U.G.L.Y. ~ Wintersaft

Kapitel 3

Er trieb sich aus purer Langeweile auf einer Website im Inkognitomodus herum, als eine Nachricht hereingeflattert kam. Da er ohnehin nichts besseres zu tun hatte, schloss er den Tab und öffnete stattdessen Steam. Eine Nachricht von einem Wintercracker. Das war fast so kreativ wie sein Name. Mäßig interessiert öffnete er sie mit einem Klick und was er da las, ließ ihn tatsächlich belustigt schmunzeln. Na du Rätselfreak? Dachtest du, ich würde dein Rätsel nicht gelöst bekommen? Es störte ihn nicht, dass Sven zum vertrauten 'Du' gewechselt war. Ich dachte immer, Boxer hätten nichts im Kopf. Während er auf die Antwort wartete, strich er sich mit einer nachlässigen Bewegung die langen Haare aus dem Gesicht. Ich bin Buchhändler, da sollte ich schon lesen können. Apropos lesen, hast du Lost Boy schon fertig gelesen? Nein, er hatte das am Vortag gekaufte Buch nicht gelesen. Er hatte es nicht einmal aufgeschlagen.

Offensichtlich hatte seine Antwort Sven zu lange gebraucht, immerhin kam seine nächste Nachricht, noch bevor er angefangen hatte zu tippen. Erde an Fabian. Bist du noch da? Fabian schüttelte den Kopf und legte die Finger wieder auf die Tasten, um zu antworten. Ja, ich bin noch da. Sein Blick wanderte zu dem geöffneten Fenster, durch das frische Luft hinein kam. Draußen war es bereits dunkel, doch die Straßenlaternen erhellten die Gasse. Er atmete tief ein und aus und sah wieder zurück auf den hellen Bildschirm, auf dem eine Fliege saß. Fabian versuchte sie mit einer müden Handbewegung zu verscheuchen, doch Svens nächste Nachricht beanspruchte wieder seine Aufmerksamkeit. Das freut mich. Wollen wir was zocken? The Forest? Fabian sah an sich herunter und stellte fest, dass er immer noch denselben Pulli trug. Svens Vorschlag war durchaus begründet. Können wir machen. Fabian wusste selbst nicht, warum er dem Vorschlag zugestimmt hatte. Sehr gut. Verrätst du mir, wie du auf Discord heißt oder muss ich wieder Rätsel raten? Obwohl das nicht lustig war, begann Fabian erneut zu schmunzeln und schickte ihm seinen Namen.

"Hallo Fabi." Sven klang ziemlich gut gelaunt. "Guten Abend. Wie geht es dir?" Fabian überhörte den Spitznamen und startete das Spiel. "Mir geht es gut. Ich bin ein bisschen geschafft vom Arbeiten, aber das passt schon. Wie sieht es bei dir aus? Was hast du heute gemacht?" Fabian wollte nicht zugeben, dass er den ganzen Tag nichts gemacht hatte, deswegen log er. "Ich war arbeiten und dann noch eine Runde joggen. Es ist schön, endlich Feierabend zu haben." Svens Lachen drang durch das Headset an sein Ohr und steckte ihn zu einem Glucksen an. "Wie sieht es aus? Wollen wir uns dann ein entspanntes Feierabend Bier gönnen?" In seinem Kopf ging Fabian alles durch, was er gekauft hatte, doch Bier war nicht dabei. "Ich hab kein Bier da." Sven lachte erneut auf und dieses Mal verdrehte Fabian die Augen. Warum war der andere immer so gut drauf? "Wir können auch in eine Kneipe gehen, wenn du möchtest." Fabians Hand ließ den Mauszeiger über den Bildschirm wandern, sein Zeigefinger sorgte dafür, dass sich das Spiel öffnete. "Nein, ich möchte nicht in einer Kneipe gehen. Können wir nicht einfach ein bisschen zocken?"

