11. Wald und Magie

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Ich war doch eingeschlafen.

Früh morgens hatte Kirian mich geweckt und mir stumm eine Scheibe Brot mit Wasser gereicht. Ich hatte sie wortlos entgegengenommen. Der Plan den Kirian sich nachts überlegt hatte war simpel.

Wir nutzten den Schutz des Waldes vor allem dafür, um meine Magie zu trainieren. Der Narbenwald war nicht breit, aber dafür langten seine Enden fast bist an die Hauptstadt von Irania heran und niemand, außer natürlich gefährliche magische Tiere mit Hörnern wie Speere, würde uns stören. Aber wer würde davor denn zurückschrecken, dachte ich voller Sarkasmus. Ein Drache anscheinend nicht.

Problematisch war die Tatsache, dass auch die Begegnungen mit Räubern immer wahrscheinlicher wurde, je weiter wir in den Wald eindrangen und in Richtung Norden kamen. Räuber waren gesetzlose Ungeheuer, die aufgrund ihrer Verbrechen aus den Städten verbannt worden waren. Ihnen waren die Orte überlassen, in denen sonst niemand hinwollte. Und der Narbenwald mit seinen krummen Ästen und dicht an dicht stehenden Bäumen und all den Tieren die hier hausten und einen umbringen wollten, zählte auf jeden Fall dazu.

Wie ich bereits in der ersten Stunde unseres Fußmarsches bemerkte, waren Drachen offenbar von Natur aus hervorragende Waldbewohner. Still und leise fand sich Kirian in den dichtesten Ecken zurecht und wusste immer, wo wir uns befanden. Wenigstens in der Hinsicht konnte ich ihm das Wasser reichen. Dank meiner Körperstatur und meiner Erfahrung, bewegte ich mich im Wald auf ebenso leise Sohlen wie er.

Die Sonne kaum zwischen den Blättern hindurch, während uns der Mittag entgegenschritt. Die Bäume standen so eng beieinander, als wollten sie verhindern, dass auch nur ein Funken Sonne den Waldboden berührte. Obwohl es warm sein müsste, herrschte hier eine klamme Kälte, die mir in die Knochen zog, als würde sie mir jegliche Wärme heraussaugen wollen. Wie ein Parasit. Und ich war der Wirt.

Immer wieder bildete ich mir ein, ein Geräusch von großen Tieren zu hören. Aber trotz des wenigen Tageslichtes, dass hin und wieder durchkam, konnte ich kaum etwas sehen. Es war, als würde im Narbenwald immer Nacht herrschen. Und je weiter wird gingen, desto mehr fiel mir auf, dass Kirian ebenfalls höchst wachsam war. Es beunruhigte mich wider Willen, dass selbst er den Wald scheinbar nur aus der Not heraus betreten hatte.

Als mein Magen nach stundelangem Gehen hungrig knurrte, hielt Kirian endlich inne und drehte sich zu mir um. Kein Tropfen Schweiß klebte auf seinem makellosen Gesicht und er wirkte nicht im mindesten erschöpft oder auch nur angeschlagen.

Er stand auf einer leichten Anhöhe und mich blendete das bisschen Sonnenlicht, sodass ich ihn lediglich als Silhouette erkennen konnte. Ich hielt mir die Hand vor das Gesicht um die Strahlen abzuschirmen.

»Hier werden wir Rast machen.«, verkündete er entschieden und legte die Sachen ab. Ich stampfte die Anhöhe zu ihm hinauf, und erkannte einen kleinen Waldsee, der sich zwischen den Bäumen hindurchwand.

»Woher wusstest du, dass hier ein Teich ist?«

Kirian hielt beim Auspacken inne und er musterte mich kurz, ehe er den Blick abrupt wieder abwandte. »Ich habe ihn gerochen.«

Er strich sich das dunkle Haar aus dem Gesicht, als er sich wieder aufrichtete. Frech und etwas zerzaust fiel es ihm sofort wieder über das Gesicht und ich musste ihm zugestehen, dass er verdammt gut aussah. Hastig wandte ich mich ab.

»Du hast ihn gerochen.«, wiederholte ich seine Worte lahm. »Gibt es auch etwas, was du nicht kannst?«

»Wir bleiben nie lange unbemerkt.«

Ich hätte beinahe bitter gelacht über seine Antwort.

»Das hat aber in der Schlucht ausgezeichnet funktioniert. Keiner hat dich kommen sehen.«, sagte ich voll unverhohlenem Gram und schüttelte mich, als sich meine Haut an das Feuer erinnerte. Manchmal hatte ich das Gefühl es würde noch immer brennen. Kirians Kiefer spannte sich an, als er den Vorwurf aus meiner Stimme hörte, aber das war mir egal. Er hatte es verdient, dass man ihn auf seine Fehler hinwies. Wenn es sonst schon niemand tat, würde ich es tun.

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