Teil 1; Kapitel 5

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Ich stand wieder in der Höhle. Sah mir die Pflanzen an, die aus der Wand quollen. Es waren mehr als noch vor ein paar Tagen. Mit einem Mal ertönte wieder die Stimme. Sie kam immer näher. Ließ ihre unverständlichen Worte sachte zwischen den Wänden der Höhle her schallen und die Töne wie Musik in meinen Ohren klingen. Ich schloss die Augen. Es hörte sich so vertraut an. Ich spürte, wie sich etwas kaltes um meine Hand schlang. Ich musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass es die Blätter der Pflanze waren, die mehr wuchsen, desto näher die kindliche Stimme kam. Als sie direkt an meinem Ohr ankam verstand ich sie. Inzwischen war ich vollkommen von riesigen Kleeblättern umgeben. Langsam öffnete ich meine Augen, wobei ich realisierte, dass es nur ein Traum war. Das letzte, was ich vor meinem inneren Auge sah, bevor ich mich den ersten Sonnenstrahlen, die in mein Zimmer fielen, hingab, war ein Auge. Es hatte die Farben der Blätter, die es neben ihren vollen Wimpern umrahmten. Hoffnung glitzerte in ihm und ließ mich mit einem lächeln aufstehen. Ich dachte über die gehörten Worte nach. Der Traum spiegelte perfekt wieder, was ich mir die ganze Zeit über wünschte und verschloss die Wahrheit ebenso wie die Wirklichkeit vor mir. Sie hatte sich endlich dazu entschieden, mich erfahren zu lassen, was dort unten abging.

Ich beschloss ein wenig an die frische Luft zu gehen und bei der Gelegenheit das Nötigste einzukaufen. Wie immer in letzter Zeit fühlte ich mich verdächtig beobachtet, während ich die verlassene Hauptstraße entlang zur Dorfmitte ging. Die hohen Eichen um mich herum bauten sich gefährlich über mir auf und ich hörte immer wieder Geräusche aus dem Wald. Natürlich war es nichts ungewöhnliches, ich wurde durch ähnliches nur immer wieder an den damaligen Vorfall in der Höhle erinnert. Ich konnte mir nicht sicher sein, ob ich nicht doch gelegentlich beobachtet wurde. Immerhin wollte man sich erst sicher gehen, ob ich in die Sache miteinbezogen werden sollte. Sie könnten sich jedoch schon längst dagegen entschieden haben. Es sind nun einmal schon einige Wochen vergangen. Sie hatten wahrscheinlich erkannt, dass ich ihnen nichts bringen würde. Ich war schon immer unglaublich schlecht darin, meine Rolle in dieser Gesellschaft zu finden. Inzwischen war ich im Dorf angekommen. Ich sah mich um. Vor dem Lebensmittelladen stand eine kleine Familie. Eine fröhlich strahlende Mutter, die dabei zusah, wie der Vater sich zu seiner kleinen Tochter herunterbückte, um ihr  eine Münze für den Einkaufswagen zu geben. Der Eisverkäufer, der an der Kasse stand und seinen Kunden zum Abschied einen schönen Tag wünschte. Eine Gruppe Frauen in schicken Kleidern, die sich den neusten Tratsch erzählten. Sie alle nahmen ihren Platz in der Gesellschaft ein. Sie wurden aufgenommen, ihnen wurde eine passende Rolle zugeteilt und als Gegenleistung taten sie in dieser ihr Bestes.  Ich konnte diesem System nichts abgewinnen, da ich nicht miteinbezogen wurde. Warum sollte ich einer Gesellschaft die ich nicht verstand bei ihrer Weiterentwicklung helfen? Ich war kein Teil von dieser. Wenn sie mich beobachtet hatten sahen sie mich als eben das, was ich für diese Gesellschaft bin. Als etwas vollkommen nutzloses. Ich war hochbegabt, nutzte dies allerdings nicht zu ihrem Vorteil sondern lebte einfach alleine vor mich hin.

Von mir selbst hatte ich kaum Beziehungen aufbauen können. Durch meine Intelligenz, mein jüngeres Alter und der Tatsache, dass ich keine Eltern mehr hatte wirkte ich auf andere Kinder in meinem Jahrgang abschreckend, wodurch ich nie wirklich gut lernte sozial zu interagieren. Ich hatte nicht verstanden, dass ich selbst die Initiative ergreifen musste. Ich hatte die Schuld einfach auf die Anderen geschoben und in meiner eigenen Welt gelebt. Später, während des Studiums hatte sich meine Situation nicht wirklich verbessert. Es war mir unglaublich schwer gefallen, Kontakte zu knüpfen und ich hatte es schließlich aufgegeben. Nun wurde ich in dem was ich tat von keiner Seite unterstützt. Ich habe keine Kontakte, mit deren Hilfe ich mir einen Namen als Journalistin machen könnte und an meinen einztigen Traum Autorin zu werden dachte ich schon lage nicht mehr. Ich sah einer hoffnungslosen Zukunft ins Gesicht und es war mir egal.

Ein Blick genügt nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt