Unliebsame Erinnerungen

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Kapitel 2
~Unliebsame Erinnerungen~

Auf der Fahrt nach Hogwarts läuft eigentlich alles wie immer: Jerry und Grace machen Quatsch, ich versuche zu lernen. Mit Betonung auf „versuche", denn meine zwei Freunde haben leider die Angewohnheit, sich immer wieder über Spielregeln zu streiten oder Grace schafft es nicht, so zu schummeln, dass Jeremiah es nicht bemerkt. In jedem Fall muss ich spätestens nach einer Dreiviertelstunde schlichten oder Regeln zu Zauberschnippschnapp oder Zaubererschach in einem extra dafür angelegten Regelwerk nachschlagen, welches mir die beiden mal zu Weihnachten geschenkt haben.
Auch dieses Mal komme ich nicht drumherum, nach 30 Minuten Schiedsrichterin spielen zu müssen, denn Grace hat versucht, in einem günstigen Moment ihre Dame ein Feld weiter nach rechts zu setzen, damit sie den bedrohlichen schwarzen Springer ihres Freundes aus dem Spiel kicken kann. Doch leider haben das zwei Bauern aus seinen Reihen mitbekommen und wild gestikulierend ihren Spielmeister auf Graces Schummelversuch aufmerksam gemacht. Schon ist eine Diskussion im Gange, denn natürlich hat sie gar nichts gemacht und die Figuren mit einer „Wahrnehmungsfähigkeit von Einhorndung" würden sie nur manipulieren wollen, weil der Springer in Gefahr seie. Ich tauche schmunzelnd hinter meinem Zaubertränkebuch ab, um Grace nicht zu verraten.
„Cora, jetzt hilf' mir doch mal! Ich habe nichts gemacht!", unschuldig dreinblickend knufft meine beste Freundin mich in die Seite. Doch am Zucken meiner Mundwinkel und einem ausweichendem „Ich hab nicht hingeschaut, also keine Ahnung." erkennt Jeremiah seine Chance auf Gerechtigkeit. „Ha! Ich wusste es doch, dass du schummelst, du Verräterin! Dafür musst du mir jetzt was vom Süßigkeitenwagen kaufen! Danke Cora!", Jeremiah grinst siegessicher und zwinkert mir zu. „Ja, danke Cora.", äfft Grace ihn nach und wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu, den ich mit einem entschuldigenden Lächeln quittiere.

...

Während Grace schmollt und Jeremiah seine Schokofrösche genießt, die ihm seine Freundin gerade kaufen musste, versuche ich, weiter mein Buch zu lesen. Doch so häufig, wie ich Regeln zur Entgiftung und Vergiftung mittels einfacher Kräutermischungen durchgelesen habe, kann ich den Satz mittlerweile auswendig runterbeten, wenn ich nur das erste mit Textmarker markierte Kraut sehe. Doch trotzdem versuche ich, alles nochmal zu lesen als wäre es das erste Mal. Wenn Snape mich testen will, soll es nicht so sein wie in seinen Zaubertränkestunden. Ich will nicht stottern, dass ich glaube, wie es sei. Ich will wissen, was ich sage und ihm auch zeigen, dass ich es weiß.
Trotzdem beschleicht mich die Vorahnung, dass es wieder so sein wird wie die letzten 4 Jahre: Ich lerne und hämmere mir alles ins Hirn, nur um dann im Unterricht von Professor Snape irgendwelche Antworten zu geben, die ich Millisekunden später bereits selbst bereue. Natürlich ist die Antwort nie falsch, das würde ich mir selbst nicht erlauben. Aber das gewisse etwas Extrainformation, dass ich aus Büchern habe, für die meine Eltern viel Geld ausgeben, fällt mir angesichts seiner einschüchternden Erscheinung nie ein. Nachdenklich blicke ich aus dem Fenster und beobachte nur nebenbei die vorbeiziehende Landschaft.
Eine Stimme in meinem Hinterkopf lacht mich aus, dass ich jedes Jahr aufs Neue meine Zeit dafür verschwende und es klingt wie ein spöttisches Lachen...ein Lachen, wie ich es mir von Snape vorstelle, wenn er meine Bemühungen mitansehen muss.

...

Trotz der etwas nachdenklichen und melancholischen Stimmung, die zu Anfang der Fahrt herrschte, bin ich nun besser gelaunt. Grace hat aufgehört, zu schmollen und sich mit Jeremiah ausgesöhnt. Danach haben die beiden mich wieder in ihre gute Laune gezogen und der Rest der Fahrt war total lustig und so wie immer. Wir spielten Zauberschnippschnapp und Snape Explodiert, haben zusammen unsere Schokofroschkartensammlungen angeschaut und mit Konrad (Jerry's Kater), Kant (dem Uhu von Grace) und Amalia gespielt. Jetzt schwelgen wir in alten Erinnerungen und lachen über alte Anekdoten aus 5 Jahren Hogwarts, zum Beispiel als Grace einen Besen von Madam Hooch ausgeliehen hat, um Jeremiah und mir heimlich Essen zu bringen, als wir nachts Astronomie hatten. Leider hatte Professor Sinistra uns erwischt, doch anstatt uns Hauspunkte abzuziehen, ist es eine kleine Kurstradition geworden, dass Grace Essen oder im Winter Tee hochbringt.
Oder als ich Snape versehentlich umgerempelt hatte, weil mich jemand aus der Klasse unter mir gestoßen hatte. „Sah schon süß aus, wie du dann auf ihm lagst.", kommentiert Grace die Geschichte grinsend, doch anstatt ironisch scheint ihre Aussage vollkommen ernst gemeint.
Ungläubig drehe ich mich auf meinem Sitz zu ihr: „Wie meinst du das?" „Naja, also es gingen danach ein paar Gerüchte rum, wie gut ihr zusammen passen würdet. So von wegen Streber und Lehrer.", erklärt Jerry gedehnt und schaut mich peinlich berührt an, „Außerdem können wir beide sagen, dass du und Snape euch manchmal auch gar nicht so unähnlich seid....Was jetzt keine Beleidigung sein soll."
Grace prustet los und auch Jerry kann sich das Lachen nur schwer verkneifen, als die beiden meine hochgezogene Augenbraue aufgrund der Aussage meines besten Freundes sehen. „Genau das meine ich.", kichert Jerry und auch ich muss grinsen anhand der Ähnlichkeiten, die mein unbeliebter Zaubertranklehrer und ich manchmal so haben. Mein Sarkasmus und der trockene Humor gleicht dem seinem wie ein Ei dem anderen.
„Ja okay kann sein. Aber das heißt nicht, dass wir zusammenpassen würden!", lache ich und schaue die beiden vorwurfsvoll an. „Och dooooch!", mault Grace und macht ihren Schmollmund, mit dem sie normalerweise immer wieder Jerry bezirzt.
„Achtung alle Schüler! In 20 Minuten treffen wir am Bahnhof von Hogsmeade ein. Bitte ziehen Sie Ihre Uniformen an und sammeln Sie Ihre Sachen zusammen!", erklingt die Durchsage des Lokführers und wir sehen strahlen uns an. „Wir sind bald da!", ruft Grace glücklich und wir öffnen unsere Koffer. Da wir so lange befreundet sind, macht es keinem von uns was aus, uns voreinander umzuziehen. Als ich mein Shirt ausziehe und mein Hemd auseinanderhalte, runzelt Grace die Stirn: „Sag mal, bist du dünner geworden?" Ich sehe an mir herunter und sehe sie verwirrt an: „Kann sein, wieso? Ich hab halt viel gelernt." „Cora, du kannst doch nicht immer vergessen, zu essen! So langsam überlege ich ernsthaft, dich künstlich ernähren zu lassen, damit du's lernst.", zwinkert mir Jerry zu und ich lächele schuldbewusst. „Ja ich weiß, sorry. Aber jetzt habe ich ja wieder euch zur Erinnerung."
(Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht magersüchtig oder so, aber so ehrgeizig, dass ich es manchmal wirklich einfach vergesse oder zumindest nur mal was Kleines zwischendurch esse, während ich nochmal etwas gegenlese.)
Als wir uns fertig umgezogen haben, müssen wir erstmal Konrad einfangen, der sich wieder mal mit Kant gestritten hat und nun nicht mehr von der Kofferablage über mir runterkommen will. „Ach komm schon, du dummer Kater! Jetzt bewegt dein flauschiges Hinterteil hierunter.", stöhnt Grace, die Kant gerade in seinen Käfig zu quetschen versucht. „Ey, hör' auf, so mit Konrad zu reden! Hör' ihr gar nicht zu, Konrad! Du bist der süßeste Flauschetiger, den ich kenne. Und jetzt komm doch runter, komm zu Papa.", säuselt Jeremiah seinem schwarzen Vierbeiner zu, doch der weigert sich und maunzt verärgert. Seufzend zieht Grace ein Stückchen Thunfisch aus ihrem übrig gebliebenen Sandwich heraus und hält ihn Konrad vor die kleine Stupsnase. „Hier und jetzt mach endlich, was dein Zuhälter sagt." Argwöhnisch beschnüffelt der Kater den Thunfisch in ihrer Hand und miaut noch einmal wie zum Einverständnis. Dann schnappt er sich den Fisch und springt von der Ablage auf die Bank, schmatzend schaut er uns dann an, als wüsste er gar nicht, warum wir hier so rumstehen. Verwundert beobachten wir den Kater und Grace, die sich mit einem „Geht doch.", ihrem Uhu Kant zuwendet, der empört mit dem Schnabel klackert.
„Naja,", durchbreche ich die Stille, „zumindest habe ich mit Amalia keine Probleme wie ihr zwei." Zustimmend schuhut Angesprochene auf der Lehne meines Sitzplatzes und putzt sich ganz unschuldig das Gefieder.

...

„Erstklässler zu mir!", hallt eine altbekannte Stimme quer über den Bahnhof. „Hagrid!", schreit Grace zurück und rennt bereits halb schlitternd wegen des nassen Bodens zu Hagrid. „Nanu, Grace? Du scheinst mir aber kein Erstklässler zu sein, nich wahr?", lacht Hagrid, als sie sich um seinen Hals schmeißt. „Auch wenn sie den Charakter von einem hat.", fügt Jeremiah grinsend hinzu und erntet von mir einen Stoß in die Seite. „Ey!", empört sieht Jeremiah mich an. „Kinder, jetzt hört auf. Ihr seid nicht besser als Grace hier.", ein grollendes Lachen erschallt und ein paar kleine Gnome...ach nee, sind Erstklässler... zucken zusammen, mit Blick in den Himmel, auf der Suche nach einem Gewitter. Doch der Himmel über uns ist bis auf ein paar Wolken klar und schwarz, wie damals, als ich das erste Mal ankam.
„So, es war schön, euch endlich wieder zusehen, aber erstmal muss ich die Pimpfe hier rüberbringen, sonst ist Professor McGonagall wieder sauer auf mich.", schließt Hagrid und verabschiedet sich von uns. „Grace, du kannst mir jederzeit helfen, hab' ein paar neue Tierchen. Und Fang vermisst dich schon." Grace lächelt und nickt, dann kommt sie ebenfalls mit zu den Kutschen, die uns mit ins Schloss nehmen.
Erleichtert lasse ich mich auf die Sitzbank fallen und atme erstmal tief durch, genieße den Duft der Ländereien von Hogwarts.
Dann, als wir drei und noch zwei Ravenclaws aus der Stufe unter uns in der Kutsche sitzen, laufen die Thestrale (ja, ich weiß über die Zugtiere von Grace mehr als so mancher Siebtklässler) los und bringen uns hoch ins Schloss.

...

Hallöchen mal wieder!
Für diese Woche gabs nur ein kleines Übergangskapitel, um die Charaktere rund um Cora noch ein wenig besser vorzustellen. Ab nächster Woche geht die Geschichte (hoffentlich :P ) richtig los und unsere Freunde sind endlich in Hogwarts angekommen.
Ich hoffe, das Kapitel hat Euch gefallen, lasst gerne einen Kommentar da oder schreibt mir Anregungen und Wünsche per DM oder hier auf Wattpad (mein Instagram-Account steht in meiner Accountbeschreibung).
Bis nächste Woche!
Lunes

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