Doch hatte ich im Leben gelernt, mit diesen Dingen umzugehen. Schon im Jugendalter, durch Freunde, denen ich so vieles zu verdanken hatte, denn ohne ihre Weisheiten wäre ich im Leben nie so weit gekommen. Ich würde fast meinen, sie waren wie die Geschwister, die ich nie hatte. Die für einen da waren, mit denen man gemeinsam die schweren Zeiten im Leben durchstand und die einen nach oben zogen, wenn man drohte im Meer aus Gedanken zu ertrinken. Und sie waren die jenen, die mir klargemacht hatten, dass alles endete. Jedes Leben fand irgendwann sein Ende und auch wenn es traurig war, Felicitas und Caroline nie mehr zu umarmen, nie mehr ihre Stimmen zu hören, nie mehr mit ihnen herumzualbern, so waren sie besser aufgehoben dort, wo sie jetzt waren konnten ein Leben ohne Schmerzen und Sorgen führen. Es waren die Erinnerungen die zählten, sowohl an die guten als auch an die schlechten Tage. Und mit eben diesen Erinnerungen schafften die beiden es, mir immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, auch, wenn sie nicht mehr unter uns verteilten.
Sie lebten weiter, in unserer aller Herzen.
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