Pov Amy
Während ich Jette zur Begrüßung umarme, schmerzt mein Kopf leicht und ich versuche mich vollständig auf ihren vertrauten Duft anstatt das Pochen in meinem Schädel zu konzentrieren.
"Du siehst ziemlich fertig aus", merkt sie an, als wir uns voneinander lösen und lässt ihren besorgten Blick über mein Gesicht schweifen. Ich schnaube leicht.
Durch meine Augenringe und meine unordentlich zerzausten Haare lässt sich dieser Fakt wohl kaum übersehen. Sowohl der Alkohol gestern als auch das Gespräch mit Marlon eben haben mir zugesetzt.
"Bin ich auch", gebe ich daher wahrheitsgemäß zurück.
Anstatt allerdings weiterzusprechen, laufe ich den Flur entlang zur Treppe, die nach oben führt. Jette folgt mir und bei jedem einzelnen Schritt kann ich ihren prüfenden Blick in meinem Rücken brennen spüren. Wahrscheinlich rattern die Rädchen in ihrem Kopf schon jetzt auf Hochtouren und sie versucht zu verstehen, was bei mir los ist, doch sie hält sich zurück. Sobald wir in meinem Zimmer angekommen sind und die Tür hinter mir ins Schloss fällt, ist die Schonfrist allerdings vorbei. Jette umgreift meinen Arm und zieht mich auf mein Bett, wo sie sich mir direkt gegenübersetzt und mir dann tief in die Augen sieht.
"Du kannst mich nicht anrufen und herbitten und dann kaum etwas sagen, wenn ich hier bin. Erzähl mir bitte was los ist", spricht sie sanft, aber dennoch bestimmend.
"Ist es wegen gestern? Wegen Marlon?"
Unter ihrem eindringlichen Blick spüre ich, wie meine Mauer von Sekunde zu Sekunde bröckelt. Sie hat die Gabe, anderen Menschen das Gefühl zu geben, nur durch einen einzigen, langen Blick in sie hineinsehen zu können und zu verstehen, was in ihnen vorgeht. Als würde sie die Person allein durch ihren Blick analysieren.
Und in manchen Situationen weiß ich, dass sie einem nicht nur das Gefühl vermittelt, sondern dies auch tatsächlich tut.
Genau wie gerade. Egal wie sehr ich es versuchen würde, ich könnte vor Jette nicht verbergen, dass etwas los ist.
Möchte ich auch nicht.
Aus diesem Grund nicke ich langsam.
"Ja, seinetwegen. Du kannst es ruhig sagen", murmele ich und wende den Blick ab.
"Hm?"
"Das du es immer gesagt hast. Es ist jetzt richtig komisch zwischen Marlon und mir geworden. Vielleicht hätte ich das mit der Freundschaft Plus niemals machen sollen", seufze ich. Noch während ich diese Worte ausspreche, spüre ich ein Stechen in meiner Brust und merke sofort, dass ich es eigentlich nicht so meine. Und auch Jette merkt es.
Als ich sie wieder ansehe umspielt ein trauriges Lächeln ihre Mundwinkel und sie rutscht wortlos näher an mich heran, um mich so gut es in unserer sitzenden Position geht in den Arm zu nehmen.
"Ich könnte jetzt zwar sagen, dass ich dich gewarnt habe, aber das würde dir auch nicht weiterhelfen", flüstert sie nach einer Weile, in der sie lediglich beruhigend über meinen Rücken gestrichen hat.
Mir entweicht ein leises Lachen.
Jette ist diese 'Ich hab es dir ja gesagt' Art von Freundin, aber ohne diesen Satz wirklich jemals zu sagen, um nicht vorwurfsvoll zu klingen. Aber ich bin mir sicher, dass sie es insgeheim denkt.
"Aber ich weiß doch, dass du es nicht bereust, mit Marlon in diese andere Ebene eurer Freundschaft gegangen zu sein. Und du weißt das auch, oder?", fährt sie lächelnd fort und trifft mal wieder den Nagel auf den Kopf.
"Du hast recht. Das ist es ja auch nicht..."
"Sondern?", will sie mich hochgezogener Augenbraue wissen. Ich hole tief Luft, bevor ich ihr antworte.
