Kapitel 14 - Nackte Tatsachen

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Als unsere Lippen sich berührten spürte ich kein Feuerwerk. Auch kein Gefühl, dass das was ich tat falsch war. Ich spürte einfach nichts... Und das war viel schlimmer als alles andere.
Blake schien zu erst noch überrascht, dass ich ihn wirklich küsste, aber er fing sich schnell wieder und erwiderte den Kuss, worüber ich mehr als nur erleichtert war. Es wäre unglaublich peinlich geworden, wenn er mich vor Dylan und den anderen Schülern abgewiesen hätte. Er legte seine Hände auf meine Hüften und zog mich noch näher zu sich hin. Ich hingegen legte meine Hände in seinen Nacken, bis mir bewusst wurde, was ich hier eigentlich tat - vor einem großen Haufen Menschen.

Langsam löste ich mich von ihm, doch ich konnte es nicht verhindern ihn überrascht anzuschauen. Überrascht von mir und überrascht von seiner Reaktion.
Unweigerlich drehte ich mich zu Dylan und Lucy, doch erstere war gar nicht mehr da. Auf der Bank saß nur noch Lucy, die uns entgegen strahlte.
Ich schaute in die Gesichter der anderen. Sie standen teilweise um uns herum, andere hatten etwas Vernunft und taten so, als hätte nichts Spannendes stattgefunden.
Sofort fühlte ich mich unbehaglich und ich bereute meine ganze Aktion auch schon wieder.
Zum Glück kam in diesem Moment Lucy und rettete mich aus der peinlichen Situation. Unfassbar, dass ich das gerade wirklich gedacht hatte...
Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge, hakte sich bei Blake und mir ein und zog uns in die Schule. Zwar war das nicht die optimale Lösung, aber ohne sie würde ich wohl den ganzen Tag wie angewurzelt stehen geblieben sein.

In der Schule angekommen, zog Miss Eiskönigen, die gar nicht mehr so kalt wirkte, uns über die Flure und kaute Blake und mir ein Ohr ab.
"Ihr seid einfach so ein süßes Paar. Ich wusste schon immer, dass du auf Blake stehst." Sie schaute mich an und ich wurde rot. "Und Blake, mal ehrlich. Wie konntest du dieser Schönheit so lang widerstehen?" Sie knuffte mir in die Seite. Am liebsten hätte ich mich in Grund und Boden geschämt und das es Blake wohl genauso ging, war mir kein Trost.
Lucy ließ uns los, als wir vor unserem Klassenraum ankamen.
"Ist es nicht schön verliebt zu sein? Ja, das ist es.", schwärmte sie und vergaß uns für einen Augenblick. Unheimlich- die verliebte Lucy war gut gelaunt, nett und fröhlich. Das passte so gar nicht zu ihr.
"Du bist verliebt?", fragte jetzt Blake mit ein wenig Spot in der Stimme. "In wen?"
Ich hatte ja schon meine Vermutung, trotzdem wäre es etwas anderes, es nochmal aus ihrem Mund zuhören.
"Es ist..." Sie machte eine dramatische Pause und dafür wäre ich ihr am liebsten an die Gurgel gesprungen. Egal ob nett und verliebt oder nicht, nervig war sie allemal.
Blake hob eine Augenbraue, den auch er schien gespannt zu sein, wer der Eiskönigen das Herz gestohlen hatte.
"...ein Geheimnis.", beendet sie ihren Satz. Doch das stimmte Blake wohl nicht glücklich und so begann er Lucy ordentlich durch zu kitzeln. Ich betrachtete die Zwei mit einem Lächeln.
"Vergiss es, ich werde es dir nicht sagen.", lachte sie und versuchte sich dabei aus Blakes Griff zu winden. Schon bald gab er es auf, zumindest vorerst, und wir gingen zusammen in den Unterricht.

Die restlichen Tage bis zum Wochenende vergingen ruhig. Dylan vermied es, mich zu treffen. Jedesmal, wenn er sich mit Lucy unterhielt und ich mich traute, dazu zu kommen, leierte er sich irgendeine Entschuldigung aus den Rippen und verschwand. Lucy bekam von all dem nichts mit und schwärmte nur weiter für ihn. Mittlerweile war ich mir zu 99,99% sicher, dass Dylan ihr geheimnisvoller Schwarm war. Rose war nach wie vor nicht in der Schule, Rayn war auch gar nicht mehr zu sehen und Blake benahm sich in meiner Gegenwart, seit dem Kuss, irgendwie komisch. Ich hoffte nur, dass ich damit nicht unsere Freundschaft beschädigt hatte.