Falls Sven von Fabians Zurückweisung gekränkt war, ließ er es sich nicht anmerken, sondern jointe dem Server, den Fabian aufgemacht hatte. "Also... Wie funktioniert das Ganze jetzt?" Das machte Fabian ziemlich sprachlos. "Du kennst das Spiel nicht?" Sven lachte erneut. "Doch, natürlich kenne ich das Spiel. Ich habe nur noch nie selbst gespielt, ich habe es mir gestern erst geholt und hatte keinen Bock allein zu zocken. Außerdem musste ich ja ein Rätsel lösen." Ein hartnäckiger Verdacht wuchs in Fabian, doch er wollte nichts sagen, aus der Angst sich zu blamieren. Das musste er auch nicht, Sven redete einfach weiter. "Bevor du dir den Kopf zerbrichst, ja ich habe das Spiel nur deinetwegen gekauft. Ich habe im Gronkh Shop nach Hoodies gesucht und festgestellt, dass es auch welche gibt, die sich nicht auf das Spiel beziehen, daraus habe ich geschlussfolgert, dass es möglich wäre, dass du das Spiel bei ihm gesehen hast, also mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gut findest und es deswegen vermutlich auch selbst spielst." Fabian war sprachlos.

"Bist du jetzt sauer?" Sven klang dabei ausnahmsweise mal nicht fröhlich, sondern viel mehr ein kleines bisschen unsicher. Fabian seufzte leise. "Nein. Nur verwirrt und vielleicht ein kleines bisschen beeindruckt. Aber vor allem sehr verwirrt." Er trommelte mit den Fingern auf der alten Tischplatte herum, bevor er wieder an seinen Fingernägeln herum knabberte. "Verwirrt? Wenn du mir sagst warum, dann helfe ich dir gerne." Fabian pausierte das Spiel und schüttelte abwesend den Kopf. "Warum hast du das gemacht?" Fast glaubte er vor sich zu sehen, wie Sven das lädierte Gesicht zu einem Lächeln verzog. "Weil ich dich kennen lernen wollte und du nicht kennen gelernt werden willst. Ich hab versucht, dich zum Essen einzuladen und ich habe dir meine Nummer gegeben und das hat nicht funktioniert. Ich dachte schon, dass ich dich nie wieder sehe und dann bist du einfach in die Buchhandlung gekommen und hast mir später sogar noch deinen Steamnamen gegeben. Da wollte ich sicher gehen, dass wir ein Thema haben, das dir gefällt und ein Spiel vorhanden ist, das wir gemeinsam spielen können." Fabian schüttelte einfach erneut den Kopf. "Und warum willst du mich kennen lernen?" Der andere lachte wieder. "Weil ich dich nett finde. Und weil ich dir nur was für die Fahrt in die Notaufnahme schulde." Ohne ein weiteres Wort zu sagen, griff Fabian wieder die Maus und ließ das Spiel weiter laufen. "Hast du mich sonst nochmal angelogen?" Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Zum einen fühlte er sich ein bisschen geschmeichelt, auf der anderen Seite kam er sich aber auch ziemlich veräppelt vor. "Nein, habe ich nicht. Ich wollte dich nicht verletzen oder dass du dich schlecht fühlst. Tut mir leid."

Fabian strich sich durch die Haare und schwieg einige Momente lang, während das Spiel richtig begann. Ohne auf Sven zu warten begann er das Flugzeug zu looten. "Fabi?" Es war ersichtlich, dass Sven sich offensichtlich wirklich fürs Zocken interessierte, zumindest kam er schnell mit der Steuerung klar. "Wie sieht es aus? Was ist der Plan?" Fabian verließ das Flugzeug und ließ seinen Spielcharakter die Koffer knacken. "Überleben." Sven lachte erneut und überließ Fabian die Koffer, er sammelte lieber ein paar Steine und Äste. "Du kannst die Koffer ruhig looten, die sind für uns beide individuell da. Kannst du mit der Axt knacken." Er wusste nicht, warum er Sven den Hinweis gab. "Danke für den Tipp. Gilt das für alles hier?" Fabian zuckte mit den Schultern, bevor er sich daran erinnerte, dass Sven das nicht sehen konnte. "Weiß ich nicht. Hab noch nie im Multiplayer gespielt. Wo möchtest du das Lager haben?"