"Es hat sich einfach verändert zwischen uns. Mal abgesehen von unserem Streit gestern ist unser Umgang miteinander einfach nicht mehr so wie noch vor ein paar Wochen."
Jette nickt langsam, als würde sie verstehen, obwohl ich ihr kaum etwas erklärt habe.
"Inwiefern anders?"
"Irgendwie...romantischer? Er sagt dauernd irgendwelche Sachen, die man eigentlich in unserem Verhältnis nicht zueinander sagt", versuche ich ihr meine Eindrücke der letzten Zeit zu schildern.
"Und jetzt hast du Angst, dass er Gefühle für dich entwickelt hat?", schlussfolgert sie.
Auch wenn ich es so punktgenau noch nie gedacht habe, schlucke ich den Kloß, der sich beim Gedanken daran in meinem Hals gebildet hat hinunter und nicke zögerlich.
"Er ist verdammt eifersüchtig und ich merke einfach, dass er mich für sich haben will. Aber wir sind nunmal nicht zusammen", stöhne ich und reibe mir die Schläfen, während Jette nachdenklich die Stirn in Falten legt.
"War das auch euer Streitthema?"
"Unter anderem", nicke ich knapp.
Auch wenn es vielleicht einfacher wäre, alles zu erklären, möchte ich nicht weiter auf den Streit und meine damit einhergehende Enttäuschung eingehen. Es reicht schon, dass die vielen Gedanken, die ich mir in der letzten Stunde um Marlon und mein Verhältnis gemacht habe, mir Kopfschmerzen bereiten.
"Und eine Beziehung mit ihm könntest du dir so gar nicht vorstellen?", fragt Jette vorsichtig, als hätte sie Angst, etwas falsches zu sagen. Aber sie darf mich alles fragen, ich würde ihr niemals böse sein. Vorallem weil sie weiß, wie es mir mit diesem Thema geht und sehr nachsichtig ist.
"Keine Ahnung", seufze ich und zupfe an meiner Bettdecke herum, um ihr bei meinen nächsten Worten nicht in die Augen sehen zu müssen.
"Eine Beziehung hängt mit Bindungen zusammen und du weißt warum es mir schwer fällt, mich an Leute zu binden."
Ich atme tief durch und fahre dann unsicher fort. "Ich habe Angst davor."
Meine letzten Worte sind lediglich ein Wispern und ich hasse mich selbst dafür, dass meine Vergangenheit mich wieder einholt und die Macht hat, meine selbstbewusste Seite in Trümmer zu legen. Eigentlich lasse ich diese seltene, unsichere Seite an mir nie jemanden sehen, doch mit Jette ist es etwas anderes. Bei ihr kann ich, egal in welcher Verfassung, immer ganz ich selbst sein und ich liebe sie für ihr Verständnis.
"Ich weiß", murmelt sie und greift nach meiner Hand, um sie sanft zu drücken.
"Und das ist auch vollkommen okay."
Diese kleine Geste drückt ihr Mitgefühl besser aus, als alle Worte es könnten und ich lächele sie dankbar an. "Danke."
Sie lächelt zurück.
"Selbstverständlich. Jeder hat doch vor irgendetwas Angst", meint sie schulternzuckend, doch mir entgeht der dunkle Schatten, der in ihren Augen aufflimmert, nicht. Und genau dieser erinnert mich zum erneuten Mal daran, dass auch bei meiner besten Freundin irgendetwas los sein muss.
"Willst du mir denn nicht auch langsam mal erzählen, was bei dir abgeht?", drehe ich das Gespräch also um und sehe sie fragend an. Doch schon sobald ich die Frage ausgesprochen habe, wirkt sie nervös und der Schatten in ihren Augen verwandelt sich in Trauer, was mir ziemliche Sorgen bereitet.
"Es ist alles okay bei mir", lügt sie und ich muss seufzen.
"Ist es nicht und das merke ich."
Jette beißt sich kurz auf die Unterlippe, bevor sie den Kopf schüttelt.
"Es ist wirklich okay. Ich will nicht drüber reden, zumindest noch nicht."