Heute würde ich ihn auf jeden Fall darauf ansprechen, denn wir hatten Samstag und somit endlich Winterferien. Meine Eltern konnte ich zum Glück dazu überreden, erst am Montag mit dem arbeiten zu beginnen und den Hausarrest hatten sie auch aufgehoben.
Da Blake und ich uns in circa drei Stunden verabredet hatten und mir langweilig war, begann ich schon mal mich fertig zu machen. Ich machte mich nicht besonders hübsch. Meine Haare ließ ich offen über meine Schultern fallen, mein Gesicht war ungeschminkt. Blake und ich hatten schließlich kein Date, dass hatte er selbst gesagt. Als ich mich fertig im Spiegel betrachtete und zufrieden war, ging ich runter in die Küche, um noch schnell etwas zu essen. Ich hatte noch mehr als genug Zeit, trotzdem zog ich Jacke und Schuhe an und ging raus in die Kälte.

Ich lief ziellos durch die Gegend und ging meinen Gedanken nach. Plötzlich stoppte ich mitten auf der Straße, als ich bemerkte, wo ich unbewusst hin gelaufen war. Auf meiner rechten Seite erkannte ich das Haus von Dylans Eltern wieder.
Schnell wollte ich weiter, in eine andere Richtung verschwinden, aber irgendwie wollten meine Füße etwas Anderes. Und so steuerte ich direkt auf das Haus zu. Damit aber noch nicht genug. Während mein Verstand dem Finger sagte, dass er bloß nicht auf die Klingel drücken sollte, gab mein Herz ihm ganz andere Befehle.
Und dann ertönte das Geräusch einer Türklingel. Ich stand wartend davor und fragte mich, was ich hier verdammt nochmal tat.
Ich hörte Schritte hinter der Tür und mein Herz schlug wild in der Brust. Bevor die Tür geöffnet wurde, zupfte ich nochmal schnell meine Haare zurecht.
Endlich ging die Tür auf, gefolgt von meinem Mund. Erstaunt stand ich da und konnte nicht glauben was ich sah.
"Hey Süß... Brooke? Was machst du denn hier?"
Ich wollte auf die Frage antworten, aber  es ging einfach nicht. Zu geschockt war ich.
Vor mir stand nicht Dylan, noch nicht mal ein männliches Wesen. Es war Lucy, die mir die Tür geöffnet hatte. Das schlimmste war jedoch, dass sie fast nackt vor mir stand. Sie trug nur noch eine Art Morgenmantel, der meiner Meinung nach viel zu durchsichtig und viel zu freizügig war. "Glücklicherweise" trug sie noch (aufreizende) Unterwäsche darunter. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wobei ich die Zwei gerade gestört hatte.
"Ich ähh...", stammelte ich und drehte mich auf dem Absatz um. Das war eine wirklich peinliche Situation. Langsam glaubte ich, dass das Leben nur aus solchen besteht.
Lucy rief mir noch etwas hinterher, aber ich blieb nicht mehr stehen sondern rannte einfach weiter. Wieder meldete sich dieses Gefühl in meinem Bauch, dass ich auch vor ein paar Tagen empfunden hatte, kurz bevor ich Blake geküsst hatte.

Blake! Ich bräuchte jetzt eine Ablenkung und dafür kam er doch wirklich wie gerufen.
Ich wechselte meine Laufrichtung, wie ein Hase auf der Flucht und rannte zu Blakes Wohnung.
Atemlos blieb ich vor der riesigen Eingangstür stehen und betete, dass Blake schon da war. Tatsächlich ertönte ein Summen und ich konnte die Tür öffnen. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl ins oberste Stockwerk, welches allein ihm gehörte.
Als er mich erblickte sah er erstaunt auf seine Uhr.
"Du bist zu früh...", stellte er nüchtern fest und fuhr sich mit den Fingern durch die verwuschelt, schwarzen Haare. Ich nickte resigniert und fragte, ob ich rein kommen dürfte, als ich sowieso schon in seinem Eingangsbereich stand.
Blake fasste mir an die Schultern und zog mich ein bisschen näher zu sich, um mich genauestens unter die Lupe nehmen zu können.

"Alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus als ob du gerade ein Geist gesehen hast.", flüsterte er mit einem besorgten Unterton.
-Nein. Nichts war okay. Ich bekam dieses verfluchte Bild von einer nackten Lucy nicht mehr aus dem Kopf. Wenn ich mir dann vorstellte, wie die zwei übereinander herfielen, dann wurde mir einfach nur schlecht.
"Ja klar. Alles super.", log ich schlecht.
Blake machte noch einen Schritt auf mich zu und strich mir gleichzeitig eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Du siehst aus, als ob du ein wenig Ablenkung vertragen könntest." Ich war mir nicht sicher, ob das eine Frage oder eine Feststellung war, aber auf jeden Fall hatte er damit Recht.
"Aus diesem Grund bin ich hier.", sagte ich mit erstaunlich fester Stimme.
Es huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er legte seine Arme um mich und zog mich an sich. Ohne, dass ich noch viel Zeit hatte, es mir anders zu überlegen, presste er seine Lippen auf meine. Es war kein süßer oder romantischer Kuss, sondern ein fordernder. Unsicher was ich tun sollte, ließ ich mich einfach fallen, natürlich nicht wortwörtlich. Ich versuchte es einfach zu genießen.

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt