Moira
„Okay."
Hicks klang einverstanden, vorbereitet. Vermutlich hatte ich in Worte gefasst, was er seit Minuten in Gedanken durchspielte. Eventuell doch seit Stunden? Verdammt, so viel Zeit vergeudet, so viele ungezählte Herzschläge sinnlos verheizt.
Wieso war niemand bereit gewesen, das Kommando zum Aufsuchen der Kiste zu geben? Bloßes Reden schloss sie nicht auf! Die Zeit erforderte Taten, weigerte sich, sich weiter mit Worten füllen zu lassen. Lief unbarmherzig ab, ehe wir sie nutzen konnten, wenn wir jetzt nicht gehörig zulangten.Sie spürten es doch auch. Sie konnten es nicht übersehen, diese allumgreifende Unruhe, diese Ruhe nach dem Sturm, die angetrieben vom fernen, vom nahen, vom heranpirschenden Unheilsgebrüll aufwallte, Schleifen schlang, ausbeulte, eindellte. Alles drängte, alles rief, alles flehte, lockte, trieb.
In jedem Blinzeln erwachte das Auge, spähte erwartungsvoll in meinen Geist. Nachtblitz sah es auch, erschrocken schüttelte sie den Kopf.
„Okay."
Warum stand Hicks noch an derselben Stelle? Es war eilig! Wir müssten längst-
„Aber zuvor solltest du hierfür einige Sekunden entbehren. Wir denken, du solltest es lieber wissen."
Er trat zurück, machte mir den Weg zum Tisch frei.
Fischbein trat kurz nach ihm rückwärts, stellte sich neben Heidrun, stolperte schnell drei Schritte weiter, als er leicht gegen ihre Schulter kam.
Sie bildeten eine Gasse, einen Säulengang, der schlank und geradlinig die ausgebreitete Prophezeiung säumte.„Ich habe sie oft genug gelesen, glaub mir."
„Dann solltest du dir erst recht Sorgen machen."
Astrid klaubte das Schriftstück auf, hielt es mir vor die Nase, den Zeigefinger wie zufällig quer über die Worte gelegt. Aber es war kein Zufall, sowas schien in den letzten Stunden ausgestorben zu sein. Ich sah genauer hin. Sie deutete direkt auf ein Wort.„Neu."
Ich sah sie ungläubig an. Dafür sollte ich mir Zeit nehmen?„Neu erhalten."
Ihre Stimme triefte vor Eindringlichkeit.
„Um es neu zu erhalten, muss es davor verschwinden."Verschwinden. Verlöschen. Verlieren.
„Zumindest darf dazu nicht mehr viel fehlen.", ergänzte Rotzbakke.
Ich starrte stumm auf Astrids Nagel. Er war angeknabbert, ausgefranst. Ein weiteres Opfer der reißwütigen Anspannung.
Verlieren. Auserwählt, um zu scheitern.
Denn wenn es weg war, war es weg. Das sagte die Prophezeiung eindeutig. Da kam nichts mehr, was noch erhalten werden konnte. Weg, ausgelöscht, gestorben. Die erste aufgezogene Schlaufe eines Häkeltuches, das die Basis unseres Lebens darstellte. Es würde sich nach und nach aufräufeln.Dann traf mich die eigentliche Bedeutung mit einem urgewaltigen Schlag.
Damit das Drachenfeuer verlosch, musste Nachtblitz sterben.
Ich würde sie verlieren. Nicht retten können. Zu langsam sein.Nein.
Nein!
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, neinneinneinneinneinNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEIN!
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Sternenfluch - Segen der Finsternis
Fanfiction„Das ist kein Segen, das ist ein Fluch." „Manchmal liegen Segen und Fluch so nah beisammen, dass man sie nicht mehr auseinanderhalten kann." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ **BAND ZWEI** Zwei Stämme, eine Geschichte. Zwei Menschen, eine Vergangenheit...