Ihre Stimme ist dünn und sie klingt nicht sehr überzeugt, aber nach einem letzten prüfenden Blick, auf den hin sie erneut den Kopf schüttelt, belasse ich es dabei. Auch wenn es mich von Mal zu Mal, an dem sie abblockt, mehr frustet und ich irgendwann mit Sicherheit keine Akzeptanz mehr für ihre Verschwiegenheit aufbringen kann.
"Aber um nochmal auf Marlon zurückzukommen", wechselt sie schnell das Thema. "Attraktiv findest du ihn aber schon, oder?"
Sie hat den traurigen Gesichtsausdruck gegen ein Grinsen eingetauscht und so schwer es mir auch fällt, ihre Probleme ruhen zu lassen, kann ich mir bei ihrer Frage selbst kein Grinsen verkneifen.
"Natürlich finde ich ihn attraktiv. Sonst hätte ich mich ja nie mit ihm eingelassen", meine ich lachend.
"Und wie sieht es mit Gefühlen für ihn aus?"
"Als Freund ist er mir wichtig. Sehr", gebe ich zu. "Aber eigentlich auch nur als Freund."
Auch wenn ich dachte, überzeugend gesprochen zu haben, verrät mir spätestens Jettes hochgezogene Augenbraue, dass sie mir nicht glaubt. "Ganz sicher?"
Ich bringe bloß ein Nicken zustande, denn überzeugend zu sprechen würde ich wahrscheinlich nicht hinbekommen. Und möglicherweise versuche ich mich mit diesem Nicken auch selbst zu überzeugen. Eigentlich habe ich nämlich absolut keine Ahnung mehr. Marlon verwirrt mich und noch verwirrender ist der Streit, den wir gestern hatten. Ich bin sauer auf ihn. Sehr. Und der Marlon, der sich mir bei diesem Streit präsentiert hat, ist definitv keiner, für den ich jemals Gefühle entwickeln würde.
"Aber momentan ist es eh durch den Streit nochmal anders. Und in nächster Zeit wird es auch anders sein. Ich habe ihm gesagt, dass ich erstmal Abstand will, als er eben da war", erzähle ich also und Jette reißt überrascht die Augen auf.
"Also kein rummachen mehr?"
"Nein. Würde ich ihn wieder ranlassen, würde er denken, dass ich ihm verziehen habe, das weiß ich genau. Aber ich brauche Zeit dafür."
"Finde ich gut", lächelt meine Gegenüber anerkennend. "Man sollte sich ja nicht alles gefallen lassen."
"Eben. Und ich bin die letzte Person, die sich die Sprüche die er gedrückt hat, gefallen lässt", meine ich nachdrücklich.
Jette sieht für einen kurzen Moment stolz aus, bevor ihr wieder eine Spur Sorge ins Gesicht geschrieben steht.
"Aber waren die so schlimm, dass du alles was ihr hattet aufgeben willst?"
Ohne nachzudenken verneine ich.
"Sie waren schlimm. Aber auf keinen Fall. Ich brauche jetzt einfach nur mal kurz Zeit für mich, aber ich will ihn als Freund nicht verlieren." Mich überkommt ein dunkler Gedanke und mit ein wenig Abneigung in der Stimme füge ich hinzu: "Sollte Marlon sich aber nochmal etwas derartiges erlauben, kann ich für nichts mehr garantieren."Ein bisschen über Amys Sicht bezüglich ihrem momentanen Verhältnis zu Marlon.
Wie findet ihr ihr Gespräch mit Jette und auch die Art, wie Jette mit ihr umgeht?
Und Amy hat mal eine verletzliche Seite gezeigt, von wegen Vergangenheit...
Haut gerne mal Hypothesen in die Kommentare, was es damit auf sich haben könnte & lasst einen Stern da, wenn es euch gefallen hat❤❤
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Intuitiv, attraktiv? - DWK
FanfictionEr spielt Fußball. Sie geht auf Partys. Aber zwei Dinge verbinden Marlon und Amy: ihr Sarkasmus und ihr Selbstbewusstsein. Die beiden pflegen eine gute Freundschaft. Eine Freundschaft der besonderen Art. Alles ganz unverbindlich und ohne Probleme...